Nachlassakte beim Nachlassgericht
Inhalt, Formalien und Recht zur Einsichtnahme
Bei der Abwicklung von Erbfällen und auch im Erbstreit spielt die Nachlassakte häufig eine wichtige Rolle. Im folgenden Beitrag verraten Ihnen unsere Fachanwälte für Erbrecht, was es mit der Nachlassakte auf sich hat und wie man bei Gericht die Einsicht in die Akte bekommt.
Anwaltliche Leistungen rund um die Nachlassakte
Unsere Fachanwälte für Erbrecht bieten bundesweit Beratung bei der Abwicklung von Erbschaften und bei der Vertretung im Erbstreit. Rund um die Nachlassakte bieten wir insbesondere folgende Leistungen:
- Antrag auf Einsicht in die Nachlassakte, Rechtsmittel gegen eine verwehrte Akteneinsicht
- Prüfung von Nachlassakten
- Vertretung bei der Beantragund von Erbscheinen bzw. im Erbscheinverfahren
- Durchsetzung bzw. Abwehr von Pflichtteilsansprüchen
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Was steht in der Nachlassakte?
In der Nachlassakte finden sich wichtige Dokumente zur rechtlichen Bewertung des Erbfalls und der Erbfolge. Hierzu gehören insbesondere:
- Abschriften eröffneter letztwilliger Verfügungen von Todes wegen, also Testamente und Erbverträge
- Erbenfragebogen mit Angaben zu den familiären Verhältnissen und möglichen Erben sowie Angaben zu Angaben zum Nachlass, einschließlich Schätzungen zu den Werten
- Erbscheinsanträge inklusive Anlagen
- Erbausschlagungserklärung
Der Blick in die Nachlassakte kann also sowohl Informationen über beteiligte Personen und den Nachlass, als auch über Anträge und Verfahren bringen.
Wer führt wo die Nachlassakte?
Die Nachlassakte wird vom Nachlassgericht (eine Abteilung des Amtsgerichts) geführt. Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (§ 343 FamFG). Grundsätzlich wird für jeden Todesfall, der dem Nachlassgericht vom Standesamt gemeldet wird, eine Nachlassakte angelegt.
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Der Unterschied zwischen Nachlass und Erbschaft
Sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch im juristischen Fachjargon spricht man sowohl vom Nachlass als auch von der Erbschaft. Auch das Gesetz kennt beide Begriffe. In den erbrechtlichen Vorschriften des BGB ist meist von der Erbschaft die Rede, wenn es um die Rechtsstellung des Erben geht, vom Nachlass eher, wenn das auf die Erben übergegangene Vermögen gemeint ist. Von praktischer Relevanz sind etwaige begriffliche Unterschiede zwischen Nachlass und Erbschaft nicht.
Vermögenswerte, Schulden und erbrechtliche Verpflichtungen
Der Nachlass umfasst alle vererblichen Güter und Rechtspositionen, deren Inhaber der Erblasser war. Dies ist zunächst sämtliches Eigentum des Erblassers, jedoch auch alle vertraglichen Ansprüche, die er zu Lebzeiten innehatte. Der Erbe oder die Erben rücken ja auch in alle Verträge ein, die der Erblasser mit Dritten geschlossen hatte. Dies betrifft beispielsweise die Geschäftsbeziehung zu Banken (Girovertrag), der Erbe wird automatisch Konto- bzw. Depotinhaber und kann u.a. die Auszahlung etwaiger Bankguthaben an sich verlangen. Alle positiven Vermögenswerte des Nachlasses nennt man auch Aktiva.
