Der Nachlass - und was dazu gehört
Hilfestellung für Erblasser, Erben und Pflichtteilsberechtigte
Es gibt viele gute und schlechte Gründe für einen Erbstreit. Häufig kommt es bereits bei der Frage, was überhaupt zum Nachlass gehört, zum Konflikt. Das Gesetz definiert in § 1922 BGB die Erbschaft als das Vermögen des Erblassers, das als Ganzes auf den oder die Erben übergeht. Was genau darunter zu verstehen ist, ist im Einzelfall jedoch häufig nicht leicht zu entscheiden.
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Der Unterschied zwischen Nachlass und Erbschaft
Sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch im juristischen Fachjargon spricht man sowohl vom Nachlass als auch von der Erbschaft. Auch das Gesetz kennt beide Begriffe. In den erbrechtlichen Vorschriften des BGB ist meist von der Erbschaft die Rede, wenn es um die Rechtsstellung des Erben geht, vom Nachlass eher, wenn das auf die Erben übergegangene Vermögen gemeint ist. Von praktischer Relevanz sind etwaige begriffliche Unterschiede zwischen Nachlass und Erbschaft nicht.
Vermögenswerte, Schulden und erbrechtliche Verpflichtungen
Der Nachlass umfasst alle vererblichen Güter und Rechtspositionen, deren Inhaber der Erblasser war. Dies ist zunächst sämtliches Eigentum des Erblassers, jedoch auch alle vertraglichen Ansprüche, die er zu Lebzeiten innehatte. Der Erbe oder die Erben rücken ja auch in alle Verträge ein, die der Erblasser mit Dritten geschlossen hatte. Dies betrifft beispielsweise die Geschäftsbeziehung zu Banken (Girovertrag), der Erbe wird automatisch Konto- bzw. Depotinhaber und kann u.a. die Auszahlung etwaiger Bankguthaben an sich verlangen. Alle positiven Vermögenswerte des Nachlasses nennt man auch Aktiva.
Gleichzeitig mit den Vermögenswerten übernimmt der Erbe aber auch alle vertraglichen Verpflichtungen und Verbindlichkeiten des Erblassers, die sogenannten Erblasserschulden. Hatte der Erblasser beispielsweise ein Darlehen aufgenommen, ist nunmehr der Erbe zur Rückzahlung nach den jeweiligen vertraglichen Modalitäten verpflichtet. Vergleichbares gilt u.a. für Miet- oder Telekommunikationsverträge oder aber auch die Hausratversicherung, in die der Erbe einrückt und die weiter laufen, bis der Erbe den jeweiligen Vertrag kündigt. Die Schulden des Erblassers werden auch als Passiva bezeichnet.
Neben den Nachlassaktiva und –passiva muss der Erbe auch für die Erbfallschulden, also die Bestattungskosten und die Kosten der Grabstelle sowie für etwaige Kosten des Nachlassgerichts (Testamentseröffnung, Erbschein) aufkommen. Alle weiteren nach dem Erbfall entstehenden Verbindlichkeiten in Bezug auf den Nachlass bzw. die Nachlassgegenstände treffen den Erben als eigene Verbindlichkeiten.
Nicht vererbliche Rechte
Bestimmte typische Rechtspositionen sind nach dem Gesetz nicht vererblich und fallen deshalb nicht in den Nachlass.
- Beispielsweise erlischt der Nießbrauch an einer Sache, an einem Recht oder an einem Grundstück mit dem Ableben des Erblassers, § 1061 BGB. Das Nießbrauchsrecht ist damit nicht vererblich. Gleiches gilt für das Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB, das vom Berechtigten nur persönlich ausgeübt werden kann und deshalb mit seinem Ableben erlischt, § 1092 Abs. 1 BGB. Ob der Nießbrauch oder das Wohnungsrecht im Grundbuch eingetragen sind, ist insoweit unerheblich. Nach dem Ableben des Berechtigten hat der Erbe die Möglichkeit, bei dem zuständigen Grundbuchamt gegen Vorlage der Sterbeurkunde des Berechtigten die Löschung dieser Rechte herbeizuführen.
- Ebenfalls nicht vererblich sind Ansprüche auf Geldentschädigung wegen verletzter Persönlichkeitsrechte. Dies hat der BGH u.a. im Streit um eine Millionen-Entschädigung aufgrund einer umstrittenen Buchveröffentlichung über Altkanzler Helmut Kohl zulasten der Witwe entschieden.
Versicherungen, insbesondere Lebensversicherungen
Bestimmte Versicherungsverträge, insbesondere Lebensversicherungsverträge weisen Besonderheiten auf. In aller Regel bestimmt der Versicherungsnehmer, also der Vertragspartner der jeweiligen Lebensversicherungsgesellschaft, bei Vertragsabschluss, wer versicherte Person ist und wer im Hinblick auf die Lebensversicherungsleistung bezugsberechtigt sein soll. Ist der Erblasser Versicherungsnehmer und auch versicherte Person, sichert er also seinen eigenen Tod ab, wird er in aller Regel eine Person aus seiner Familie als bezugsberechtigte Person bestimmt haben. In diesem Fall wird der Anspruch gegen die Lebensversicherung auf Auszahlung der Lebensversicherungssumme nicht Bestandteil des Nachlasses. Vielmehr erwirbt die bezugsberechtigte Person den Auszahlungsanspruch ganz unabhängig von ihrer erbrechtlichen Stellung.
Nur dann, wenn der Erblasser im Versicherungsvertrag keinerlei Bezugsberechtigung bestimmte, fällt die Versicherungssumme in den Nachlass.
Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie hier: Lebensversicherungen in der Erbschaft
Sondererbfolge: Gesellschaftsanteile und Höfe
Das Gesetz bestimmt, dass alle Güter des Erblassers im Erbfall automatisch auf den oder die Erben übergehen. Diesen gesetzlichen Mechanismus nennt man auch Universalsukzession. Von dem gesetzlichen Grundsatz der Universalsukzession gibt es Ausnahmen. Bestimmte Güter des Erblassers sind vom automatischen Vermögensübergang ausgenommen. Relevant ist dies insbesondere bei der Unternehmensnachfolge durch Erbschaft.
Dies betrifft zunächst Anteile an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft. Hier gilt grundsätzlich der sogenannte Vorrang des Gesellschaftsrechts. Regelmäßig finden sich in Gesellschaftsverträgen Klauseln über die Nachfolge in einen Gesellschaftsanteil für den Fall des Todes eines Gesellschafters. Nur wenn sich daraus ergibt, dass ein Erbe Nachfolger des verstorbenen Anteilseigners wird, fällt der Gesellschaftsanteil in den Nachlass.
Grundsätzlich sind Anteile an Personengesellschaften wie der GbR oder der OHG nur dann vererblich, wenn dies im Gesellschaftsvertrag geregelt wurde. Anteile an einer Kommanditgesellschaft (KG) oder einer Kapitalgesellschaft wie der GmbH oder AG sind vererblich. Fehlt es bei der OHG an einer gesellschaftsvertraglichen Regelung, werden die Erben des Anteilsinhabers keine Gesellschafter. Bei der GbR hat der Tod eines der Gesellschafter mangels anderweitiger Regelung im Gesellschaftsvertrag gem. § 727 Abs. 1 BGB sogar die Auflösung der Gesellschaft zufolge. Um Planbarkeit für alle Gesellschafter zu gewährleisten, enthalten deshalb die Gesellschaftsverträge spezifische Nachfolgeklauseln, durch die auf der gesellschaftsvertraglichen Ebene verbindlich geregelt wird, ob eine Fortsetzung der Gesellschaft mit Erben und gegebenenfalls mit welchen Erben (Stichwort: berufliche Qualifikation) fortgesetzt wird. Ungeeignete Erben des verstorbenen Anteilsinhabers scheiden aus der Gesellschaft aus. In den Nachlass fällt in diesem Fall nur der gesellschaftsvertraglich definierte Abfindungsanspruch, in aller Regel ein Zahlungsanspruch gegen die jeweilige Gesellschaft.
Der pflichtteilsrelevante Nachlass
Maßgeblich für die Berechnung des Pflichtteilsanspruches ist zum einen der tatsächliche Bestand und der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls, § 2311 Abs. 1 BGB. Hierbei sind nicht nur die Aktiva, sondern auch die Passiva des Nachlasses zu berücksichtigen. Der um die Erblasserschulden und Erbfallschulden (Bestattungskosten!) bereinigte Nettoreinnachlass bildet eine Berechnungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch.
Neben dem Nettoreinnachlass gibt es zum anderen eine weitere Vermögensmasse, die für die Berechnung des Pflichtteilsanspruches relevant ist: Den sogenannten Ergänzungsnachlass.
Nach dem Gesetz sind bei der Bezifferung des Pflichtteilsanspruches auch Schenkungen des Erblassers zu berücksichtigen, die er innerhalb von 10 Jahren vor dem Erbfall an dritte Personen –oder auch an den Erben selbst- vornahm, § 2325 BGB. Diese bilden den sogenannten Ergänzungsnachlass. Zuwendungen, die länger als 10 Jahre zurück liegen, bleiben außer Ansatz. Die Hinzurechnung erfolgt abgestuft, Schenkungen im Vorjahr des Erbfalles werden zu 100% berücksichtigt, im Vor-Vorjahr noch zu 90% etc., § 2325 Abs. 3 BGB. Es handelt sich um eine reine Rechenoperation, eine Vermögensrückübertragung erfolgt nicht.
Der konkrete Wert des jeweiligen Pflichtteilsanspruchs – also die Höhe der Pflichtteilsforderung - errechnet sich also einmal aus dem Nettoreinnachlass zuzüglich eines etwaigen Ergänzungsnachlasses.
Das Nachlassverzeichnis
Die Erfassung aller Nachlass-Positionen in einem Verzeichnis wird im Erbrecht Nachlassverzeichnis genannt. Ein Nachlassverzeichnis kann unter anderem vom Erben zwecks der Beantragung des Erbscheins (für die Gebührenermittlung) oder für den Pflichtteilsberechtigten verlangt werden. Aber auch den Testamentsvollstrecker trifft die Pflicht, den Nachlass entsprechend zu erfassen. Unter Umständen sind Nachlassverzeichnisse notariell zu errichten oder ihre Richtigkeit eidesstattlich zu versichern.
Ausführliche Informationen finden Sie hier: Nachlassverzeichnis
Die Nachlassakte beim Nachlassgericht
Jeder Nachlass hat seine eigene Akte. Die wird bei dem für den Erblasser zuständigen Nachlassgericht geführt. In der Nachlassakte finden sich Informationen sowohl zu beteiligten Personen wie möglichen Erben, aber auch zum Nachlass gemäß der Angaben von Beteiligten und Hinweise zu Verfahren wie etwa dem Antrag auf Erteilung eines Erbscheins. Die Einsicht in die Nachlassakte kann sowohl für Erben als auch Enterbte, Gläubiger, Testamentsvollstrecker oder sonstige Personen interessant sein. Die meisten Antragsteller müssen dem Gericht für die Akteneinsicht aber ein rechtliches Interesse darlegen.
So machen wir Erbrecht
Was wir unter einer guten Beratung im Erbrecht verstehen, wie wir das bei uns umsetzen und was Sie davon haben, erzählt Rechtsanwalt Bernfried Rose in diesem Video.