Verantwortungsgemeinschaft
Rechtlicher Rahmen für Lebensgemeinschaften außerhalb der Ehe
Familiäre Strukturen und partnerschaftliche Beziehungen unterliegen einem ständigen gesellschaftlichen Wandel. Die Verantwortungsgemeinschaft soll diesen Veränderungen insoweit gerecht werden, als sie neben der klassischen Ehe eine flexible und selbstbestimmte rechtliche Form des Zusammenlebens bietet.
"Die Verantwortungsgemeinschaft soll Menschen rechtliche Sicherheit geben, die dauerhaft im Alltag Verantwortung füreinander übernehmen, aber keine Liebesbeziehung haben." (Bundesjustizminister Marco Buschmann, 6. Januar 2023)
Die Verantwortungsgemeinschaft soll daher für alle Bürger eine Option sein, die dauerhaft im Alltag Verantwortung für andere (meist gegenseitig) übernehmen wollen und sich hierfür einen rechtlich verbindlichen Rahmen wünschen. Als Beispiele werden oft Senioren-WGs oder auch befreundete Alleinerziehende genannt.
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Die Verantwortungsgemeinschaft der FDP
Anfang 2020 brachten Abgeordnete der FDP die Verantwortungsgemeinschaft im Bundestag auf die Tagesordnung. Ihr Antrag (Drucksache 19/16454) zielte auf die gesetzliche Verankerung des Modells der Verantwortungsgemeinschaft. Auf der Grundlage der Formulierungen in diesem Antrag stellen wir Ihnen die wesentlichen Punkte der Verantwortungsgemeinschaft dar.
Gemeinschaft von zwei oder mehr nicht verwandten Personen
„Eine Verantwortungsgemeinschaft soll durch mindestens zwei oder mehrere voll-
jährige Personen, die nicht miteinander verheiratet, verpartnert oder in gerader Li-
nie verwandt sind, möglichst unbürokratisch geschlossen werden können“.
Die Öffnung der Verantwortungsgemeinschaft für Gruppen von Personen ist ein wesentlicher Unterschied zur Ehe, die nur von Paaren, also zwei Personen, geschlossen werden kann.
Persönliches Näheverhältnis
„Grundvoraussetzung der Verantwortungsgemeinschaft ist ein tatsächliches per-
sönliches Näheverhältnis. Ein Zusammenleben hingegen ist nicht erforderlich.“
Eine Überprüfung, ob das erforderliche Näheverhältnis tatsächlich besteht ist nicht vorgesehen. Anders als zum Beispiel bei der Erwachsenenadoption, die ein Eltern-Kind-Verhältnis voraussetzt, sollen die konkreten Motive für Begründung einer Verantwortungsgemeinschaft keine Rolle spielen.
Personenstandsregister
„Das Standesamt soll ein Register für Verantwortungsgemeinschaften führen. Mit
Eintragung in das Personenstandsregister soll die Verantwortungsgemeinschaft
Wirkung gegenüber Dritten entfalten.“
Eine geschlossene Ehe wird im Eheregister eingetragen (§ 15 PStG), das vom Standesamt geführt wird. Verantwortungsgemeinschaften sollen dagegen in ein neu geschaffenes Register eingetragen werden.
Wie die Ehe soll auch die Verantwortungsgemeinschaft vor dem Standesamt geschlossen werden.
Beendigung der Verantwortungsgemeinschaft
„Eine Verantwortungsgemeinschaft kann jederzeit konsensual aufgelöst werden. Wurde sie zwischen zwei Personen geschlossen, soll sie automatisch mit dem Tod einer der beiden Personen enden, oder durch einseitige Erklärung nach einer Übergangsfrist. Wurde die Verantwortungsgemeinschaft mit mehr als zwei Personen geschlossen, können die übrigen Mitglieder den Fortbestand zwischen ihnen bestätigen.“
Die Beendigung der Ehe zu Lebzeiten durch Scheidungist regelmäßig konfliktträchtig. Das liegt oft auch an den Scheidungsvoraussetzungen, dem Scheidungsverfahren und den Scheidungsfolgen. Bei der Verantwortungsgemeinschaft soll eine Beendigung unbürokratisch "konsensual" aufgelöst werden. Was das im Einzelnen bedeutet, bleibt abzuwarten. Ein Verfahren vor dem Familiengericht dürfte ebenso wenig geplant sein wie die Voraussetzung einer "zerrütteten Beziehung".
Abgestufte Rechte und Pflichten
„Die Ausgestaltung der Rechte und Pflichten innerhalb einer Verantwortungsgemeinschaft soll stufenweise erfolgen können“.
Die Verantwortungsgemeinschaft soll verschiedene Stufen rechtlicher Verbindlichkeit haben. Bei der Ehe gibt es dagegen nur ein Modell, das allerdings durch einen Ehevertrag modifiziert und individualisiert werden kann – vor allem hinsichtlich des Güterstands und der Scheidungsfolgen. Auch bei der Verantwortungsgemeinschaft dürfte es Bedarf an vertraglicher Anpassung geben.
„Auf der untersten Stufe bestehen gegenseitige Auskunfts- und Vertretungsrechte der Mitglieder, beispielsweise im Krankheitsfall durch die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht. „
Diese unterste Stufe ist vor allem eine Absicherung für Notfälle. Für Ehegatten gilt seit Anfang 2023 das gegenseitige Vertretungsrecht in Angelegenheiten der Gesundheitssorge (§ 1358 BGB). Auch außerhalb der Ehe gibt es den Wunsch nach einem solchen Notvertretungsrecht, mit dem im Zweifel auch eine gerichtlich angeordnete Betreuung durch eine andere Person abgewendet werden kann.
