Pflichtteil entziehen
So gelingt die vollständige Enterbung
Oft haben Erblasser den Wunsch, dass ungeliebte nahe Angehörige im Erbfall überhaupt nichts – also auch keinen Pflichtteil – erhalten sollen. Und tatsächlich kann dem Angehörigen im Einzelfall sogar der Pflichtteil gemäß § 2333 BGB entzogen werden. In der Praxis ist die Pflichtteilsentziehunghäufig nur sehr schwer durchzusetzen, was an den hohen gesetzlichen Hürden und den meist schwierigen Beweisfragen liegt.
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Anwaltliche Leistungen rund um die Entziehung des Pflichtteils
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- Anordnung der Enterbung und Pflichtteilsentziehung in letztwilligen Verfügungen
- Prüfung von Pflichtteilsentziehungen - inhaltlich und formell
- Prüfung, Anfechtung und Verteidigung von Testamenten
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1. Sinn und Zweck die Entziehung des Pflichteils
Das Pflichtteilsrecht garantiert den nächsten Angehörigen des Erblassers eine Mindestteilhabe am Nachlass auch wenn sie durch Testament enterbt werden. Dennoch hat der Gesetzgeberr für bestimmte Fälle die Möglichkeit geschaffen, diesen Pflichtteil zu entziehen. Die inhaltlichen und formellen Anforderungen an eine solche Entziehung sind jedoch hoch.
Eine Pflichtteilsentziehung ist nur dann möglich, wenn
- ein Pflichtteilsentziehungsgrund vorliegt,
- die Pflichtteilsentziehung richtig erklärt und begründet wird und
- keine Verzeihung vorliegt.
Nachfolgend stellen wir Ihnen diese Voraussetzungen einmal im Detail vor:
2. Die Pflichtteilsentziehungsgründe
Die Entziehung des Pflichtteils kann nur gelingen, wenn ein gesetzlich anerkannter Grund vorliegt. Insbesondere reicht nicht jedes Fehlverhalten aus, das der Erblasser missbilligt. Gemäß § 2333 BGB kann der Erblasser einem Abkömmling (gilt auch für Ehegatten und Eltern) den Pflichtteil nur dann entziehen, wenn bestimmte schwere Verfehlungen begangen hat.
a. Dem Erblasser oder einer ihm nahestehenden Person nach dem Leben trachten
Eine Pflichtteilsentziehung ist möglich, wenn ein Abkömmling den ernsthaften Willen hat, den Erblasser zu töten - ob als Täter, MIttäter, Gehilfe oder Anstifter. Auch eine strafrechtlich nicht relevante Vorbereitungshandlung für eine Tötung kann hier ausreichend sein. Es genügt jedoch nicht, dass der Tod des Erblassers lediglich herbeigesehnt wird. Auch die Androhung von Gewalt reicht für sich gesehen nicht für die Entziehung des Pflichtteils aus.
Ebenso sind die Fälle zu beurteilen, in denen sich das "nach dem Leben trachten" nicht gegen den Erblasser, sondern gegen dessen Ehefrau, einen Abkömmling oder einer ähnlich nahe stehenden Person richtet. Mit einer „nahe stehenden Person“ sind dabei die Menschen gemeint, die mit dem Erblasser in einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft lebt.
b. Sich eines Verbrechens oder schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser oder einer ihm nahestehenden Person schuldig machen
Der Pflichtteil kann entzogen werden, wenn sich der Angehörige gegen den Erblasser oder einer ihm nahestehenden Person eines Verbrechens oder schweren Vergehens schuldig macht. Unter "Verbrechen" ist dabei eine Straftat zu verstehen, die mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr geahndet wird. Ob ein "Vergehen" als "schwer" eingestuft wird, ist eine schwierige Einzelfallfrage und kann nicht pauschal beantwortet werden.