Gleichzeitig mit den Vermögenswerten übernimmt der Erbe aber auch alle vertraglichen Verpflichtungen und Verbindlichkeiten des Erblassers, die sogenannten Erblasserschulden. Hatte der Erblasser beispielsweise ein Darlehen aufgenommen, ist nunmehr der Erbe zur Rückzahlung nach den jeweiligen vertraglichen Modalitäten verpflichtet. Vergleichbares gilt u.a. für Miet- oder Telekommunikationsverträge oder aber auch die Hausratversicherung, in die der Erbe einrückt und die weiter laufen, bis der Erbe den jeweiligen Vertrag kündigt. Die Schulden des Erblassers werden auch als Passiva bezeichnet.
Neben den Nachlassaktiva und –passiva muss der Erbe auch für die Erbfallschulden, also die Bestattungskosten und die Kosten der Grabstelle sowie für etwaige Kosten des Nachlassgerichts (Testamentseröffnung, Erbschein) aufkommen. Alle weiteren nach dem Erbfall entstehenden Verbindlichkeiten in Bezug auf den Nachlass bzw. die Nachlassgegenstände treffen den Erben als eigene Verbindlichkeiten.
Nicht vererbliche Rechte
Bestimmte typische Rechtspositionen sind nach dem Gesetz nicht vererblich und fallen deshalb nicht in den Nachlass.
- Beispielsweise erlischt der Nießbrauch an einer Sache, an einem Recht oder an einem Grundstück mit dem Ableben des Erblassers, § 1061 BGB. Das Nießbrauchsrecht ist damit nicht vererblich. Gleiches gilt für das Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB, das vom Berechtigten nur persönlich ausgeübt werden kann und deshalb mit seinem Ableben erlischt, § 1092 Abs. 1 BGB. Ob der Nießbrauch oder das Wohnungsrecht im Grundbuch eingetragen sind, ist insoweit unerheblich. Nach dem Ableben des Berechtigten hat der Erbe die Möglichkeit, bei dem zuständigen Grundbuchamt gegen Vorlage der Sterbeurkunde des Berechtigten die Löschung dieser Rechte herbeizuführen.
- Ebenfalls nicht vererblich sind Ansprüche auf Geldentschädigung wegen verletzter Persönlichkeitsrechte. Dies hat der BGH u.a. im Streit um eine Millionen-Entschädigung aufgrund einer umstrittenen Buchveröffentlichung über Altkanzler Helmut Kohl zulasten der Witwe entschieden.
Versicherungen, insbesondere Lebensversicherungen
Bestimmte Versicherungsverträge, insbesondere Lebensversicherungsverträge weisen Besonderheiten auf. In aller Regel bestimmt der Versicherungsnehmer, also der Vertragspartner der jeweiligen Lebensversicherungsgesellschaft, bei Vertragsabschluss, wer versicherte Person ist und wer im Hinblick auf die Lebensversicherungsleistung bezugsberechtigt sein soll. Ist der Erblasser Versicherungsnehmer und auch versicherte Person, sichert er also seinen eigenen Tod ab, wird er in aller Regel eine Person aus seiner Familie als bezugsberechtigte Person bestimmt haben. In diesem Fall wird der Anspruch gegen die Lebensversicherung auf Auszahlung der Lebensversicherungssumme nicht Bestandteil des Nachlasses. Vielmehr erwirbt die bezugsberechtigte Person den Auszahlungsanspruch ganz unabhängig von ihrer erbrechtlichen Stellung.
Nur dann, wenn der Erblasser im Versicherungsvertrag keinerlei Bezugsberechtigung bestimmte, fällt die Versicherungssumme in den Nachlass.
Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie hier: Lebensversicherungen in der Erbschaft
Sondererbfolge: Gesellschaftsanteile und Höfe
Das Gesetz bestimmt, dass alle Güter des Erblassers im Erbfall automatisch auf den oder die Erben übergehen. Diesen gesetzlichen Mechanismus nennt man auch Universalsukzession. Von dem gesetzlichen Grundsatz der Universalsukzession gibt es Ausnahmen. Bestimmte Güter des Erblassers sind vom automatischen Vermögensübergang ausgenommen. Relevant ist dies insbesondere bei der Unternehmensnachfolge durch Erbschaft.
