Stimmbindungsvereinbarung, Poolvertrag
Besondere Vereinbarungen zwischen Gesellschaftern
Durch Stimmbindungsvereinbarungen verpflichten sich Gesellschafter untereinander dazu, die ihnen aus ihren Gesellschaftsanteilen zustehenden Stimmrechte in einer bestimmten Art und Weise auszuüben. Die Gesellschafter können ihre Stimmrechte „poolen“ und auf diese Weise Sperrminoritäten oder sogar eine Mehrheit von Stimmrechten erlangen.
Stimmbindungsvereinbarungen im Gesellschafterkreis sind weit verbreitet. Gründe für die Stimmbindung sind vielfältig. Sie können den Zweck haben, Schenkung- und Erbschaftsteuern zu vermeiden oder die Machtpositionen eines Gesellschafterstamms sicherzustellen. In der GmbH dienen vertraglich abgesicherte Abstimmungsverpflichtungen als Kampf- und Verteidigungsinstrumente gegenüber verfeindeten Gesellschaftern und Gesellschafterstämmen im Rahmen eines Gesellschafterstreits. Die Stimmbindungsvereinbarungen spielen aber auch bei Programmen der Managementbeteiligung bzw. Mitarbeiterbeteiligung und bei Treuhandvereinbarungen eine wichtige Rolle.
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Unsere Expertise bei Stimmbindungsverträgen und Poolvereinbarungen
Die Rechtsanwälte, Fachanwälte für Gesellschaftsrecht und Steuerberater verfügen über eine langjährige Erfahrung im Umgang mit Gesellschaftervereinbarungen im Allgemeinen und mit Stimmbindungs- und Poolverträgen im Besonderen. Wir begleiten regelmäßig Gesellschafterversammlungen und Hauptversammlungen und beraten bei steuerrechtlich motivierten Poolungen von Gesellschaftsbeteiligungen:
- Beratung bei der Einführung und Umgestaltung von Gesellschaftervereinbarungen sowie Stimmbindungs- und Poolverträgen
- Prüfung von bestehenden gesellschaftsrechtlichen Stimmbindungsvereinbarungen und Poolverträgen betreffend ihre Wirksamkeit und Spielräume
- Gestaltung und Verhandlung von Gesellschaftervereinbarungen, Konsortialverträgen und Side Letter
- Planung und Gestaltung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen gemäß Poolverträgen, in denen die Mitarbeiter-Stimmrechte gebündelt werden
- Außergerichtliche Konfliktmanagement im Gesellschafterkreis
- Gerichtliche Durchsetzung von Gesellschafterrechten (insbesondere einstweilige Verfügungen) sowie Abwehr von Angriffen vor und in GmbH-Gesellschafterversammlungen und AG-Hauptversammlungen. Stimmbindungsvereinbarungen findet man in der gesellschaftsrechtlichen Praxis vor allem bei Beteiligungsverträgen und Gesellschaftervereinbarungen.
- Beratung bei Unternehmensnachfolgen mit GmbH-Beteiligungen unter 25%
Wozu werden Stimmbindungsvereinbarungen benötigt?
Den Gesellschaftern, die das Instrument der Stimmbindungsvereinbarungen einsetzen, geht es meist um ihren Einfluss auf die bestehenden Machtverhältnisse und die Sicherung konkreter Abstimmungsergebnisse. Im mittelständischen Bereich findet man Stimmbindungsvereinbarungen sehr oft bei Familiengesellschaften, die eine Fragmentierung der Gesellschaftsverhältnisse verhindern sollen. In Gesellschaftervereinbarungen und Beteiligungsverträgen setzen insbesondere Finanzinvestoren Stimmbindungsvereinbarungen ein, um ihren Einfluss gegenüber den Altgesellschaftern oder dem Management abzusichern bzw. die Durchsetzbarkeit bestimmter Zielvorgaben zu gewährleisten.
