Qualitativ selektive Vertriebssysteme
Rechtssichere Gestaltung von Fachhandelsbindungen
Ausgefeilte Premiumprodukte erfordern ein individuell abgestimmtes Vertriebssystem. Um das Prestige des Produkts sicher zu stellen, kann es sinnvoll sein, ein qualitativ selektives Vertriebssystemzu etablieren. Als Händler kann es lukrativ sein, sich einem qualitativ selektiven Vertriebssystem anzuschließen und so zu dessen Erfolg beizutragen. Hierbei gibt es jedoch einiges zu beachten.
Da es für Unternehmen möglich ist, durch den Einsatz von qualitativ selektiven Vertriebssystemen den freien Wettbewerb zu beeinträchtigen, gelten strenge kartellrechtliche Regelungen. Wer gegen diese verstößt, riskiert empfindliche Bußgelder. Betroffen sind hierbei nicht nur die sogenannten Big Player, sondern vor allem auch kleine und mittelständische Unternehmen. Bei uns erfahren Sie, wie Sie horrende Bußgelder vermeiden können.
Anwaltliche Leistungen im Rahmen qualitativ selektiver Vertriebssysteme
Als erfahrene Rechtsanwälte im Vertriebsrecht beraten und vertreten wir zahlreiche Unternehmen umfassend bei allen rechtlichen Fragestellungen zu qualitativ selektiven Vertriebssystemen, unter anderem bei:
- der Prüfung des bestehenden Vertriebssystems und der Vertriebsverträge
- der Evaluierung einer neuen angedachten selektiven Distribution
- der Erarbeitung, Ausgestaltung und Einführung qualitativer Anforderungen im selektiven Vertriebssystem
- der Wahrung ihrer Rechte und Erarbeitung von Lösungsstrategien in Streitfällen rund um qualitativ selektive Vertriebssysteme für Vertragshändler und Unternehmer
- der Prüfung, Beratung und Vertretung in Bußgeldverfahren der Kartellbehörden wegen Kartellverstößen im qualitativ selektiven Vertriebssystem
- Unterstützung und Beratung bei der Etablierung eines wirksamen kartellrechtlichen Compliance-Systems zur Vermeidung von Kartellverstößen
Erste grundlegende Informationen haben wir für Sie auf dieser Website zusammengefasst. Für eine individuelle und gesamtheitliche Betrachtung Ihres Falls freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme.
Für eine unverbindliche Anfrage kontaktieren Sie bitte direkt telefonisch oder per E-Mail einen unserer Ansprechpartner oder nutzen Sie das Kontaktformular am Ende dieser Seite.
Was sind qualitativ selektive Vertriebssysteme?
Diese Art der Vertriebssysteme sind auch unter dem Schlagwort „Fachhandelsbindung“ bekannt. Mit qualitativ selektiven Vertriebssystemen stellt das Unternehmen bestimmte qualitative Anforderungen an die Händler, welche seine Produkte an den Kunden bringen. Das Unternehmen etabliert also ein Netz von zugelassenen Abnehmern, welche spezifische Qualitätsanforderungen erfüllen müssen. Dies beinhaltet regelmäßig auch das Verbot, die Produkte an nicht zugelassene gewerbliche Zwischenhändler oder im Internet auf Drittplattformen wie Amazon oder eBay zu veräußern. Eine zahlenmäßige Beschränkung dieser zugelassenen Händler besteht allerdings weder direkt noch indirekt.
Unterschieden wird zwischen einem einfachen und qualifiziertenVertriebssystem. Anforderungen eines einfachen, qualitativ selektiven Vertriebssystems sind – abhängig vom jeweiligen Produkt - das
- Vorhandensein von besonders geschultem Personal,
- speziell ausgestattete oder eingerichtete Geschäftsräume,
- eine spezielle Präsentation der Ware
- wie auch die Möglichkeit von Reparaturen der Waren
- und bestimmte Ladenöffnungszeiten.
In diesem Rahmen werden regelmäßig noch weitere Anforderungen wie eine Mindestabnahmeverpflichtung oder die Teilnahmepflicht an Werbemaßnahmen des Herstellers an die Vertriebspartner gestellt. Diese sind jeweils abhängig von der konkreten Beschaffenheit der vertriebenen Waren.
Welche Vorgaben sind nach dem Kartellrecht verboten?
Durch qualitativ selektive Vertriebssysteme wird der „intra-brand“ Wettbewerb zwischen den Händlern zumeist durch eine geringere Preistransparenz eingeschränkt. Auch aus diesem Grund können qualitativ selektive Vertriebssysteme von kartellrechtlichen Verboten des GWB oder der Art. 101 und 102 AEUV erfasst sein. Diese Vertriebssysteme fallen hierbei unter die vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen. Unterschieden werden preisbezogene- und vertriebsbezogene Vorgaben.
Kartellrechtliche Zulässigkeit nach der Vertikal-GVO
Die Zulässigkeit von Vorgaben im Rahmen von qualitativ selektiven Vertriebssystemen richtet sich nach der Vertikal-GVO (EU Verordnung Nr. 330/2010), welche die Vorgaben des Art. 101 Abs. 3 AEUV konkretisiert und der einschlägigen Rechtsprechung, insbesondere des EuGH. Entscheidende Kriterien sind hierbei die Anzahl von Wettbewerbern am Markt, die bestehende Aufteilung der Marktmacht und die Besonderheiten der jeweiligen Branche.
Metro- Rechtsprechung des EuGH
Ausgehend von der Rechtsprechung des EuGHs wirkt ein qualitativ selektives Vertriebssystem nicht wettbewerbsbeschränkend, wenn es die folgenden drei - auch als Metro-Kriterien bekannten - Voraussetzungen erfüllt.
