Pflichtteilsverzicht anfechtbar oder ungültig wegen Sittenwidrigkeit?

Der Weg zum Erbe trotz notariellem Verzicht

Pflichtteilsberechtigte Personen wie Kinder und Ehegatten können durch ein Testament enterbt werden. Auch ihr Ausschluss vom Pflichtteil durch einen notariellen Pflichtteilsverzicht ist möglich. In vielen Fällen ist das auch legitim und nicht unüblich - etwa bei der Betriebsnachfolge in Unternehmerfamilien. Bei einem solchen Pflichtteilsverzicht sind aber gewisse Spielregeln einzuhalten, anderenfalls kann dieser anfechtbar sein oder von einem Gericht als sittenwidrig und damit nichtig eingestuft werden. Im folgenden Beitrag erfahren Sie, wann ein Pflichtteilsverzicht bzw. Erbverzicht ungültig ist.

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Die Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen, insbesondere auch bei anfechtbaren bzw. sittenwidrigen Pflichtteilsverzichten gehört seit fast 20 Jahren zu den Kernkompetenzen von ROSE & PARTNER. Unser Erbrechtsteam hat hier bereits hunderte von Fällen erfolgreich bestritten. Wir verfolgen Ihre Interessen sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich und bieten folgende Leistungen:

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Die Anfechtung des Pflichtteilsverzichts zu Lebzeiten des Erblassers

Der Pflichtteilsverzicht bzw. Erbverzicht ist ein zivilrechtliches Geschäft und kann grundsätzlich nach den Regelungen des BGB angefochten werden. In Betracht kommen folgende Anfechtungsgründe:

  1. Inhaltsirrtum (§ 119 I 1. Alt. BGB)
  2. Erklärungsirrtum (§ 119 I 2. Alt. BGB)
  3. Eigenschaftsirrtum (§ 119 II BGB)
  4. arglistige Täuschung (§ 123 I 1. Alt. BGB)
  5. widerrechtliche Drohung (§ 123 I 2. Alt. BGB)

Obwohl bei nicht wenigen Pflichtteilsverzichten zumindest einer der Anfechtungsgründe naheliegt, ist die praktische Relevanz der Anfechtung von Verzichten relativ gering. Das liegt sowohl daran, dass die Betroffenen die gesetzlichen Anfechtungsfristen verstreichen lassen als auch an der Tatsache, dass Irrtümer häufig erst nach dem Erbfall erkannt werden. In diesen Fällen lässt die Rechtsprechung aus Gründen der Rechtssicherheit jedoch keine Anfechtung (gegenüber den Erben) zu. Ist der Erblasser bereits verstorben, bleibt dem Pflichtteilsberechtigten also nur die Möglichkeit, die Sittenwidrigkeit des Verzichts feststellen zu lassen.

Allgemeine Überlegungen zur Sittenwidrigkeit

Ist der Erbfall eingetreten, kann der Pflichtteilsberechtigten innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist Pflichtteilsansprüche auch dann einfordern bzw. einklagen, wenn er zu Lebzeiten des Erblassers mit diesem einen Pflichtteilsverzicht vereinbart hat. Im Rahmen dieser Geltendmachung des Pflichtteils wird dann geprüft, ob der Pflichtteilsverzicht wirksam oder aber wegen Sittenwidrigkeit oder anderer Gründe (Verstoß gegen Formvorschriften, gesetzliche Verbote u.a.) unwirksam ist.

Obwohl diese Fallkonstellationen in der Praxis nicht so selten vorkommen, gibt es relativ wenig Gerichtsentscheidungen zur Sittenwidrigkeit von Pflichtteilsverzichtsverträgen. Das liegt vor allem daran, dass sich die Parteien (Erben und Pflichtteilsberechtigte) häufig einigen - sei es gerichtlich oder bereits außergerichtlich. Die Einigungsbereitschaft der Erben ist hier vergleichsweise hoch, da oft ausreichen Vermögen im Nachlass vorhanden ist, um die Abfindung des enterbten Angehörigen großzügig "aufzustocken". Außerdem haben Erben häufig kein Interesse daran, dass die Umstände des Pflichtteilsverzichts, die Vermögenssituation des Erblassers und weitere "Familieninternas" Gegenstand eines Gerichtsverfahrens und dadurch der Öffentlichkeit oder auch der Presse bekannt werden.

