Elon Musk & Twitter rechtlich betrachtet
Zu Unternehmenskauf, Kündigung, Abfindung & Profilsperre
Die Kündigungen im Rahmen der Übernahme von Twitter durch Elon Musk rufen neue rechtliche Fragen auf.
Das Drama um Elon Musk und Twitter geht in die nächste Runde - und als Zuschauer fragt man sich immer wieder: "Darf er das?". Wir greifen das Geschehen einmal rechtlich auf und beleuchten
- den Unternehmenskauf
- die Kündigungen und
- die Abfindungen sowie
- die Pläne zur Inhaltskontrolle im Unternehmen
einmal ausführlich.
1. Chronologie eines Unternehmenskaufs
Beginnen wir mit einem kleinen Rückblick: Nach dem Kauf von 9,2% der Aktien Anfang April 2022 für knapp 3 Milliarden Dollar ist Eon Musk größter Anteilseigner von Twitter. Es folgt die spektakuläre Ankündigung von Elon Musk, die gesamten Aktien von Twitter kaufen zu wollen. Man einigt sich noch im April auf einen Kaufpreis von 44 Milliarden Dollar. Für den Ausfall wird eine sog. Breakup Fee von 1 Milliarde Dollar vereinbart. Dabei werden bei den Vorgängen im Unternehmenskauf, aber auch bei der Suche nach Investoren gängige rechtliche Procedere über den Haufen geworfen.
Im Juli 2022 kündigt Musk dann nach einigem Hin- und Her die Aufkündigung aller Vereinbarungen mit Twitter an. Zur Begründung verweist er auf auf unzureichende Angaben zur Zahl von Fake-Accounts durch Twitter entgegen ihrer vertraglichen Verpflichtungen. Twitter reagiert und kündigt an, de Kaufvertrag vor Gericht durchzusetzen.
Im Oktober 2022 wird das Gerichtsverfahren ausgesetzt, als Musk erklärt, das Angebot von 44 Milliarden Dollar aufrecht erhalten zu wollen. Am 28. Oktober 2022 wird der Kauf der Aktiengesellschaft vollzogen.
Hätte Musk vom Kauf zurücktreten können?
Wie das Gerichtsverfahren zwischen Twitter und Musk geendet hätte, kann jetzt nur noch spekuliert werden. Zwar machte Musk dem Nachrichtendienst diverse Vorwürfe, notwendige Informationen nicht herausgegeben zu haben. Grundsätzlich sind Unternehmensverkäufer im Rahmen einer ausführlichen Due Diligence verpflichtet, wichtige Informationen zur zu verkaufenden Gesellschaft offenzulegen.
Hier war aber, entgegen der absolut gängigen Praxis, vor dem verbindlichen Kaufangebot keine hinreichende Due Diligence Prüfung durch Elon Musk vorgenommen worden. Dies geht grundsätzlich zu seinen Lasten. Insofern kann man durchaus anzweifeln, ob ein Rücktritt vom Kauf überhaupt möglich gewesen wäre.
2. Kündigung von 75% der Belegschaft & Geschäftsführern
Noch vor Vollzug des Unternehmenskaufs kündigt Elon Musk öffentlich an, mindestens 75% der Belegschaft von rund 7.500 Angestellten bei Twitter kündigen zu wollen.
Das bisherige Direktorium sei aufgelöst worden, heißt es in einer Mitteilung an die amerikanische Börsenaufsicht. Mit Übernahme der Gesellschaft entlässt Elon Musk noch am selben Tag drei GeschäftsführerInnen von Twitter: Den Chief Executive Parag Agrawal, den Chief Financial Officer Ned Segal und die Rechtsabteilungsleiterin Vijaya Gadde. In Zukunft führe er den Konzern alleine weiter.
Kündigungsschutz nach Übernahme?
Ob Elon Musk tatsächlich 75% der Belegschaft kündigen kann, lässt sich ohne einen Blick in die entsprechenden Verträge kaum sagen. Grundsätzlich kann dem Geschäftsführer einer Gesellschaft eine Kompetenz zur Kündigung übertragen werden. Aber auch als alleiniger Anteilseigner hält Musk hier wohl jedenfalls die notwendigen Mehrheiten.
Nicht selten wird in Unternehmenskaufverträgen vertraglich eine Schonfrist für Angestellte vereinbart, bei der eine Kündigung während einer bestimmten Übernahmezeit ausgeschlossen wird. Das deutsche Arbeitsrecht schließt zudem in § 613a BGB für die Betriebsübernahme wegen des Übergangs des Betriebes aus und lässt allein eine Kündigung wegen personen- oder verhaltensbedingten Kündigungsgründen unberührt. In den USA dürften ähnlich strenge Vorschriften indes nicht bestehen.
Sollte Musk sein Versprechen wahr machen, dürften die entsprechenden vertraglichen Details bald ans Licht kommen.
3. Abfindungen für ehemalige Geschäftsführer in Millionenhöhe?
Laut der Nachrichtenagentur Reuters sind in dem Kaufvertrag hohe Abfindungszahlungen für den Fall der Kündigung der Geschäftsführer vorgesehen. Inklusive eines sog. "goldenen Fallschirms" könnten die Geschäftsführer damit auf Abfindungen in Höhe von insgesamt rund 57 Millionen Dollar (Agrawal), rund 45 Millionen Dollar (Segal) und ca. 20 Millionen Dollar (Gadde) kommen.