In Betracht kommen grundsätzlich sowohl Körperverletzungsdelikte als auch Vermögensdelikte. Auch besonders schwere Beleidigungen, falsche Verdächtigungen oder seelische Misshandlungen wurde von der Rechtsprechung bereits als hinreichender Grund für eine Pflichtteilsentziehung anerkannt.
c. Eine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser böswillig verletzen
Eine Unterhaltspflicht besteht nach den Grundsätzen des Familienrechts, wenn der Erblasser bedürftig und der Pflichtteilsberechtigte leistungsfähig ist. Eine böswillige Verletzung der Pflicht liegt vor, wenn der Unterhalt aus verwerflichen Gründen verweigert wird, die Geldzahlungen also nicht geleistet werden. Wie lange die Verletzung der Unterhaltspflicht für eine Pflichtteilsentziehung andauern muss, ist eine Frage des Einzelfalls. Für den Entziehungsgrund der Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht kommt nur der Erblasser selbst als Opfer infrage, nicht jedoch ihm nahestende Personen.
d. Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr
Schließlich nennt § 2333 BGB noch die Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr (ohne Bewährung) als möglichen Grund für die Entziehung des Pflichtteils. Die Verurteilung allein recht jedoch nicht aus. Hinzkommen muss, dass dadurch die Teilhabe am Nachlass in Form des Pflichtteils für den Erblasser unzumutbar wird. Hier kommt es darauf an, inwieweit die Tat den Wertvorstellungen des Erblassers und seiner Familie widerspricht.
Der Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe gleichgestellt ist die Unterbringung des Pflichtteilsberechtigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlcih schwerwiegenden vorsätzlichen Tat.
§ 2333 BGB, Entziehung des Pflichtteils (Gründe)
(1) Der Erblasser kann einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling
1. dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person nach dem Leben trachtet,
2. sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der in Nummer 1 bezeichneten Personen schuldig macht,
3. die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt oder
4. wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend für die Entziehung des Eltern- oder Ehegattenpflichtteils.
3. Die Anordnung der Entziehung im Testament
Liegt einer der genannten Entziehungsgründe vor, muss die Entziehung durch letztwillige Verfügung (Testament, Erbvertrag) erfolgen. Die Rechtsprechung hat hier hohe formale Anforderungen gestellt, so dass zum Beispiel auch der Sachverhalt individualisiert geschildert werden muss. Allgemeine Ausführungen reichen hier nicht aus. Der Erbe trägt später im Streitfall mit dem Pflichtteilsberechtigten die Beweislast für die wirksame Entziehung des Pflichtteils.
§ 2336 BGB, Form, Beweislast, Unwirksamwerden
(1) Die Entziehung des Pflichtteils erfolgt durch letztwillige Verfügung.
(2) Der Grund der Entziehung muss zur Zeit der Errichtung bestehen und in der Verfügung angegeben werden. Für eine Entziehung nach § 2333 Absatz 1 Nummer 4 muss zur Zeit der Errichtung die Tat begangen sein und der Grund für die Unzumutbarkeit vorliegen; beides muss in der Verfügung angegeben werden.
(3) Der Beweis des Grundes liegt demjenigen ob, welcher die Entziehung geltend macht.
4. Keine Verzeihung durch den Erblasser
Trotz Vorliegen eines Pflichtteilsentziehungsgrundes und korrekter Entziehung durch Testament, kann die Entziehung erlöschen, wenn der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten verziehen hat. Eine solche Verzeihung gemäß § 2337 BGB muss nicht ausdrücklich erklärt werden. Es reicht aus, wenn sie sich aus dem Verhalten des Erblassers ergibt. Will dieser vermeiden, dass gegen seinen Willen später eine Verzeihung angenommen wird, kann er in seinem Testament entsprechend vorsorgen, indem er verfügt, dass eine Verzeihung nur durch eine neue letztwillige Verfügung ausdrücklich erklärt werden kann.
Will der Erblasser schon zu seinen Lebzeiten Sicherheit bezüglich der Pflichtteilsentziehung, kann er eine Feststellungsklage gegen den Pflichtteilsberechtigten führen.
§ 2337 BGB, Verzeihung
Das Recht zur Entziehung des Pflichtteils erlischt durch Verzeihung. Eine Verfügung, durch die der Erblasser die Entziehung angeordnet hat, wird durch die Verzeihung unwirksam.