Ungeachtet dessen gibt es eine Reihe obergerichtlicher Entscheidungen zur Sittenwidrigkeit von Pflichtteilsverzichten, denen sich die Kriterien der Rechtsprechung zur Gültigkeit derartiger Verträge entnehmen lassen.

Sittenwidrigkeit im Sinne der ständigen Rechtsprechung

Sittenwidrig und damit nichtig ist ein Rechtsgeschäft, wenn es nach seinem Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Folgt die Sittenwidrigkeit nicht schon allein aus dem Inhalt des Geschäfts, kann sie sich aus einer zusammenfassenden Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck des Rechtsgeschäfts, sowie der äußeren Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, ergeben

Es gibt also mehrere Angriffspunkte, um einen Pflichtteilsverzicht wegen Sittenwidrigkeit zu kippen. Nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte kann sich die Sittenwidrigkeit eines Verzichts im Erbrecht sowohl

  • aus einer krassen Übervorteilung des Verzichtenden ergeben, als auch
  • aus einer Gesamtwürdigung des Verzichts mit einem erheblichen Ungleichgewicht zulasten des Verzichtenden und der Begleitumstände der Beurkundung.

Die Erfolgsaussichten für eine erfolgreiche Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen trotz notariellen Verzichts sind dann besonders groß, wenn die vereinbarte Gegenleistung für den Verzicht im Verhältnis zum Wert des Nachlasses extrem gering ist und zusätzlich noch weitere Umstände (Zwangslage, Notsituation, Unerfahrenheit) hinzukommen.

Übervorteilung des Verzichtenden

Die Ungültigkeit des Verzichts kann sich bereits aus der Übervorteilung des Verzichtenden ergeben. Auch wenn das Gesetz für den Verzicht auf das Erbe bzw. den Pflichtteil keine Gegenleistung vorsieht, "erkauft" sich der Erblasser mit dem Verzicht eine Erweiterung seiner Testierfreiheit und zahlt dafür in der Regel eine Abfindung. Gerade bei bedeutenden Nachlässen wird der Verzichtende kaum bereit sein, ohne entsprechende Kompensation auf sein erbrechtlichen Ansprüche zu verzichten.

Selbstverständlich ist der Verzicht nicht schon dann unwirksam, wenn die angebotene Abfindung wirtschaftlich unterhalb des zu erwartenden Pflichtteils oder gar Erbteils liegt. Für die Sittenwidrigkeit ist vielmehr ein krasses Missverhältnis erforderlich. Das liegt vor allem auch daran, dass der Wert des im Erbfall pflichtteilsrelevanten Nachlasses zum Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung des Pflichtteilsverzichts noch nicht feststeht.

Beurkundung, Rolle des Notars

Ein Pflichtteilsverzicht ist gemäß § 2348 BGB nur wirksam, wenn er notariell beurkundet wird. Hierdurch soll der Verzichtende unparteiisch beraten und belehrt und vor übereiltem Handeln geschützt werden (Schutzfunktion und Warnfunktion). Näheres regelt auch das Beurkundungsgesetz:

§ 17 Absatz 1 BeurkG:Der Notar soll den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben. Dabei soll er darauf achten, daß Irrtümer und Zweifel vermieden sowie unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden.

In der Realität werden diese Grundsätze - gerade bei der Vereinbarung von Pflichtteilsverzichten - nicht selten missachtet und Betroffene in "Nacht-und-Nebel-Aktionen" zum "Haus- und Hof-Notar" des Erblassers gebracht, um dort gegen teils lächerliche Abfindungszahlungen auf große Erbschaften zu verzichten (Überrumpelung).

Für eine Sittenwidrigkeit des Pflichtteilsverzichts können in diesem Zusammenhang folgende Umstände sprechen:

  • Der beurkundende Notar wurde allein vom Erblasser ausgesucht.
  • Notar und Erblasser stehen in einer langjährigen Geschäftsbeziehung.
  • Der Text des Pflichtteilsverzichts wird dem Verzichtenden vor der Beurkundung nicht oder erst sehr spät zur Verfügung gestellt.
  • Im Vorfeld der Beurkundung wird gar nicht erwähnt, dass es sich bei dem Notartermin um einen Pflichtteilsverzicht handelt.

Weitere Angriffspunkte bietet die Beurkundung selbst, etwa weil die gebotene Beratung des Pflichtteilsberechtigten nicht ausreichend stattfindet und auf die Konsequenzen nicht mit hinreichender Sorgfalt erörtert werden. Das bloße Verlesen des Urkundentext in "Notargeschwindigkeit" reicht dafür jedenfalls nicht aus.