- Das selektive Vertriebssystem muss für die betroffene Ware aufgrund ihrer Beschaffenheit erforderlich sein und jedes qualitative Selektionskriterium muss aufgrund der individuellen Eigenschaften der Ware zur Wahrung ihrer Qualität und zur Gewährleistung ihres korrekten Gebrauchs objektiv notwendig sein.
- Die qualitativen Selektionsanforderungen müssen diskriminierungsfrei und einheitlich angewendet werden.
Die angewandten Selektionskriterien dürfen über das unerlässlich notwendige Mindestmaß hinausgehen.
Gruppenfreistellungen nach der Vertikal-GVO
Die Regelungen der Vertikal-GVO sehen einen sogenannten „Safe-Harbor“ vor, soweit der Marktanteil von Anbieter und Abnehmer jeweils unter 30 % liegt. Diese Marke ist insbesondere in Bezug auf qualifiziert qualitative Selektivvertriebssysteme von Bedeutung, da diese regelmäßig über die Notwendigkeit der Metro-Kriterien des EuGH hinausgehen. Allerdings kann diese Schutzwirkung des „Safe-Harbor“ im Einzelfall auch aberkannt werden.
Liegen im Rahmen von qualitativen selektiven Vertriebssystemen Absprachen vor, welche zwar nicht den Anforderungen der Rechtsprechung des EuGHs, dafür aber den Anforderungen der Vertikal-GVO oder den dafür bestehenden Leitlinien gerecht werden, so gelten auch diese als zulässig. In der Vertikal-GVO sind sogenannte schwarze und graue Klauseln festgelegt, welche einer Freistellung entgegenstehen.
Die schwarzen Klauseln wie zum Beispiel Preisabsprachen schließen eine Freistellung für die Vereinbarung vollständig aus. Dementgegen sind graue Klauseln zwar nicht freistellungsfähig, jedoch lassen diese die übrige Vertriebs-Vereinbarung unberührt.
Einzelfreistellungen nach AEUV
Daneben besteht zudem noch die Möglichkeit einer Einzelfreistellung nach AEUV. Notwendige Voraussetzung ist hierfür die Erfüllung von zwei positiven und zwei negativen Anforderungen.
So müssen im positiven Verbraucher in angemessenem Rahmen am entstehenden Gewinn beteiligt werden. Zudem muss ein Beitrag zur Verbesserung der Warenerzeugung oder Verteilung bzw. zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts vorliegen.
Im Negativen dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, welche unerlässlich sind und es darf dadurch nicht für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren zu einer Ausschaltung des Wettbewerbs kommen.
Ob eine solche Freistellung möglich ist, hängt immer vom Einzelfall ab. Aufgrund des hohen Abstraktionsgrades ist eine verbindliche Vorhersage hierzu nahezu ausgeschlossen.
Anwaltliche Beratung für Unternehmen bei der Etablierung von qualitativ selektiven Vertriebssystemen
Sie wollen als Händler Teil eines qualitativen selektiven Vertriebssystems werden oder als Hersteller ein qualitativ selektives Vertriebssystem gestalten und installieren? Als verlässliche anwaltliche Partner stehen wir für alle Fragen rund um qualitativ selektive Vertriebssysteme an Ihrer Seite. Unsere erfahrenen Anwälte unterstützen Sie bei der rechtlichen Bewertung, der Gestaltung und Einführung sowie der regelmäßigen Überprüfung Ihrer Vertriebsverträge und der Fachhandelsbindung. Darüber hinaus beraten wir Sie umfänglich in allen Fragen zum Umgang mit Verstößen und vertreten Sie durchsetzungsstark gegenüber Ihren Vertragspartnern und der Kartellbehörde.
FAQ zu qualitativ selektiven Vertriebssystemen
Was sind qualitativ selektive Vertriebssysteme?
In qualitativ selektiven Vertriebssystemen erfolgt die Auswahl der Vertriebspartner anhand bestimmter Kriterien, um so die Qualität des Vertriebes und die Reputation der Marke zu sichern.
Welche Vorteile bieten qualitativ selektive Vertriebssysteme?
Durch qualitativ selektive Vertriebssysteme können Hersteller die Qualität und Reputation bzw. das Image ihrer Produkte und/oder Marken kontrollieren und schützen. Für die Händler bzw. Vertriebspartner liegt der Vorteil in den Wettbewerbsvorteilen, die sie durch die exklusiven Vertriebsrechte und die Unterstützung der Hersteller erhalten.
Welche qualitativen Kriterien können herangezogen werden?
Die Kriterien, die Vertriebspartner für die Aufnahme in qualitativ selektive Vertriebssystem erfüllen müssen, hängen maßgeblich von den jeweils zu vertreibenden Waren oder Dienstleistungen ab. Es können persönliche Fähigkeiten wie Fachkunde und Erfahrung oder sachliche Merkmale wie beispielsweise bestimmte Anforderungen an den Verkaufsraum gefordert werden.
Welche gesetzlichen Anforderungen müssen bei qualitativ selektiven Vertriebssystemen erfüllt werden?
Für qualitativ selektive Vertriebssysteme gelten strenge Kartell- und Wettbewerbsrechtliche Vorgaben, die dazu dienen, den Wettbewerb vor unzulässigen Beschränkungen zu schützen. Wichtige Faktoren sind hier insbesondere die Markttransparenz und die Preisgestaltung. Verstoßen Klauseln in selektiven Vertriebsverträgen gegen diese Vorschriften, drohen sowohl Herstellern als auch Händlern empfindliche Bußgelder.