Das Nachlassverzeichnis
Wie Sie es korrekt erstellen und alle Pflichten erfüllen
Ein Nachlassverzeichnis, auch Inventar genannt, ist ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis sämtlicher beim Erbfall vorhandener Nachlassgegenstände und Nachlassverbindlichkeiten. Nach einem Erbfall haben Erben aber auch andere am Erbfall beteiligte Personen regelmäßig die Pflicht, ein solches Nachlassverzeichnis zu erstellen. Diese fühlen sich nicht selten mit der Aufgabe der Nachlassaufstellung überfordert und fragen sich, wo sie Vorlagen, Muster oder Anleitungen herbekommen können. Meistens muss ein privates Nachlassverzeichnis erstellt werden, seltener ein notarielles.
Wir geben Ihnen auf dieser Seite einen Überblick, in welchen Situationen ein Nachlassverzeichnis verpflichtend und in welchen es vorteilhaft ist, und geben Tipps, wie Sie bei der Erstellung vorgehen können. Auch unser Muster zum Ausfüllen für das Nachlassverzeichnis beim Pflichtteil kann Ihnen bei der Erstellung helfen.
Anwaltliche Leistungen rund um das Nachlassverzeichnis
Unsere Fachanwälte für Erbrecht beraten und vertreten Sie bundesweit bei allen Fragen rund um das Nachlassverzeichnis:
- Erstellung von Nachlassverzeichnissen für Erben gegenüber Pflichtteilsberechtigten
- Geltendmachung und Abwehr von Auskunftsansprüchen von Pflichtteilsberechtigten oder (Mit-)Erben einer Erbengemeinschaft
- Vertretung von Erben, Nacherben und Testamentsvollstreckern bei Konflikten rund um das Nachlassverzeichnis.
Für eine Mandatsanfrage kontaktieren Sie bitte direkt telefonisch oder per E-Mail einen unserer Ansprechpartner oder nutzen Sie das Kontaktformular am Ende dieser Seite.
Wann muss/sollte ein Nachlassverzeichnis erstellt werden?
Nach einem Erbfall gibt es verschiedenste Konstellationen, in denen die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses verpflichtend oder zumindest nützlich ist. Die gängigsten Situationen sind:
- Bei der Beantragung eines Erbscheins
- Wenn Pflichtteilsansprüche geltend gemacht werden
- Bei der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft
- Als Allein(erbe) bei drohender Überschuldung des Nachlasses
- Bei angeordneter Testamentsvollstreckung
- Bei Vor- und Nacherbschaft
Wer darf wann ein Nachlassverzeichnis verlangen?
Für die Aufstellung des Nachlasses in Form eines Verzeichnisses ist sowohl für enterbte Pflichtteilsberechtigte als auch Miterben in Erbengemeinschaften, Nacherben, Gerichte und das Finanzamt interessant. In diesem Video gibt Rechtsanwalt Bernfried Rose einen Überblick darüber, wer wann von wem ein Nachlassverzeichnis verlangen kann.
Auskunft über den Nachlass in der Erbengemeinschaft
Immer dann, wenn nicht eine einzelne Person, sondern mehrere Personen einen Erblasser beerben, mithin eine Erbengemeinschaft entstanden ist, geht es häufig um die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses.
Ein verbreiteter Irrglaube ist allerdings, dass Miterben ihren anderen Miterben gegenüber verpflichtet sind, die Informationen über den Nachlassbestand etwa in Form eines Nachlassverzeichnisses zu teilen. Relevant werden solche Forderungen häufig, wenn ein Miterbe wegen der Nähe zum Erblasser bereits einen Überblick über den Nachlass hat und andere Miterben nicht. Mitunter werden die wissenden Miterben dann von den anderen Miterben aufgefordert, ein Nachlassverzeichnis zu stellen. Verpflichtet ist ein Miterbe hierzu nicht. Das liegt daran, dass jeder Miterben aufgrund seiner Stellung als Gesamtrechtsnachfolger die rechtliche Möglichkeit hat, sich sämtliche Informationen selbst zu beschaffen.
Sofern eine unkomplizierte und einvernehmliche Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft gewünscht ist oder auch geplant ist, dass die Erbengemeinschaft vorerst nicht auseinandergesetzt wird, kann es sehr empfehlenswert sein, dass die Erbengemeinschaft nach dem Erbfall gemeinsam ein vollständiges Nachlassverzeichnis erstellt. Hier kann jeder Miterbe die Informationen beitragen, die er bereits erlangt hat. Dieses Nachlassverzeichnis kann dann als Basis dafür dienen, die notwendigen Verwaltungsmaßnahmen zu verteilen und den Nachlass gerecht bzw. dem Willen des Erblassers entsprechend zu verteilen.
Nachlassverzeichnis beim Pflichtteil
Wenn pflichtteilsberechtigte Personen vom Erblasser enterbt worden, haben diese per Gesetz (genauer gemäß § 2314 Abs. 1 BGB) einen Anspruch auf ein vollumfängliches Nachlassverzeichnis, welches den gesamten pflichtteilsrelevanten Nachlass vollständig wiedergibt.