Sittenwidrigkeit liegt auch dann nahe, wenn der Erblasser oder der Notar Druck ausüben und auf die Unterschrift drängen. Auch die bloße Anwesenheit von weiteren Personen ist unter Umständen geeignet, den Pflichtteilsberechtigen unter Druck zu setzen und ihn zum Verzicht zu bewegen.

Gesamtwürdigung und besondere Umstände

In vielen Fällen wird sich die Unwirksamkeit des Verzichts nicht allein aus einer relativ niedrigen Abfindung oder der zweifelhaften Rolle des beurkundenden Notars herleiten lassen. Typisch für die Feststellung einer Sittenwidrigkeit ist daher eine Gesamtwürdigung des Falles und das Vorliegen besonderer Umstände.

  • Ausnutzung einer Not- oder Zwangslage: Sittenwidrigkeit kann insbesondere dann gegeben sein, wenn der Pflichtteilsberechtigte sich in einer wirtschaftlichen Notlage befindet, er ohne den Pflichtteilsverzicht und die damit verknüpfte Abfindungszahlung, Verbindlichkeiten oder Unterhaltszahlungen nicht erfüllen kann oder ihm die Privatinsolvenz droht, und der Erblasser das weiß und diesen Umstand für einen Verzicht nach seinem Diktat ausnutzt.
  • Ausnutzung der Unerfahrenheit des Pflichtteilsberechtigten. Ist der Erblasser deutlich geschäftserfahrener als der Pflichtteilsberechtigte und nutzt er dies im Zusammenhang mit dem Verzicht aus, spricht das für eine Sittenwidrigkeit.
  • Beweggründe des Erblassers: Für eine Sittenwidrigkeit spricht, dass der Pflichtteilsverzicht nicht dazu dient, die Testierfreiheit des Erblassers zu erweitern, z.B. um Erben vor Pflichtteilsansprüchen zu schützen bzw. Vermögenswerte vor der Zerschlagung im Erbfall zu schützen, sondern allein dafür, den Angehörigen maximal vom Nachlass auszuschließen.
  • Fehlvorstellungen und fehlende Informationen zum Nachlass: Der Erblasser muss dem Verzichtenden keinen konkreten Überblick über sein Vermögen verschaffen oder gar ein Vermögensverzeichnis vorlegen. Hat der Verzichtende aber überhaupt keine Idee von dem zu erwartenden Nachlass, etwa weil er nicht im Haushalt des Erblassers lebt, kann bei vergleichsweise niedrigen Abfindungszahlungen Sittenwidrigkeit naheliegen.
  • Familiäre Beziehungen: Ein weiteres Indiz für eine Sittenwidrigkeit können psychische Abhängigkeiten, Störungen etc. sein, die ihren Grund im familiären Gefüge haben. Ein Vater, der sein Kind in der Vergangenheit geschlagen hat oder eine strenge Mutter, die stets über alles im Leben der Kinder mit harter Hand bestimmt hat, wird eine so entstandene Machtposition womöglich auch unzulässig bei einem Pflichtteilsverzicht ausnutzen.

Es gibt also zahlreiche Faktoren, die meist nicht jeder für sich aber doch im Zusammenspiel dazu führen können, dass ein Pflichteils- oder Erbverzicht unwirksam ist.

In der erbrechtlichen Literatur werden vor allem folgende "Spielregeln" für einen wirksamen Pflichtteilsverzicht aufgestellt:

  • Offenheit und Ehrlichkeit in der Sache,
  • Transparenz im Verfahren des Vertragsabschlusses.
  • ausreichende Einbindung beider Vertragspartner in die Ausgestaltung des Vertrags einschließlich der erforderlichen Überlegungsfristen

Werden diese Regeln beachtet, kann ein Pflichtteilsverzicht regelmäßig auch bei einem groben Missverhältnis zwischen dem Wert des Pflichtteils und der Abfindungszahlung wirksam sein.

Verfassungsrechtliche Dimension

Dass der Erblasser nicht nach Belieben zu seinen Wunschkonditionen einen Pflichtteilsverzicht herbeiführen kann, ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten. Das Bundesverfassungsgericht sieht im Pflichtteil die "grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass", das aus der Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG folgt. Ohne dass Gerichte Pflichtteilsverzichtsverträge dahingehend überprüfen können, ob sie das Pflichtteilsrecht faktisch nicht völlig aushöhlen, würde dieses Grundrecht preisgegeben.