Poolverträge sind im Kern ein Präventionsmechanismus gegen einen möglichen Machtverlust eines oder mehrerer Poolmitglieder. Da die Poolmitglieder durch die vertraglichen Regelungen gezwungen sind, sich zunächst untereinander abzustimmen und – gegebenenfalls per Mehrheitsbeschluss – zu einigen, wird häufig auch die Vermeidung einer Streiteskalation im Pool und gegenüber den übrigen GmbH Gesellschaftern bezweckt. Mögliche Konflikte innerhalb eines Pools dringen aufgrund der poolvertraglichen Regelung im besten Fall nicht nach außen. Im Ideal bildet sich eine eingeschworene Gesellschafterfraktion, die nach außen „mit einer Stimme“ auftritt.
Stimmbindungen bei der Berufung von Organmitgliedern (Geschäftsführern, Beirats- und Aufsichtsratsmitgliedern) haben dagegen oft einen minderheitsschützenden Charakter, wenn eine Gesellschaftergruppe einen Vertreter im Beirat oder der Geschäftsführung berufen kann.
In steuerlicher Hinsicht können mit Hilfe von in Poolverträgen enthaltenen Stimmbindungsvereinbarungen Begünstigungen bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen erreicht werden, die grundsätzlich Erblassern oder Schenkern vorbehalten sind, die zu mehr als 25 % am Nennkapital der Gesellschaft beteiligt sind (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG). Bei kritischen Beteiligungshöhen ist hier ein konsequentes Monitoring erforderlich, um ein steuerschädliches Absinken (etwa infolge von Kapitalerhöhungen) unter diese Schwelle zu vermeiden.
Rechtliche Grenzen der Stimmbindungsvereinbarungen
Obgleich die Zulässigkeit von Stimmrechtsvereinbarungen durch die Rechtsprechung allgemein anerkannt wird, müssen bei den Vereinbarungen über Stimmabgaben bestimmte rechtliche Schranken beachtet werden.
- Die Stimmrechtsvereinbarungen müssen das sogenannten Abspaltungsverbot, das höchstgerichtlich entwickelt wurde, beachten. Danach darf eine Gesellschaftsbeteiligung grundsätzlich nicht von ihrem akzessorischen Stimmrecht getrennt werden.
- Unwirksam sind auch Verstöße gegen das Kartellverbot und die guten Sitten (§ 138 BGB). Ein Verstoß gegen die guten Sitten soll z.B. bei einer Stimmbindung aufgrund eines Stimmenkaufs vorliegen.
- Schließlich können Stimmbindungsvereinbarungen gegen die gesellschaftsvertragliche Treuepflicht verstoßen. Ein solcher Treuepflichtverstoß kann etwa vorliegen, wenn die Bindung auf eine Schädigung der Gesellschaft im Wettbewerb ausgelegt ist.
Charakter und Form von Stimmbindungsvereinbarungen und Pool-Gesellschaften
Grundsätzlich kann die Stimmbindung im Gesellschaftsvertrag geregelt werden. Da diese Regelungen bei Kapitalgesellschaften im Handelsregister publik gemacht werden, finden die meisten Stimmbindungsabreden bei GmbHs und AGs nur sehr selten Eingang in Satzungen und Gesellschaftsverträge.
In der Praxis wird die Stimmbindung sowohl als eine vertragliche Hauptpflicht in einem eigens dafür entworfenen Vertrag, dem Stimmbindungsvertrag, oder als vertragliche Nebenpflicht in einer Gesellschaftervereinbarung oder einem Treuhandvertrag geregelt. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags ist eine Vereinbarung bei einer Stimmbindung ein schuldrechtlicher Vertrag, der per se keinem notariellen Beurkundungserfordernis unterfällt.
Bei Personengesellschaften (GmbH & Co. KG, OHG, GbR) werden Stimmbindungsabreden dagegen regelmäßig im Gesellschaftsvertrag verankert, weil die Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften nicht beim Handelsregister veröffentlicht werden.