Die Besonderheit besteht hier, dass nicht nur alle Aktiv- und Passivpositionen wiedergegeben werden müssen, sondern auch der sogenannte fiktive Nachlass. Vereinfacht gesagt müssen hier daher auch alle Schenkungen des Erblassers zu seinen Lebzeiten innerhalb der letzten 10 Jahre vor seinem Tod aufgeführt werden. Welche Schenkungen genau aufgeführt werden müssen, teilweise auch unabhängig von einer Frist, unterliegt einem komplizierten Regelwert.
Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben ist auch gerichtlich durchsetzbar und häufig Gegenstand komplizierter und langwieriger Rechtsstreitigkeiten.
Nachlassverzeichnis bei der Beantragung des Erbscheins
Sofern Sie einen Erbschein beantragen, werden Sie vom Nachlassgericht aufgefordert, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. Das Nachlassverzeichnis hat dann den Zweck, die Gebühren für den Erbscheinsantrag festzulegen. Die Gebühren für den Erbscheinsantrag richten sich nämlich nach dem Wert des Nachlasses.
Wie detailliert das Nachlassverzeichnis beim Erbscheinsantrag sein muss, unterscheidet sich von Nachlassgericht zu Nachlassgericht. Grundsätzlich müssen alle Aktivpositionen und alle Passivpositionen, also alle Vermögenswerte und alle Schulden des Erblassers aufgeführt werden; es ist also der sogenannte Nettonachlass relevant. Nachlassgerichte geben sich zum Teil allerdings auch mit überschlägigen Schätzungen des Vermögens zufrieden. Nicht immer muss ein detailliertes Nachlassverzeichnis für den Erbschein erstellt werden.
Achtung:
Auch wenn Miterben grundsätzlich keine Auskunftsverpflichtungen untereinander haben, gibt es in bestimmten Situationen dennoch Auskunftsansprüche, welche teilweise auch durch Verzeichnisse erfüllt werden müssen. Ein Beispiel für einen solchen Auskunftsanspruch ist zum Beispiel der Auskunftsanspruch gegen den sogenannten Erbschaftsbesitzer.
Als (Allein)erbe – Ausschlagung oder Haftungsbeschränkung sinnvoll?
Auch dann, wenn keine Erbengemeinschaft auseinandergesetzt werden muss, kann die freiwillige Erstellung eines Nachlassverzeichnisses für eigene Zwecke sinnvolle sein. Besonders dann, wenn nicht gleich auszuschließen ist, dass der Nachlass überschuldet ist, empfiehlt sich ein unverzügliches Zusammenstellen des gesamten Nachlassbestandes. Hintergrund ist, dass bei einer Überschuldung möglicherweise eine Ausschlagung der Erbschaft oder auch weitere Maßnahmen zur Haftungsbeschränkung erforderlich werden. Für die Ausschlagung hat ein Erbe allerdings nur sechs Wochen Zeit. Ein geordnetes Nachlassverzeichnis kann dabei helfen, dass der Erbe möglichst schnell einen vollständigen Überblick über den Nachlass erhält und damit keine wesentlichen Fristen verpasst werden.
Nachlassverzeichnis bei Testamentsvollstreckung
Sofern der Erblasser in seinem Testament Testamentsvollstreckung angeordnet hat, dann nimmt dieser in aller Regel nach dem Erbfall den Nachlass in Besitz und verwaltet ihn zunächst. Gegenüber den Erben ist ein solcher Testamentsvollstrecker verpflichtet, ein Verzeichnis über alle Nachlassgegenstände zu erstellen, die seiner Verwaltung unterliegen.
Die Erben sollen hierdurch in die Lage versetzt werden, dass sie den Testamentsvollstrecker bei der Erledigung seiner Aufgaben kontrollieren können. Die Verpflichtung für den Testamentsvollstrecker zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, genauer aus § 2215 BGB.
Nachlassverzeichnis des Vorerben
Gemäß § 2121 BGB muss der Vorerbe zudem auf Verlangen des Nacherben ein Verzeichnis über alle zur Erbschaft gehörenden Gegenstände erstellen. Ein entscheidender Unterschied liegt darin, dass dieses Verzeichnis den Bestand der zur Nacherbschaft gehörenden Gegenstände zum Zeitpunkt der Errichtung des Nachlassverzeichnisses wiedergeben muss und nicht zum Zeitpunkt des Erbfalls. Damit muss das Verzeichnis auch sogenannte Surrogate aufführen, die an Stelle des zur Nacherbschaft gehörenden Gegenstandes in den Nachlass gelangt sind. Ein solches Verzeichnis muss nur auf Verlangen des Nacherben erstellt werden und nimmt eine Art Kontrollfunktion für diesen ein.
Praxistipps: Wie erstelle ich ein Nachlassverzeichnis richtig?