Strategische Überlegungen zum Angriff auf den Pflichtteilsverzicht

Die Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen trotz notariellen Pflichtteilsverzichts ist nur in Ausnahmefällen unter den oben genannten Voraussetzungen sinnvoll. Entscheidend für den Erfolg ist, dass der vertretende Rechtsanwalt gemeinsam mit dem Mandanten den Sachverhalt hinsichtlich dieser Kriterien sorgfältig herausarbeitet.

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir nur Mandate übernehmen, bei denen wir nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Erfolgsaussichten sehen und die Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen auch realistisch ist. Hierzu gehört auch, dass eine gerichtliche Geltendmachung gerade bei sehr großen Vermögen nicht an damit eingegangenen Kostenrisiken scheitert. Hierzu arbeiten wir mit verschiedenen Prozessfinanzierern zusammen, die dafür sorgen, dass vor Gericht "Waffengleichheit" zwischen Erben und Enterbten gewährleistet ist.

Video zum Erb- und Pflichtteilsverzicht

Rechtsanwalt Bernfried Rose erklärt in diesem Video den Erb- und Pflichtteilsverzicht. Auf unsere YouTube-Kanal finden Sie zahlreiche weitere Inhalte rund um die Enterbung und den Pflichtteil - mit der Erfahrung unserer Experten aus unzähligen Pflichtteilsmandaten.

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Erbverzicht, Pflichtteilsverzicht, Zuwendungsverzicht - ein Überblick

Erbrechtliche Verzichtsverträge können sowohl den vollumfänglichen Erbverzicht oder nur den Verzicht auf den Pflichtteil beinhalten. Der Erbverzicht erstreckt sich immer auch auf das gesetzliche Pflichtteilsrecht.

In der Praxis herrscht jedoch der Pflichtteilsverzicht vor. Durch einen reinen Pflichtteilsverzicht erhöhen sich die Pflichtteilsquoten der übrigen gesetzlichen Erben nicht. Dies verschafft mehr Freiräume bei der Nachlassplanung. Der dritte – sehr seltene – erbrechtliche Verzicht ist der sogenannte Zuwendungsverzicht. In manchen Konstellationen kann es sinnvoll sein, dass der testamentarisch eingesetzte Erbe durch Vertrag mit dem Erblasser auf die Zuwendung verzichtet. Dies kann etwa bei gemeinschaftlichen Ehegattentestamenten mit Bindungswirkung (Berliner Testament) sinnvoll sein. 

Gute Gründe für einen Pflichtteilsverzicht

Es gibt eine Reihe von familiären, rechtlichen und wirtschaftlichen Familienkonstellationen, bei denen ein Pflichtteilsverzicht hilfreich ist. Einige wichtige Fälle stellen wir Ihnen nachfolgend vor:

  1. Absicherung des Ehegatten beim Berliner Testament: Beim klassischen gemeinschaftlichen Ehegattentestament setzen sich die Eheleute für den ersten Erbfall gegenseitig zu Alleinerben ein und enterben daher zunächst die Kinder. Fordern diese dann Pflichtteilsansprüche ein, kann das für die Witwe bzw. den Witwer schlimme Folgen haben - vor allem, wenn der Nachlass überwiegend aus Immobilien oder Unternehmensanteilen besteht und nicht ausreichend Liquidität für die Erfüllung der Pflichtteilsansprüche vorhanden ist.
  2. Klare Verhältnisse mit verstoßenem Kind: Ist das Verhältnis zu einem Kind unwiderbringlich zerstört, entsteht der Wunsch einen Schlussstrich zu ziehen und bestehende Konflikte nicht noch in einen Erbstreit münden zu lassen. Das kann mit einer Enterbung und dem dazugehörigen Pflichtteilsverzicht gegen Zahlung einer Abfindung erreicht werden.
  3. Großzügige lebzeitige Zuwendungen: Hat ein Kind bereits zu Lebzeiten durch großzügige Schenkungen sein "Erbe" erhalten, kann ein Pflichtteilsverzicht geboten sein, um bei der späteren Gleichstellung der sonstigen Erben (Geschwister) freie Hand zu haben. Zusätzlich sollten die lebzeitigen Zuwendungen stets unter Anrechnung auf den Pflichtteil erfolgen.
  4. Sicherung der Unternehmensnachfolge: Bei der Unternehmensnachfolge wird häufig eines der Kinder als Nachfolger für den Betrieb bestimmt. Damit die übrigen Geschwister und auch der Ehegatte die Fortführung des Unternehmens nicht durch die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen gefährden, sollte die Nachfolgegestaltung durch entsprechende Pflichtteilsverzichte abgesichert werden - gegebenenfalls gegen Einräumung von kapitalistischen Beteiligungen.
  5. Problematische Erben: Ein Pflichtteilsverzicht kann auch dann zum Erhalt des Familienvermögnes geboten sein, wenn ein Pflichtteilsberechtigter überschuldet ist oder Sozialleistungen bezieht.