„Sofern sich die Mitglieder für eine weitergehende Verantwortungsübernahme entscheiden und zu gegenseitiger Pflege und Fürsorge, oder sogar zu gegenseitigem Unterhalt bis hin zu Zugewinngemeinschaft während und Vermögensausgleich bei Auflösen der Verantwortungsgemeinschaft verpflichten, sollte dies durch eine entsprechende Berücksichtigung der Verantwortungsgemeinschaft im Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz, als auch durch Vorteile im Hinblick auf Einkommen, beispielsweise durch Steuerfreibeträge, Rentensplitting oder Freibeträge bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer, honoriert werden.“
Wer sich für eine höhere Stufe der Verantwortungsgemeinschaft entscheidet, geht damit auch wirtschaftliche Risiken ein, die denen einer Ehe vergleichbar sind. Wer solche weitreichende Verpflichtungen eingeht, soll im Gegenzug vor allem auch steuerlich dafür steuerlich belohnt werden – wenn auch voraussichtlich nicht im gleichen Umfang wie Ehegatten. Neben den einkommensteuerlichen Vorteilen dürften vor allem Vergünstigungen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer attraktiv sein. Schon jetzt sind Eheschließungen (und Adoptionen) Gestaltungsinstrumente bei der Nachfolgeplanung, die sich wachsender Beliebtheit erfreuen.
Zeugnisverweigerungsrecht
„Für die Mitglieder einer Verantwortungsgemeinschaft auf höherer Stufe soll ein
Zeugnisverweigerungsrecht bestehen.“
Angehörige haben im Strafverfahren gemäß § 52 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht. Dieses Recht soll auch für Verantwortungsgemeinschaften „höherer Stufe“ gelten.
Keine finanzielle Gleichstellung mit der Ehe
„Der besondere Schutz der Ehe im Grundgesetz wird durch die Verantwortungsgemeinschaft nicht berührt. Dies soll auch dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass die finanziellen Vergünstigungen einer Verantwortungsgemeinschaft diejenigen einer Ehe wertmäßig nicht erreichen können.“
Offenbar um eine mögliche Abwertung der Ehe durch die Verantwortungsgemeinschaft vorzubeugen, sollen die wirtschaftlichen Vorteile unter denen von verheirateten Personen liegen. Da Verantwortungsgemeinschaften „höherer Stufe“ aber zumindest steuerlich der Ehe gleichgestellt sein sollen, bleiben nur wenige Differenzierungsmöglichkeiten. Ohnehin ist zu erwarten, dass der wirtschaftliche Vergleich von Verantwortungsgemeinschaft und Ehe zu den umstrittensten Punkten beim Gesetzgebungsprozess zählen wird.
Kinder und Namensrecht
„Anders als bei einer Ehe sollen auch alle Belange, die Kinder oder das Namensrecht betreffen, von der Verantwortungsgemeinschaft unberührt bleiben. So soll
die Verantwortungsgemeinschaft weder zur Annahme als Kind, noch zur Ausübung eines gemeinsamen Sorgerechts für in die Gemeinschaft eingebrachte Kin-
der berechtigt sein.“
Bei der Ehe gibt es viele rechtliche Anknüpfungspunkte zur rechtlichen Stellung von Kindern – vor allem im Abstammungsrecht, Sorgerecht und Namensrecht. Für die Verantwortungsgemeinschaft soll es diese Verknüpfungen nicht gegen, sodass zum Beispiel die Regelungen zur Stiefkindadoption nicht zur Anwendung kommen.
Erbrecht und Erbschaftsteuer
„Die Mitglieder einer Verantwortungsgemeinschaft sollen im Erbfall zwar nicht gesetzliche Erben werden. Werden allerdings durch letztwillige Verfügung ein oder mehrere Mitgliedern einer Verantwortungsgemeinschaft höherer Stufe als Erben bestimmt, sollen Freibeträge bei der Erbschaftssteuer berücksichtigt werden.“
Ehegatten haben stets ein gesetzliches Erbrecht und gehören auch zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen. Für die Verantwortungsgemeinschaft ist kein gesetzliches Erbrecht vorgesehen, sodass nur eine ausdrückliche Erbeinsetzung durch ein Testament oder einen Erbvertrag möglich ist. Dass Mitglieder einer Verantwortungsgemeinschaft ein Testament mit Bindungswirkung errichten können - wie Ehegatten das beim Berliner Testament können - ist eher unwahrscheinlich.
Erfolgt eine Erbeinsetzung innerhalb der Verantwortungsgemeinschaft, sollen Freibeträge gelten, über deren Höhe sicher intensiv diskutiert wird. Im Ergebnis dürften diese einerseits den „Jedermann-Freibetrag“ von 20.000 Euro übersteigen aber andererseits unter dem Ehegattenfreibetrag von 500.000 Euro liegen. Zu klären wäre auch, welcher Erbschaftsteuerklasse Mitglieder einer Verantwortungsgemeinschaft angehören und ob für sie auch die Steuerbefreiung für das Familienheim gelten soll.
Aufenthaltsrecht
„Durch eine Verantwortungsgemeinschaft sollen eine Aufenthaltsberechtigung oder eine Arbeitserlaubnis nicht begründet werden können.“
Die Ehe ist im Aufenthaltsgesetz eine Voraussetzung für den Familiennachzug bzw. die Aufenthaltserlaubnis des ausländischen Ehegatten. Um möglichem Mißbrauch vorzubeugen, ist eine vergleichbare Regelung für die Verantwortungsgemeinschaft nicht geplant.