Allerdings berichtet "The Information", dass die Kündigungen gegenüber den Geschäftsführern mit Grund erfolgt sein. Für solche außerordentlichen Kündigungen entfallen oftmals Ansprüche auf Abfindungszahlungen. Auch hier dürfte also das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.
Kündigung und Abberufung von Geschäftsführern
Grundsätzlich ist eine Kündigung und Abberufung von Geschäftsführern jederzeit möglich, wenn nicht vertraglich etwas anderes vereinbart wurde. So kann eine Anstellung für eine befristete Zeit erfolgen mit der Rechtsfolge, dass eine ordentliche Kündigung während dieser Zeit grundsätzlich ausgeschlossen ist. Aber auch ein schlichter Kündigungsausschluss für eine gewisse Zeit kann grundsätzlich vereinbart werden.
Eine Abfindung steht Geschäftsführern von Gesetzes wegen eigentlich nicht zu, sondern nur Gesellschaftern. Soweit die nun ausscheidenen Geschäftsführer von Twitter auch Anteilseigner waren oder Aktienoptionen hielten, muss also von Gesetzes wegen eine Abfindung für diese gezahlt werden. Darüber hinaus bekommen aber Geschäftsführer eine Abfindung nur, wenn diese ausdrücklich vereinbart wurde. Dies ist hier offensichtlich der Fall.
Nicht selten wird indes eine zu zahlende Abfindung für den Fall ausgeschlossen, dass ein Geschäftsführer außerordentlich wegen Verstoßes gegen seine Pflichten gekündigt wird. In solchen sog. Bad Leaver Konstellationen soll der Geschäftsführer nicht noch belohnt werden, sondern ohne Wiedergutmachung ausscheiden. Ob ein solcher Kündigungsgrund vorliegt, muss jedenfalls nach deutschem Recht grundsätzlich die Gesellschaft beweisen. Wenn Elon Musk sich also um die Abfindung drücken will, müsste er vor Gericht entsprechende Beweise für ein vorschriftswidriges Verhalten der gekündigten Geschäftsführer anbringen.
4. Künftig Gremium für kontroverse Inhalte & gesperrte Profile
Die Übernahme von Twitter wurde durch Musk vor allem mit der Förderung von Meinungsfreiheit begründet. So postete er am Tag seiner Übernahme "The bird is freed." (deutsch: Der Vogel ist befreit."). Musk kündigte außerdem an, bereits gesperrte Profile nach entsprechender Prüfung möglicherweise wieder freizugeben.
Für Entscheidungen über die Blockade von Inhalten oder Profilen solle ein neues Gremium geschaffen werden. Lebenslange Sperrungen sollen grundsätzlich abegschafft werden. Damit stünde auch einer Rückkehr von Ex-Präsident Donald Trump nicht mehr viel im Wege. Dessen Ausschluss von Twitter hatte bei Elon Musk heftige Reaktionen hervorgerufen und nicht zuletzt die Übernahme von Twitter mutmaßlich befeuert.
Pflichten zur Sperrung rechtswidriger Inhalte
Für Social Media Plattformen gelten in Europa und Deutschland diverse Pflichten in Bezug auf rechtswidrige Inhalte, die auf ihren Seiten veröffentlicht werden. Diese Pflichten richten sich zum Teil nach dem Telemediengesetz (TMG). Danach müssen Plattformen unverzüglich tätig werden, das heißt einen gemeldeten Post unverzüglich löschen oder sperren, wenn sie davon erfahren.
Wenn Nutzer nicht nur rechtswidrige, sondern auch strafbare Inhalte hochladen, ist zudem das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) einschlägig. Für Betreiber von Sozialen Netzwerken, die mehr als zwei Millionen registrierte Nutzer in Deutschland haben, sind dort strenge Pflichten normiert, wenn auf ihren Plattformen Straftaten begangen werden.
Solche Pflichten treffen nicht nur Instagram, Facebook und Youtube, sondern auch den Nachrichtendienst Twitter. Die Einhaltung solcher Rechtspflichten muss auch Elon Musk sicherstellen. Andernfalls drohen hohe Bußgelder oder die Haftung für rechtswidrige Inhalte.
Fazit: Rechtmäßigkeit in Deutschland?
Soweit Twitter Inhalte deutscher Nutzer veröffentlicht und diese erreicht, kann Elon Musk deutsche und europäische Gesetze nicht ganz außer Acht lassen. Dies wird insbeondere in Bezug auf den Schutz von Mitarbeitern und Nutzern von Twitter in Deutschland relevant werden. Ob und inwieweit Musk die Einhaltung dieser Gesetze in Zukunft erfüllen kann, bleibt abzuwarten.
In den USA bleibt die Übernahme ein großer Wirtschaftskrimi des 21. Jahrhunderts. Die Grenzen des amerikanischen Arbeitsrechts, Aktienrechts und auch Unternehmenskaufrechts werden durch die nun folgenden Maßnahmen ausgetestet und auf die Probe gestellt werden.. und vielleicht auch dort zu einem Umdenken führen.
Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere Gesellschafter und Geschäftsführer, sollten vor allem folgende zwei Lehren aus den Vorgängen ziehen:
- Erstens: Auf die Due Diligence zu verzichten ist nie eine gute Idee und kann richtig teuer werden.
- Zweitens: Kluge Geschäftsführer denken nicht nur an ihre eigene Abfindung (und sollten da vielleicht häufiger mal nach den Sternen greifen), sondern auch an den Schutz ihrer Angestellten.
Dann steht der nächsten Übernahme eigentlich nichts mehr im Weg.