5. Alternativen zur Pflichtteilsentziehung
Wie Sie sehen, sind die Anforderungen an eine wirksame Pflichtteilsentziehung hoch. In den meisten Fällen, in denen eine vollständige Enterbung gewünscht ist, fehlt es bereits an einem anerkannten Pflichtteilsentziehungsgrund. Im Zuge einer Enterbung sollten Sie daher auch über effektive Alternativen nachdenken, mit denen der Pflichtteil des Angehörigen vermindert oder vollständig ausgeschlossen wird. In der Praxis haben sich diesbezüglich einige Strategien durchgesetzt. Die Entziehung des Pflichtteils ist also häufig nur ein (ungewisser) Baustein einer umfassenden Gestaltung mit dem Ziel, den Pflichtteil auszuschalten oder zumindest zu reduzieren.
- Der Pflichtteilsverzicht ist grundsätzlich der sicherste Weg, das Thema "Pflichtteil" zu erledigen. Gerade in Fällen, in denen auch eine Pflichtteilsentziehung im Raum steht, dürfte das Verhältnis zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem jedoch häufig so schlecht sein, dass der Angehörige gar nicht oder nur gegen Zahlung einer entsprechenden Abfindung bereit sein wird, einen Verzicht bei einem Notar zu vereinbaren.
- In der Praxis weit verbreitet ist das sogenannte "Armschenken", indem der Erblasser zu Lebzeiten Vermögenswerte unentgeltlich an andere Personen überträgt. Hier können jedoch Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen, deren Höhe vom Wert des verschenkten Objekts und dem Zeitraum zwischen der Schenkung und dem Erbfall abhängen.
- Eine interessante Alternative zur Schenkung ist ein Verkauf von Vermögen (insbesondere Immobilien) gegen eine lebenslange Leibrente. Hier geht der Pflichtteilsberechtigte regelmäßig leer aus.
- Der Pflichtteil lässt sich auch dadurch mindern, dass man durch eine Heirat oder eine Adoption in die gesetzliche Erbfolge und damit in die Pflichtteilsquoten eingreift.
- Auch der Wegzug oder die Verlagerung von Vermögen in einen Staat ohne strenges Pflichtteilsrecht ist ein Möglichkeit, die jedoch in der Planung und Umsetzung sehr komplex ist.
- Bei Straftaten des Enterbten gegen das Leben oder die Testierfreiheit des Erblassers kommt auch eine Anfechtung des Pflichtteils wegen Erb- und Pflichtteilsunwürdigkeit in Betracht.
Ausführliche Informationen zu allen Strategien der Pflichtteilsminderung finden Sie hier auf unserer Homepage:
- Pflichtteil reduzieren (alle Strategien)
- Pflichtteilsergänzung bei Schenkung
- Pflichtteilsverzicht, Erbverzicht
- Erb- und Pflichtteilsunwürdigkeit
Q&A Pflichtteil entziehen
Schnelle Antworten auf häufige Fragen
Was bedeutet Pflichtteil entziehen?
Unter einer Pflichtteilsentziehung versteht man eine Anordnung im Testament, dass ein enterbter Pflichtteilsberechtigter nicht nur nicht Erbe wird, sondern auch keine Pflichtteilsansprüche geltend machen kann. Die Voraussetzungen für die Entziehung des Pflichtteils sind streng und in § 2333 BGB geregelt.
Kann man den Pflichtteil entziehen, wenn kein Kontakt mehr zum Berechtigten besteht?
Für die Pflichtteilsentziehung gelten strenge Voraussetzungen. Allein der Umstand, dass das Verhältnis zum Pflichtteilsberechtigten dauerhaft zerrütet ist und/oder dass kein Kontakt mehr besteht, reicht für die Entziehung des Pflichteils nicht aus.
Kann der Erbe die Pflichtteilsentziehung beantragen?
Die Pflichtteilsentziehung muss der Erblasser zu Lebzeiten in einem Testament selbst anordnen und die Gründe ausführen. Es reicht nicht aus, dass der Erbe, gegen den Pflichtteilsansprüche geltend gemacht werden darlegt, dass Pflichtteilsentziehungsgründe vorliegen bzw. vorgelegen haben.
So machen wir Erbrecht
Was wir unter einer guten Beratung im Erbrecht verstehen, wie wir das bei uns umsetzen und was Sie davon haben, erzählt Rechtsanwalt Bernfried Rose in diesem Video.