Der Stimmbindungsvertrag kann als einfaches schuldrechtliches Verhältnis oder als eine GbR-Innengesellschaft ausgestaltet werden. Die Mitglieder des Pools bleiben jeweils Gesellschafter der Kapitalgesellschaft mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten. Sie regeln durch die Poolvereinbarung allein das Verhältnis untereinander (sog. Innen-GbR). Die GbR-Gestaltungen findet man oft bei Mitarbeiterpool-Gesellschaften. Wenn in die Mitarbeiterpool-Gesellschaft die Anteile eingebracht werden und diese damit über eigenes Gesellschaftsvermögen verfügt, dürfte sogar eine vollständige GbR-Außengesellschaft vorliegen.
Regelungsinhalt der Stimmbindungsvereinbarung
Zentraler Regelungsgegenstand ist die Stimmbindungsvereinbarung,. Diese enthält in der Regel die folgenden Elemente:
- Pflicht zur einheitlichen Abstimmung
- Prozedurale Regelungen
- Vollmacht zur Ausübung
- Vertragsstrafen
- Kündigungsvorschriften
- Nachfolgeklauseln
- Schiedsklauseln
Im EInzelnen: Poolmitglieder verpflichten sich im Vertrag, bei sämtlichen (oder bestimmten) Beschlüssen auf GmbH Ebene einheitlich abzustimmen. Durch prozedurale Regelungen (Form, Frist, etc) im Poolvertrag wird sichergestellt, dass im Vorfeld zur „eigentlichen“ Gesellschafterversammlung der GmbH ein Beschluss der Poolmitglieder über das Abstimmverhalten gefasst wird.
Häufig bevollmächtigen die Poolmitglieder einen Sprecher (z.B. das stimmstärkste Poolmitglied) dazu, die Poolbeschlüsse in der Gesellschafterversammlung des Beteiligungsunternehmens durch Ausübung der Stimmrechte aller Poolmitglieder umzusetzen. Dabei ist zu beachten, dass eine solche Vollmacht nicht die – Poolvertragswidrige – Ausübung des Stimmrechts eines Poolmitglieds in der Gesellschafter-/Hauptversammlung verhindern kann. Insbesondere ist es auch unzulässig, unwiderruflich Vollmacht erteilen zu lassen. Der an die Pool-Regularien gebundene Gesellschafter kann sich durch eigenmächtiges Abstimmungsverhalten jedoch schadenersatzpflichtig machen.
Stimmrechtspools enthalten üblicherweise auch Kündigungsvorschriften, da ein genereller Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung unzulässig ist. Dabei werden in der Praxis Mindestlaufzeiten von zwischen 15 und 30 Jahren diskutiert. Die sich aus einem Poolvertrag ergebenden Rechte und Pflichten sind nicht an die Mitgliederstellung in der GmbH gebunden, sondern unmittelbar an die Person des Poolmitglieds. Sie gehen daher auch nicht automatisch zusammen mit der Mitgliedschaft in der GmbH auf einen Rechtsnachfolger über. Um zu gewährleisten, dass der Pool nicht durch den Tod eines seiner Mitglieder aufgelöst wird, sondern die Erben an dessen Stelle treten, bedarf es einer sog. Fortsetzungs- und Nachfolgeklausel (auch) im Poolvertrag.
Schließlich enthalten die Verträäge oft Schiedsklauseln, wonach Streitigkeiten vor nicht-öffentlich tagenden Schiedsgerichten auszutragen sind.
