Berliner Testament für Ehegatten
Ratgeber und Beratung zum Errichten, Wiederrufen, Auslegen und Anfechten
Das sogenannte Berliner Testament ist die beliebteste letztwillige Verfügung von Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnern. Der Klassiker unter den letztwilligen Verfügungen ist dabei problematischer als man denkt. Nachlassgerichte und Rechtsanwälte können davon berichten, wie Ehegattentestamente immer wieder zum Erbstreit unter Familienangehörigen führen.
In diesem Beitrag verraten Ihnen unsere Fachanwälte für Erbrecht, wie ein Berliner Testament errichtet wird und welche Probleme man kennen und vermeiden sollte.
Anwaltliche Leistungen im Bereich Berliner-Testament / Ehegattentestament
Unsere Fachanwälte für Erbrecht und Steuerberater bieten bundesweit umfassende Beratung - von der Gestaltung des Erbfalls über die Abwicklung von Erbschaften bis zur Vertretung im Erbstreit.
- Rechtliche und steuerliche Nachfolgeplanung für Ehegatten und Familien
- Gestaltung letztwilliger Verfügungen, z.B. Ehegattentestamente, Erbverträge etc.
- Prüfung, Widerruf, Anfechtung und Durchsetzung von Testamenten im Erbfall
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1. Wer braucht warum ein Berliner Testament?
Wer durch Testament in die gesetzliche Erbfolgeeingreift, sollte sich zunächst über diese im Klaren sein. Neben den Verwandten (insbesondere Kinder) hat auch der Ehegatte ein gesetzliches Erbrecht. Die Höhe der gesetzlichen Quote des Ehegatten hängt vom Güterstand und der Anzahl der Kinder ab. Leben die Ehegatten z.B. im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft und haben sie gemeinsame Kinder, sind der hinterbliebene Ehegatte und die Kinder gemeinsam je zur Hälfte Erben.
Sind keine Kinder vorhanden, erbt der Ehegatte neben anderen Verwandten (z.B. Geschwister, Neffen, Nichten) 3/4 des Nachlasses. Haben die Eheleute per Ehevertrag Gütertrennung vereinbart, hängt die gesetzliche Erbquote davon ab, ob das Paar kinderlos ist (hälftiges Erbrecht des Ehegatten) bzw. wie viele Kinder vorhanden sind (1/2 bei einem Kind, 1/3 bei zwei Kindern und 1/4 bei drei oder mehr Kindern).
Auch eingetragenen Lebenspartnern steht ein gesetzliches Erbrecht neben Verwandten zu. Dieses ist in § 10 Lebenspartnerschaftsgesetz geregelt und gestaltet sich im Ergebnis wie das von Ehegatten. Auch hier hängt die Höhe der Quote des eingetragenen Lebenspartners vom Güterstand – welcher in der Regel der der Zugewinngemeinschaft ist - und der Anzahl der Verwandten ab.
Video: Kinder enterben
Rechtsanwalt Bernfried Rose erklärt, wie man Kinder rechtssicher enterbt und gegebenenfalls auch ihren Pflichtteil reduziert.
Weitere Videos zum Vererben und Enterben finden Sie auf dem ROSE & PARTNER YouTube-Kanal
Video für den schnellen Überblick zum Berliner Testament
2. Was ist das Berliner Testament und wie funktioniert es?
Bei der gesetzlichen Regelung entstehen innerhalb von Familien im Erbfall also meist Erbengemeinschaften mit mehreren Erben. Diese Zwangsgemeinschaften sind konfliktträchtig und schlecht praktikabel - z.B. für Ehegatten mit noch minderjährigen Kindern als Erben.
Kern des Berliner Testaments ist daher die Abänderung der gesetzlichen Erbfolge zunächst zugunsten des längerlebenden Ehegatten:
Erbeinsetzung im Berliner Testament
"Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Der Längstlebende wird von unseren gemeinsamen Kindern jeweils zu gleichen Teilen beerbt."
Die Kinder sollen also beim Tod des Erstversterbenden leer ausgehen. Sie werden enterbt. Hierdurch wird eine Erbengemeinschaft verhindert. Der hinterbliebene Ehegatte kann z.B. allein im gemeinsamen Haus weiterleben, muss sich hinsichtlich des Nachlasses nicht mit den Kindern abstimmen und ist wirtschaftlich bestmöglich versorgt.
Neben diesem Kern enthält ein fachmännisches Ehegattentestament zahlreiche weitere Klauseln, zum Beispiel zu folgenden Punkten:
- Widerruf bestehender letztwilliger Verfügungen
- Pflichtteilsstrafklauseln zulasten der Kinder
- Wiederverheiratungsklauseln
- Regelung der Anfechtungsmöglichkeiten im Erbfall
- Vormundschaftsregelungen und ggf. Testamentsvollstreckung für minderjährige Kinder
- Vermächtnisregelungen, etwa aus steuerlichen Erwägungen
3. Was ist bei der Errichtung, Änderung und Widerruf von Ehegattentestamenten zu beachten?
Ehegatten und eingetragene Lebenspartner - nicht jedoch bloße Lebensgefährten! - können ein gemeinschaftliches Testament errichten. Formwirksam ist es, wenn es entweder notariell beurkundet wurde oder eigenhändig von einem Ehegatten (handschriftlich Wort für Wort) niedergeschrieben und von beiden jeweils persönlich unter Angabe von Ort und Datum unterschrieben wurde.