Vereinbarung und Folgen eines Pflichtteilsverzichts

Der Pflichtteilsverzicht ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Erblasser und einem Pflichtteilsberechtigten. Formwirksam ist er nur, wenn er notariell beurkundet wird. Der Verzicht kann nur unter Lebenden erklärt werden - also nicht erst nach dem Erbfall. Der Pflichtteilsberechtigte kann sich beim Vertragsschluss vertreten lassen, während der Erblasser grundsätzlich persönlich die Annahme des Verzichts abgeben muss.

Häufig ist der Pflichtteilsverzicht auch Bestandteil eines Erbvertrags oder eines Ehevertrags und gehört als Baustein zu einer umfassenden Nachfolgeregelung.

Im Normalfall wird im Erbverzichtsvertrag eine Abfindung als Gegenleistung vereinbart. Zur Absicherung des Erben, sollte der Verzicht nur unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Zahlung der Abfindung geschlossen werden.

Der wirksame Verzicht schließt Pflichtteilsansprüche des Angehörigen im Falle der Enterbung aus. Im Verzicht allein liegt jedoch noch keine Enterbung. Diese muss zusätzlich durch eine entsprechende letztwillige Verfügung erfolgen.

Der Pflichtteilsverzicht erstreckt sich regelmäßig auf den "normalen" Pflichtteilsanspruch ebenso wie auf Pflichtteilsergänzungsansprüche oder einen Pflichtteilsrestanspruch. Denkbar ist aber auch ein Verzicht auf einen Teil des Pflichtteils oder etwa die Begrenzung des Pflichtteils auf einen Höchstbetrag. Der Pflichtteilsverzicht wirkd – wie der Erbverzicht – grundsätzlich auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden, sofern dieser selbst ein Abkömmling oder Seitenverwandter des Erblassers ist.

Anfechtung bzw. Sittenwidrigkeit des Erb- oder Pflichtteilsverzichts

Wie andere Rechtsgeschäfte unter Lebenden, kann der Verzichtsvertrag wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung angefochten werden. Dies soll nach der Rechtsprechung jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit nur bis zum Eintritt des Erbfalls möglich sein.

Ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht kann darüber hinaus auch wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein. Das ist z.B. der Fall, wenn der Erblasser eine Zwangslage oder die Unerfahrenheit des verzichtenden Erbens ausnutzt und die Abfindung im krassen Missverhältnis zum Verzicht steht.

Wer es bei der Vereinbarung des Pflichtteilsverzicht also übertreibt und überhaupt nicht mit offenen Karten spielt, darf also nicht darauf vertrauen, dass der Verzicht auch einer gerichtlichen Überprüfung standhält.

Alternativen zum Pflichtteilsverzicht

Der Pflichtteilsverzicht ist ohne Frage der Königsweg bei der Bewältigung drohender Pflichtteilsprobleme. Allerdings bedarf er stets der Mitwirkung des Angehörigen, der enterbt wurde oder enterbt werden soll. In vielen familiären Konstellationen ist es jedoch schwierig oder gar unmöglich, diese Mitwirkung herbeizuführen - selbst wenn die Bereitschaft besteht, als Gegenleistung für den Verzicht eine Abfindung zu zahlen.

Daher muss häufig auf Alternativen zum Pflichtteilsverzicht zurückgegriffen werden, um das Thema Pflichtteil bei der Vermögens- oder Betriebsnachfolge in den Griff zu bekommen. Da die Entziehung des Pflichtteils durch Anordnung im Testament aufgrund der hohen Anforderungen nur solten in Frage kommen wird und auch Eingriffe in die Familienverhältnisse (Heirat oder Adoption) mit Auswirkungen auf die Pflichtteilsquoten aufwändig und folgenreich sind, bleiben häufig nur Vermögensverschiebungen zu Lebzeiten. Bei Schenkungen müsse stets die vorübergehend entstehenden Pflichtteilsergänzungsansprüche beachtet werden. Daher kommt etwa bei Immobilien grundsätzlich auch ein Verkauf gegen eine lebenslange Leibrente in Betracht.