Dies betrifft zunächst Anteile an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft. Hier gilt grundsätzlich der sogenannte Vorrang des Gesellschaftsrechts. Regelmäßig finden sich in Gesellschaftsverträgen Klauseln über die Nachfolge in einen Gesellschaftsanteil für den Fall des Todes eines Gesellschafters. Nur wenn sich daraus ergibt, dass ein Erbe Nachfolger des verstorbenen Anteilseigners wird, fällt der Gesellschaftsanteil in den Nachlass.
Grundsätzlich sind Anteile an Personengesellschaften wie der GbR oder der OHG nur dann vererblich, wenn dies im Gesellschaftsvertrag geregelt wurde. Anteile an einer Kommanditgesellschaft (KG) oder einer Kapitalgesellschaft wie der GmbH oder AG sind vererblich. Fehlt es bei der OHG an einer gesellschaftsvertraglichen Regelung, werden die Erben des Anteilsinhabers keine Gesellschafter. Bei der GbR hat der Tod eines der Gesellschafter mangels anderweitiger Regelung im Gesellschaftsvertrag gem. § 727 Abs. 1 BGB sogar die Auflösung der Gesellschaft zufolge. Um Planbarkeit für alle Gesellschafter zu gewährleisten, enthalten deshalb die Gesellschaftsverträge spezifische Nachfolgeklauseln, durch die auf der gesellschaftsvertraglichen Ebene verbindlich geregelt wird, ob eine Fortsetzung der Gesellschaft mit Erben und gegebenenfalls mit welchen Erben (Stichwort: berufliche Qualifikation) fortgesetzt wird. Ungeeignete Erben des verstorbenen Anteilsinhabers scheiden aus der Gesellschaft aus. In den Nachlass fällt in diesem Fall nur der gesellschaftsvertraglich definierte Abfindungsanspruch, in aller Regel ein Zahlungsanspruch gegen die jeweilige Gesellschaft.
Der pflichtteilsrelevante Nachlass
Maßgeblich für die Berechnung des Pflichtteilsanspruches ist zum einen der tatsächliche Bestand und der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls, § 2311 Abs. 1 BGB. Hierbei sind nicht nur die Aktiva, sondern auch die Passiva des Nachlasses zu berücksichtigen. Der um die Erblasserschulden und Erbfallschulden (Bestattungskosten!) bereinigte Nettoreinnachlass bildet eine Berechnungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch.
Neben dem Nettoreinnachlass gibt es zum anderen eine weitere Vermögensmasse, die für die Berechnung des Pflichtteilsanspruches relevant ist: Den sogenannten Ergänzungsnachlass.
Nach dem Gesetz sind bei der Bezifferung des Pflichtteilsanspruches auch Schenkungen des Erblassers zu berücksichtigen, die er innerhalb von 10 Jahren vor dem Erbfall an dritte Personen –oder auch an den Erben selbst- vornahm, § 2325 BGB. Diese bilden den sogenannten Ergänzungsnachlass. Zuwendungen, die länger als 10 Jahre zurück liegen, bleiben außer Ansatz. Die Hinzurechnung erfolgt abgestuft, Schenkungen im Vorjahr des Erbfalles werden zu 100% berücksichtigt, im Vor-Vorjahr noch zu 90% etc., § 2325 Abs. 3 BGB. Es handelt sich um eine reine Rechenoperation, eine Vermögensrückübertragung erfolgt nicht.
Der konkrete Wert des jeweiligen Pflichtteilsanspruchs – also die Höhe der Pflichtteilsforderung - errechnet sich also einmal aus dem Nettoreinnachlass zuzüglich eines etwaigen Ergänzungsnachlasses.