Die meisten Berliner Testamente enthalten sogenannte wechselbezügliche Verfügungen, an die die Ehegatten gebunden sind. Aufgrund dieser Bindungswirkung können diese Ehegattentestamente nicht einfach widerrufen werden. Ein einseitiger Testamentswiderrufbedarf vielmehr der notariellen Form sowie der förmlichen Zustellung beim anderen Ehegatten. Ist der andere erst einmal verstorben, ist ein Widerruf dann sogar gänzlich ausgeschlossen. Nur durch die Ausschlagung der Erbschaft kann der Überlebende seinerseits seine Testierfreiheit wieder erlangen.
4. Welche Probleme und Lösungen gibt es beim Berliner Testament?
Das Berliner Testament ist erbrechtlich komplex und birgt zahlreiche Risiken. In vielen Konstellationen ist die klassische Regelung für die Ehegatten von Beginn an oder zu einem späteren Zeitpunkt nicht (mehr) optimal. Nachfolgend einige Risiken und Stolpersteine:
a. Bindungswirkung
Der "Clou" des Berliner Testaments ist ja die Bindungswirkung. Mein Ehegatte kann es - solange ich lebe - nicht heimlich ändern oder widerrufen. Ich kann mich also darauf verlassen, dass ich sein Alleinerbe bin. Nach meinem Tod sorgt die Bindungswirkung dafür, dass die Erbeinsetzung meiner Kinder nicht mehr geändert werden kann. Andererseits bin ich selbst natürlich auch durch diese Bindungswirkung in meiner Testierfreiheit beschränkt. Und vielleicht ist mir und meinem Ehegatten die Freiheit wichtiger als die Sicherheit.
Ob und in welchem Ausmaß die Bindungswirkung eines Berliner Testaments überhaupt gewollt ist, bedarf daher vorab einer sorgfältigen Abwägung. Egal, wie sich die Ehegatten entscheiden - die Entscheidung sollte stets durch eine eindeutige Formulierung in den Text des Testaments aufgenommen werden.
b. Pflichtteilsansprüche, Pflichtteilsstrafklausel
Die Kinder gehen beim Berliner Testament beim ersten Erbfall leer aus (Enterbung) und sollen darauf vertrauen, dass sie beim zweiten Erbfall ausreichend zum Zuge kommen. Unabhängig von den familiären Verhältnissen wird dies häufig nicht hingenommen. Es drohen also Pflichtteilsansprüche der Kinder schon im ersten Erbfall. Dieses Problem lässt sich durch sogenannte Pflichtteilsstrafklauseln zwar entschärfen, nicht jedoch ausschalten. Mehr Informationen zum Pflichtteil und den Kindern als Erben finden Sie hier:
c. Erneute Heirat des Längerlebenden; Wiederverheiratungsklausel
Was passiert, wenn nach dem Tod des einen Ehegatten, der andere erneut heiratet? Der neue Ehepartner hat dann einen Pflichtteilsanspruch, der zulasten der gemeinsamen Kinder wirkt, die ja eigentlich als Schlusserben alles bekommen sollten. Für diesen Fall kann man im Berliner Testament zum Schutz der Kinder sogenannte Wiederverheiratungsklauseln (bzw. "Widerverehelichungsklausel") einsetzen. Diese sorgen dafür, dass im Falle der erneuten Heirat die Mechanismen der Vor- und Nacherbschaft greifen. Alternativ kann man auch statt des Berliner Testaments gleich zur gewöhnlichen Vor- und Nacherbschaft greifen (sogenannte Trennungslösung).
In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass der neue Ehegatte und auch weitere Kinder gegebenenfalls das Recht haben, das Testament gemäß § 2079 BGB anzufechten, da sie (durch Heirat bzw. Geburt) pflichtteilsberechtigt geworden sind und als solche im Testament nicht bedacht wurden. Dieses Anfechtungsrecht wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten kann (und sollte regelmäßig) im Berliner Testament ausgeschlossen werden.
d. Problem Erbschaftsteuer
Die Enterbung der Kinder im ersten Erbfall hat außerdem auch steuerliche Nachteile. Die Freibeträge der Abkömmlinge - immerhin 400.000 Euro je Kind - werden nicht genutzt. Gegebenenfalls wird deswegen beim hinterbliebenen Ehegatten Erbschaftsteuer fällig. Beim zweiten Erbfall bekommen die Kinder dann das gesamte Familienvermögen auf einmal, sodass die Freibeträge dann gegebenenfalls nicht ausreichen und gegebenenfalls nochmals Erbschaftsteuer anfällt. Bei entsprechenden Vermögen lässt sich das Ehegattentestament durch Vermächtnislösungen jedoch steuerlich entschärfen, ohne dass eine Erbengemeinschaft entsteht.