Einen ausführlichen Überblick über alle Strategien zur Pflichtteilsminderung finden Sie hier: Reduzierung Pflichtteil

Erbschaft- und Schenkungsteuer bei Verzicht und Abfindung

Wie bei allen erbrechtlichen Gestaltungen müssen auch beim Pflichtteilsverzicht bzw. Erbverzicht etwaige steuerliche Auswirkungen beachtet werden. Zwar stellt der Verzicht des Pflichtteilsberechtigten keine Schenkung an den Erblasser dar, sodass der Verzicht für sich genommen nicht zu einer Steuerpflicht führt.

Anders verhält es sich aber in den Fällen, in denen eine Gegenleistung vereinbart und erfüllt wird, also insbesondere eine Abfindung. Eine solche Abfindung unterliegt zwar nicht der Einkommensteuer aber der Schenkungsteuer, da sie als "Schenkung unter Lebenden" gewertet wird. Die Freibeträge und Steuersätze richten sich dabei nach dem Verhältnis zwischen dem Erblasser und dem verzichtenden Pflichtteilsberechtigten. Daher gilt für den Verzicht eines Kindes gegenüber einem Elternteil etwa ein Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro. Dies gilt übrigens auch, wenn die Abfindung nicht vom Erblasser kommt, sondern von einer anderen Person. Hierdurch ergeben sich steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf Geschwister.

Der Erblasser kann dagegen seine Aufwendungen für die Abfindung nicht steuerlich geltend machen. Aus steuerlicher Sicht sollten daher stets auch Alternativen zum Erbverzicht in Betracht gezogen und geprüft werden. Das gilt insbesondere, wenn es um Betriebsvermögen mit stillen Reserven geht. 

Ausführliche Informationen rund um die Erbschaftsteuer bei Pflichtteilsthemen finden Sie hier: Pflichtteil & Erbschaftsteuer

§ 2346 Wirkung des Erbverzichts, Beschränkungsmöglichkeit (Pflichtteilsverzicht)

(1) Verwandte sowie der Ehegatte des Erblassers können durch Vertrag mit dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten. Der Verzichtende ist von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte; er hat kein Pflichtteilsrecht.

(2) Der Verzicht kann auf das Pflichtteilsrecht beschränkt werden.

Q&A Anfechtung und Sittenwidrigkeit Pflichtteilsverzicht

Schnelle Antworten auf häufige Fragen

Wann ist es sinnvoll, auf den Pflichtteil zu verzichten?

Der Pflichtteilsverzicht bringt für den Verzichtenden aus rechtlicher Sicht zunächst nur Nachteile. Der Verzicht kann jedoch zum Schutz des Familienvermögens sinnvoll sein - zum Beispiel bei einer Überschuldung des Pflichtteilsberechtigten. Außerdem bekommt der Verzichtende die Möglichkeit, durch eine Abfindung schon zu Lebzeiten am Vermögen des Erblassers teilzuhaben.

Wie hoch muss die Abfindung sein, damit der Pflichtteilsverzicht wirksam ist?

Ein Pflichtteilsverzicht bedarf für seine Wirksamkeit grundsätzlich keiner Gegenleistung. Diese ist jedoch in der Praxis üblich und wenn sie in einem sehr krassen Missverhältnis zum Wert des Pflichtteils steht, kann der Verzicht unter Umständen sitttenwidrig sein.

Ist ein notariell beurkundeter Erb- oder Pflichtteilsverzicht stets gültig?

Die Beurkundung des Verzichtsvertrags ist Voraussetzung dafür, dass der Verzicht formwirksam ist. Das heißt aber nicht, dass der Pflichtteils- oder Erbverzicht nicht anfechtbar oder sittenwidrig ist.

Kann man einen Erbverzicht oder Pflichtteilsverzicht anfechten?

Erbrechtliche Verzichtsverträge können vom Verzichtenden wegen Täuschung oder Irrtum angefochten werden,  solange der Erblasser als Vertragspartner noch lebt. Nach dessen Versterben besteht die Möglichkeit, dass ein Gericht den Verzicht in besonderen Konstellationen wegen Sittenwidrigkeit für unwirksam erklärt.

Ist ein handschriftlicher Pflichtteilsverzicht gültig?

Ein Pflichtteilsverzicht ist nur wirksam, wenn er bei einem Notar beurkundet wird. Einen alternative handschriftliche (eigenhändige) Errichtung wie bei einem Testament ist nicht möglich.

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