Teilausschluss des Versorgungsausgleiches

Anforderungen an Unbilligkeitsüberprüfung sind hoch

Das OLG macht deutlich, dass die Anforderungen an die Härteklausel, welche einen (Teil-)ausschluss des Versorgungsausgleichs gewährt, sehr hoch sind. Die erforderliche Unbilligkeit kann nicht allein auf einen einzelnen Umstand gestützt werden.

Veröffentlicht am: 10.04.2025
Qualifikation: Fachanwältin für Familienrecht
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Dass eine Scheidung eine Reihe von rechtlichen und finanziellen Komplikationen mit sich bringen kann, ist allgemein bekannt. Dabei spielen neben den klassischen Unterhaltspflichten und Vermögensaufteilungen auch immer häufiger der gesetzliche Versorgungsausgleich eine Rolle in gerichtlichen Verfahren. Dieser betrifft alle Anwartschaften, die während der Ehezeit erworben wurden. Insbesondere geht es um Renten- und Versorgungsansprüche, welche gleichmäßig zwischen den geschiedenen Ex-Partnern aufgeteilt werden. Unter Umständen können bestimmte Zeiträume aus Billigkeitsgründen unberücksichtigt bleiben. Dass die Anforderungen an einen solchen Teilausschluss allerdings hoch sind, zeigt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Jena (OLG Jena, Beschluss vom 29.11.2024 – 4 UF 175/19).

Anlass: lange Trennung 

Das geschiedene Ehepaar heiratete im Jahr 1968, lebte jedoch seit 1999 getrennt. Im Jahr 2016 wurde der Frau der Scheidungsantrag zugestellt. Damit bestand eine gesetzliche Ehezeit von 48 Jahren. Im Rahmen der Scheidung führte das Gericht den Versorgungsausgleich ordnungsgemäß durch, ließ dabei jedoch den Versicherungszeitraum vom 01.01.2000 bis zum 30.09.2016 unberücksichtigt. Dies beruhte auf § 27 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (VersAusglG). Diese Vorschrift regelt, dass ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise ganz oder teilweise entfällt, wenn er grob unbillig wäre. Eine grobe Unbilligkeit liegt vor, wenn dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs nach einer Gesamtschau, Bewertung und Abwägung der beiderseitigen wirtschaftlichen, sozialen sowie persönlichen Interessen durch die Durchführung in unerträglicher Weise widersprochen werden würde. Ein solcher Ausnahmefall wurde vom Familiengericht im Jahr 2016 bejaht – insbesondere aufgrund der bereits 17 Jahre andauernden Trennung der Eheleute.

Dieser Wertung widersprach jedoch der Ex-Mann. Seine Einzahlungen in die Rentenkasse fielen aufgrund häufiger Krankheit und Phasen der Arbeitslosigkeit geringer aus. Er beantragte daher, den Versorgungsausgleich auf Grundlage der Auskünfte der Versorgungsträger durchzuführen,  die für den gesamten Ehezeitraum erteilt worden sind.

Wirtschaftliche Entflechtung fehlt

Sein Vortrag fand Zustimmung beim OLG. Dem Familiengericht sei darin zuzustimmen, dass eine Trennungsdauer von 17 Jahren Anlass gebe, die Billigkeit zu überprüfen. Allerdings könne dieser Umstand für sich genommen nicht ausreichen. Bei Betrachtung der Gesamtumstände überwiegen im konkreten Fall die Aspekte gegen die Annahme eines Härtefalles im Sinne des § 27 VersAusglG. 

So weist die Versorgungsgemeinschaft der ehemaligen Ehegatten, die immerhin 31 Jahre bestand, auf eine gewisse Stabilität und ein gegenseitiges Vertrauen hin. Diese Gemeinschaft ist auch nach der Trennung nicht ins Wanken geraten. So reichten die Ex-Eheleute bis 2015 gemeinsame Steuererklärungen ein. Außerdem finanzierten sie beide die gemeinsame Immobilie, in der zuletzt der Ehemann lebte, bis diese 2017 verkauft wurde. Diese Umstände zeigen eine über die Trennung hinausgehende wirtschaftliche Verflechtung, sodass die Durchführung des Versorgungsausgleichs unter Berücksichtigung des gesamten Ehezeitraums nicht der Unbilligkeit entspricht.

Voraussetzungen der Härteklausel

§ 27 VersAusglG stellt ein Gerechtigkeitskorrektiv dar und ist auch entsprechend zu handhaben. Die Anforderungen an das Vorliegen einer Unbilligkeit sind daher hoch anzusetzen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts bedeutet jedoch nicht, dass die Dauer der Trennung im Rahmen der Billigkeitserwägungen unberücksichtigt bleiben muss – ganz im Gegenteil: Sie stellt einen wesentlichen Aspekt dar. Dieser kann jedoch nicht allein die Anwendung der Härteklausel rechtfertigen, sondern muss – ebenso wie weitere Umstände – im Rahmen einer Gesamtabwägung berücksichtigt werden.

Zur Vermeidung persönlicher Unbilligkeiten im Rahmen des Versorgungsausgleichs kann es daher empfehlenswert sein, diesen genauer in einem Ehevertrag zu regeln.