Häufig zeigt sich der steuerliche Nachteil des Berliner Testaments erst beim Erbfall. Dann sollte umgehend die Frage geprüft werden, ob es zur Vermeidung der Erbschaftsteuer geboten ist, dass der überlebende Ehegatte die Erbschaft zugunsten mehrerer Kinder ausschlägt, wenn deren Freibeträge in der Summe deutlich höher sind als der des Ehegatten. Nicht ganz so drastisch ist die Möglichkeit, dass die Kinder in Abstimmung mit dem überlebenden Elternteil ihren Pflichtteil ganz oder teilweise geltend machen. Auch diese Option ist bei der Formulierung etwaiger Pflichtteilsstrafklauseln zu beachten.
e. Erbfälle mit Auslandsbezug
Seit 2015 gilt die EU-Erbrechtsverordnung, die beim anwendbaren Erbrecht an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers anknüpft. Daher wird zum Beispiel ein in Italien lebender Deutscher inzwischen nicht mehr nach deutschem, sondern nach italienischem Erbrecht beerbt. Italien erkennt jedoch, wie viele andere Länder, gemeinschaftliche Testamente nicht an. Entsprechendes gilt zum Beispiel auch im französischen Erbrecht. Berliner Testamente werden dadurch unwirksam. In Fällen mit Auslandsbezug sollte daher dringend zumindest über eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Heimaterbrechts nachgedacht werden.
f. Sonstige "Problemfälle"
Auch in Patchworkfamilien, z.B. bei Geschiedenen mit Kindern aus früheren Beziehungen, bei einer Überschuldung eines der Erben, bei Eltern mit einem behinderten Kind und wenn sich Betriebsvermögen im Nachlass befindet, ist das klassische Berliner Testament nicht ausreichend. Hier sind maßgeschneiderte Gestaltungen erforderlich. Hierzu gehören zum Beispiel das Geschiedenentestament oder das Unternehmertestament.
5. Was gilt beim Streit um die Auslegung, Anfechtung oder Durchsetzung des Testaments von Ehegatten?
Gerade Testamente, die ohne Hilfe eines Rechtsanwalts für Erbrecht oder eines Notars errichtet wurden, sind in vielen Fällen auslegungsbedüftig, anfechtbar oder unwirksam. Juristisch ungenaue Formulierungen, Formmängel, zweifelhafte Testierfähigkeit z.B. bei Demenz und die Anfechtungsmöglichkeiten wegen Irrtums des Erblassers sind dabei nur einige der möglichen Anknüpfungspunkte für einen Erbstreit.
Gerade bei einem Ehegattentestament wie dem Berliner Testament kommen Betroffene aufgrund der rechtlichen Komplexität vergleichsweise schnell zu dem Schluss, dass der Erblasser etwas anderes gemeint hat, die Reichweite von Formulierungen gar nicht verstehen konnte oder anders testiert hätte, wenn er spätere Entwicklungen vorausgesehen hätte.
Ausführliche Informationen über den Erbstreit und den Kampf um das Testament bzw. dessen Anfechtung finden Sie hier: Anfechtung Testament.
6. FAQ Berliner Testament & Ehegattentestament
Schnelle Antworten auf häufige Fragen
Warum heißt es "Berliner Testament"?
Der Ursprung der Bezeichnung "Berliner Testament" ist unklar und ein Zusammenhang mit der Stadt Berlin fraglich. Heute wird aber als Berliner Testament üblicherweise eine gemeinschaftliche letztwillige Verfügung bezeichnet, bei der sich Ehegattten gegenseitig zu Alleinerben einsetzen, dem dann in der Regel die gemeinsamen Kinder als Schlusserben folgen. Kernvorschrift des Berliner Testaments ist § 2269 BGB.
Können unverheiratete Paare ein Berliner Testament errichten?
Da es sich beim Berliner Testament um ein sogenanntes Ehegattentestament handelt, können unverheiratete Paare es nicht gemeinsam errichten. Ihnen steht als Alternative der Erbvertrag zur Verfügung, der ebenfalls eine Bindungswirkung wie beim Ehegattentestament ermöglicht. Allerdings ist der Erbvertrag nur wirksam, wenn er notariell beurkundet ist.
Ist das Berliner Testament für jede Familie die passende letztwillige Verfügung?
Das Berliner Testament in seiner Urform ist vor allem für junge Familien mit überschaubarem Vermögen das passende Testament. Über Modifizierungen und Alternativen sollte man aber nachdenken, wenn die Erbschaftsteuer aufgrund der Nachlassgröße ein Thema ist, die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen der Kinder droht, eine Trennung im Raum steht oder wenn gegebenenfalls ausländisches Erbrecht zur Anwendung kommt.
Was ist eine wechselbezügliche Verfügung im Ehegattentestament?
Die typische Verfügung von Ehepartnern, dass sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen ist regelmäßig eine sogenannte wechselbezügliche Verfügung, da die Verfügung des einen gemäß § 2270 BGB nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Die Eheleute verlassen sich insoweit auf die gegenseitige Erbeinsetzung. Hierher rührt die Bindungswirkung solcher wechselbezüglichen Verfügungen.