Wenn ein Nachlassverzeichnis auf Verlangen des Nachlassgerichts erstellt wird, dann wird in der Regel ein Vordruck zur Verfügung gestellt, welches die Erstellung vereinfacht und die Erstellung in der Regel auch für den juristischen Laien möglich macht.
Für die Erbengemeinschaft muss das Nachlassverzeichnis keiner bestimmten Form entsprechen und keine gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen.
Am konfliktträchtigsten ist das Nachlassverzeichnis, welches auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten erstellt wird. Das liegt insbesondere an der hohen Relevanz für seinen Pflichtteilsanspruch und auch daran, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zum Inhalt sehr umfangreich und kompliziert sind. Auf unserer Seite für das Nachlassverzeichnis beim Pflichtteil finden Sie ein ausfüllbares Muster, welches Ihnen bei der Erstellung helfen kann. Da in der Praxis aber so häufig kostspielige Rechtsstreitigkeiten um das Nachlassverzeichnis beim Pflichtteil entstehen, kann hier die Beauftragung eines erfahrenen Rechtsanwalts für Erbrecht von Anfang sinnvoll sein. Gerade dann, wenn Streit zu erwarten ist, kann ein solcher einen sich anbahnenden Streit vor Gericht möglicherweise abwenden.
Generell kann bei jedem Nachlassverzeichnis ein Rechtsanwalt, am besten auf Erbrecht spezialisiert, behilflich sein.
Checkliste: Habe ich an alles gedacht?
Die folgende Checkliste kann als nachträgliche Überprüfung genutzt werden, ob bestimmte Positionen vergessen wurden. Es handelt sich aber nicht um eine vollständige und abschließende Aufzählung von Positionen, die ins Nachlassverzeichnis gehören. Eine solch abschließende Aufzählung ist aufgrund des Umfangs verschiedener Nachlassgegenstände nicht möglich.
a. Allgemeine Infos zum Erblasser
- Name und Geburtsdatum
- Todestag des Erblassers
- Letzte Wohnanschrift/letzter gewöhnlicher Aufenthalt
- Güterstand, sofern verheiratet
- Erbe, Erbschein
- Pflichtteilsberechtigte Personen
b. Aktivnachlass
- Immobilien (Wohnung, bebaute Grundstücke, unbebaute Grundstücke, Erbbaurechte, Grundschulden, Hypotheken)
- Geldvermögen (Girokonto, Sparbücher, Wertpapierdepot, Sparbriefe, Bargeld)
- Gesellschaftsbeteiligungen (AG, GmbH, GbR, OHG, etc.), Beteiligung an Genossenschaft, einzelkaufmännisches Unternehmen
- Forderungen gegen Dritte (Finanzamt, Krankenversicherung, Darlehensverträge etc.)
- KFZ (PKW, Motorroller etc.), Fahrräder
- Schmuck
- Kunstgegenstände
- Technische Geräte
- Münzsammlung/Briefmarkensammlung/Porzellan/Gold-/Silberbestände
- Immaterielle Vermögensgegenstände (Urheberrecht, Patentrecht, Verlagsrecht etc.)
- Haustiere
c. Passivnachlass
- Verbindlichkeit aus Darlehensvertrag
- Steuernachzahlungen Finanzamt
- Offene Arztrechnungen
- Zugewinnanspruch von Ehepartner
Achtung: Die Checkliste bezieht sich nur auf die Aktiv- und Passivpositionen des Nachlasses, wie sie zum Beispiel beim Erbscheinsantrag angegeben werden müssen. Beim Nachlassverzeichnis für den Pflichtteil muss zum Beispiel zusätzlich der fiktive Nachlass aufgeführt werden.
FAQ Nachlassverzeichnis
Wo bekomme ich ein Nachlassverzeichnis her?
Das Nachlassverzeichnis müssen Sie selbst erstellen oder erstellen lassen, sofern Sie gesetzlich dazu verpflichtet sind. Helfen kann Ihnen dabei unser Muster oder auch ein Rechtsanwalt für Erbrecht.
Wie detailliert muss ein Nachlassverzeichnis sein?
Wie detailliert ein Nachlassverzeichnis sein muss, hängt vom Rechtsgrund für die Erstellung ab. Das Nachlassverzeichnis auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten muss zum Beispiel sehr detailliert sein, streng genommen muss jeder einzelne Vermögensgegenstand aufgeführt werden. Wenn Sie zum Beispiel ein Nachlassverzeichnis freiwillig innerhalb einer Erbengemeinschaft erstellen, können Sie nach eigenem Ermessen bestimmte Vermögenswerte im Einvernehmen zusammenfassen.
Müssen auch Schenkungen des Erblassers ins Nachlassverzeichnis?
Sofern Sie ein Nachlassverzeichnis auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten erstellt wird, müssen grundsätzlich auch Schenkungen in das Nachlassverzeichnis. Beim Nachlassverzeichnis für den Erbschein sind Schenkungen hingegen nicht relevant.