Verstöße gegen Stimmbindungsvereinbarungen: Folgen und Rechtsschutz
Hat ein Gesellschafter eine Stimmbindungsvereinbarung unterzeichnet, ist er verpflichtet, seine Gesellschafterstimme bei Abstimmungen entsprechend den Vorgaben im Stimmbindungsvertrag abzugeben. Verstößt er gegen seine vertragliche Pflicht, macht sich der betreffende Mitarbeiter dem Grunde nach schadensersatzpflichtig. Da in der Praxis die Schwierigkeit besteht, eine konkrete Schadenshöhe bei einer unzulässig abgegebenen Stimme zu ermitteln, enthalten Stimmbindungsverträge Regelungen zu pauschalen Vertragsstrafen. Diese lassen sich unabhängig von einem konkreten Schadensnachweis gerichtlich durchsetzen.
Kommt es zu einer vertragswidrigen Stimmabgabe ist Folgendes zu beachten: Grundsätzlich ist die Stimmabgabe als auch der gesamte gefasste Beschluss wirksam. Nach der Rechtsprechung des BGH soll auch eine Anfechtung des gegen die Stimmrechtsvereinbarung verstoßenden Beschlusses grundsätzlich nicht möglich sein. Eine solche Anfechtung kommt nach dem BGH nur dann in Betracht, wenn sich alle Gesellschafter im Rahmen einer satzungsändernden Stimmrechtspoolung unterworfen haben.
Jedoch kann ein Gesellschafter, der eine vertragswidrige Stimmabgabe ankündigt, gerichtlich zur vertragskonformen Stimmabgabe gezwungen werden. Jedes Mitglied eines Stimmbindungsvertrags hat das Recht, Vertragsbrüchige auf Unterlassung der vertragswidrigen Stimmabgabe oder auf Erfüllung der vertragskonformen Abstimmung zu verklagen. Wegen der langen Dauer von Gerichtsprozessen hat der einstweilige Rechtsschutz eine große Bedeutung, wenn ein Gesellschafter ein vertragswidriges Verhalten gegenüber Dritten ankündigt.
Achtung – keine vollständige Sicherheit vor einem Ausscheren eines Poolmitglieds
Sämtliche gesellschaftsrechtliche Nebenvereinbarungen (Side Agreements, Side Letters, Shareholders‘ Agreements, Pool-Vereinbarungen, etc) haben das Defizit , dass sie grundsätzlich nicht unmittelbar auf der GmbH Ebene Anwendung finden. Eine Verletzung der Nebenvereinbarung ist also grundsätzlich nicht gleichzeitig eine Verletzung des Gesellschaftsvertrags. Im Ergebnis kann ein Gesellschafter also, ohne eine gesellschaftsrechtliche Sanktion fürchten zu müssen, die Poolvereinbarung verletzen.
Die Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung gemäß der Poolvereinbarung ist zwar einklagbar und kann vollstreckt werden. In der Praxis wird eine Klage aber regelmäßig das gewünschte Ziel nicht schnell genug erreichen können. Ob Eilrechtsschutz durch Erlass einer einstweiligen Verfügung zulässig ist, ist hoch umstritten. Über die Jahre haben zwar einige Obergerichte einstweiligen Rechtsschutz vor Stimmabgaben erlaubt. Keinesfalls kann man aktuell die Möglichkeit von einstweiligem Rechtsschutz zur Durchsetzung von Stimmrechtspools als vorbehaltslos gegeben ansehen. In jedem Fall sind die Hürden dafür sehr hoch.
Die Einhaltung der Poolvereinbarung kann also niemals rechtlich perfekt abgesichert werden. Die Praxis behilft sich damit, dass die Androhung hoher Vertragsstrafen die Poolmitglieder ausreichend abschrecken soll.
Wenn Sie eine Beratung durch einen Rechtsanwalt benötigen, um die Zulässigkeit oder etwaige Spielräume von Stimmrechtsmaßnahmen zu prüfen oder vertragswidrige Stimmabgaben im Vorfeld von Versammlungen zu verhindern, kontaktieren Sie bitte die Gesellschaftsrechtler in unseren Büros in Hamburg, Berlin, München oder Frankfurt. Wir vertreten und begleiten unsere Mandanten bundesweit bei GmbH-Gesellschafterversammlungen und AG-Hauptversammlungen.