Das Nachlassverzeichnis
Die Erfassung aller Nachlass-Positionen in einem Verzeichnis wird im Erbrecht Nachlassverzeichnis genannt. Ein Nachlassverzeichnis kann unter anderem vom Erben zwecks der Beantragung des Erbscheins (für die Gebührenermittlung) oder für den Pflichtteilsberechtigten verlangt werden. Aber auch den Testamentsvollstrecker trifft die Pflicht, den Nachlass entsprechend zu erfassen. Unter Umständen sind Nachlassverzeichnisse notariell zu errichten oder ihre Richtigkeit eidesstattlich zu versichern.
Ausführliche Informationen finden Sie hier: Nachlassverzeichnis
Wer kann die Nachlassakte einsehen?
Die Einsicht in die Nachlassakte kann für verschiedene Personen in unterschiedlichen Situationen sehr hilfreich sein. Das Recht zur Akteneinsicht und zur Erteilung von Abschriften ist in § 13 FamFG geregelt. Soweit es sich um elektronische Dokumente handelt bzw. Akten auf Datenträger übertragen werden, können die §§ 299 III und 299a ZPO ergänzend herangezogen werden.
§ 13 FamFG - Akteneinsicht (Auszug)
(1) Die Beteiligten können die Gerichtsakten auf der Geschäftsstelle einsehen, soweit nicht schwerwiegende Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten entgegenstehen.
(2) Personen, die an dem Verfahren nicht beteiligt sind, kann Einsicht nur gestattet werden, soweit sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen und schutzwürdige Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten nicht entgegenstehen…
(3) Soweit Akteneinsicht gewährt wird, können die Berechtigten sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen. Die Abschrift ist auf Verlangen zu beglaubigen.
(4) Einem Rechtsanwalt, einem Notar oder einer beteiligten Behörde kann das Gericht die Akten in die Amts- oder Geschäftsräume überlassen. Ein Recht auf Überlassung von Beweisstücken in die Amts- oder Geschäftsräume besteht nicht. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.
Für Nachlasssachen gilt darüber hinaus noch § 357 FamFG. Danach kann derjenige, der ein rechtliches Interesse geltend macht, eine eröffnete Verfügung von Todes wegen einsehen oder auch eine Ausfertigung des Erbscheins verlangen.
- Zu den „Beteiligten“ gehören vor allem die Erben. Sie sind regelmäßig auch ohne besondere Glaubhaftmachung berechtigt, die Nachlassakte einzusehen. Dieses starke Auskunftsrecht folgt verfassungsrechtlich aus dem Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG).
- Aber auch enterbte Pflichtteilsberechtigte, Gläubiger oder sonstige Personen begehren nicht selten bei Gericht die Einsichtnahme. Ob ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme vorliegt, ist grundsätzlich eine Ermessensscheidung des Nachlassgerichts. Ein solches Interesse ist nicht bereits durch irgendein Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser gegeben. Wer die Einsicht in die Nachlassakte beantragt, muss vielmehr „darlegen und glaubhaft machen, dass er als gesetzlicher oder testamentarischer Erbe, als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer in Betracht kommt oder sonst ein verständliches, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse hat, das auch tatsächlicher (wirtschaftlicher) Art sein kann.“ (Rechtsprechung verschiedener OLGs)
- Der Notar soll die Nachlassakten einsehen, wenn er ein notarielles Nachlassverzeichnis errichtet.
Über die Art und den Umfang der Akteneinsicht entscheidet das Nachlassgericht, das diesbezügliche einen Ermessensspielraum hat. Nach der Rechtsprechung ist in Nachlasssachen die den Beteiligten und ihren Bevollmächtigten zustehende Akteneinsicht grundsätzlich auf die Durchsicht der Akten im Gerichtsgebäude beschränkt.
So machen wir Erbrecht
Was wir unter einer guten Beratung im Erbrecht verstehen, wie wir das bei uns umsetzen und was Sie davon haben, erzählt Rechtsanwalt Bernfried Rose in diesem Video.