Streit ums Erbe im Erbscheinverfahren
Wirksamkeit, Anfechtung und Auslegung von Testamenten
Erbstreitigkeiten werden häufig im Rahmen eines Erbscheinverfahrens vor dem Nachlassgericht ausgetragen. Bin ich Erbe und wenn ja, mit welcher Quote? Häufig geht es dabei um „Alles oder Nichts“. Wem der Nachlassrichter letztlich den Erbschein ausstellt, hängt gelegentlich von den familiären Verhältnissen, meist aber von der Wirksamkeit oder Auslegung eines Testaments ab.
Anwaltliche Leistungen im streitigen Erbscheinverfahren
Unsere Fachanwälte für Erbrecht vertreten Sie in allen Auseinandersetzungen vor dem Nachlassgericht im Streit um das Erbe bzw. den Erbschein.
- Vertretung im Erbscheinverfahren
- Gutachterliche Prüfung der Erbenstellung (auch als "Zweitmeinung")
- Anfechtung bzw. Verteidigung von Testamenten und Erbverträgen
- Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Nachlassgerichts
- Einziehung unrichtiger Erbscheine
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Ablauf des Verfahrens, Amtsermittlung und Beweisfragen
Das Erbscheinverfahren wird eingeleitet, wenn ein möglicher Erbe beim Nachlassgericht die Ausstellung eines Erbscheins zu seinen Gunsten beantragt (ausführlich: Erbschein beantragen). Das Nachlassgericht informiert sodann die weiteren Personen, die als gesetzliche bzw. testamentarische Erbin in Betracht kommen und gibt ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme. Im streitigen Erbscheinverfahren ist einer von ihnen dann nicht mit der vom Antragsteller beantragten Erbfolge einverstanden. Das Gericht prüft nun von Amts wegen den Antrag und die Einwendungen.
Zunächst muss derjenige, der einen Erbschein beantragt, im Rahmen seiner Möglichkeiten alles tun, um sein Erbrecht nachzuweisen. Aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes muss das Nachlassgericht diesbezüglich aber auch eigene Ermittlungen zu Tatsachen anstellen, die für die Entscheidung über den Antrag erforderlich erscheinen - insbesondere, wenn der Antragsteller nicht in der Lage ist bestimmte Angaben zu machen bzw. Beweise zu erbringen. Das Gericht muss dann die erforderlichen Ermittlungen vornehmen und geeignete Beweise aufnehmen.
Der Amtsermittlungsgrundsatz geht aber nicht so weit, dass das Nachlassgericht ohne Grund alle erdenklichen Ermittlungen einleitet, etwa ob es vielleicht doch noch irgendwo vergessene Angehörige gibt oder ob ein Testament vielleicht gefälscht sein könnte. Für solche Ermittlungen muss es einen berechtigten Anlass geben und der wird in der Praxis immer von den Beteiligten des Erbscheinverfahrens vorgetragen werden müssen. Wer also Einwände etwa gegen die Gültigkeit eines Testaments hat, muss diese darlegen.
Kostenlast - wer zahlt was im Erbscheinverfahren?
Das Erbscheinverfahren ist ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, das nicht von Amts wegen, sondern durch die Beantragung eines Erbscheins eingeleitet wird. Hier gilt der Grundsatz, dass der Veranlasser, also derjenige, der den Erbschein beantragt, für die Kosten haftet. Im Übrigen kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen (oder sogar von der Erhebung der Kosten absehen).
Beim streitigen Erbscheinverfahren kommt es regelmäßig zu Einwendungen gegen einen beantragten Erbschein. Hierdurch können Kosten verursacht werden, zum Beispiel weil die Echtheit eines Testaments angezweifelt und daher vom Gericht ein Schriftgutachten eingeholt wird. Beschränkt sich der Einwendende dabei aber darauf, objektive Umstände zu schildern, die Zweifel an der Echtheit des Testaments begründen, ohne selbst einen Antrag zu stellen, wird er in aller Regel nicht für die Kosten des Schriftgutachtens haften.
Das Maß des Obsiegens und Unterliegens ist bei der Verteilung der Kostenlast übrigens nur einer von mehreren Gesichtspunkten für die Ermessensentscheidung des Nachlassgerichts. Wer aber einen Antrag stellt, der von vornherein erkennbar keine Aussicht auf Erfolg hatte, muss damit rechnen, die Kosten voll zu tragen.
Erbstreit bei gesetzlicher Erbfolge
Eher selten ist ein streitiges Erbscheinverfahren, wenn sich die Erbfolge nach dem Gesetz richtet, es also keine letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) gibt. Unklar und daher konfliktreich ist die gesetzliche Erbfolge dann, wenn die familiären Verhältnisse unübersichtlich sind.
Das ist beispielsweise in solchen Konstellationen der Fall, in denen darüber gestritten wird, ob ein Beteiligter tatsächlich ein Abkömmling des Erblassers war (unklare Vaterschaft, Adoption) oder zum Zeitpunkt des Erbfalls (noch) mit dem Erblasser verheiratet war (Eheschließung, Scheidung)
Streit um die Wirksamkeit des Testaments
Fast immer geht es im Kampf um das Erbe aber um eine letztwillige Verfügung, also ein Testament oder einen Erbvertrag. Dabei wird von einem Beteiligten häufig die Wirksamkeit eines vom Nachlassgericht eröffneten Testaments bestritten. Und tatsächlich gibt es zahlreiche Gründe, warum der niedergeschriebene letzte Wille ungültig ist:
- Formfehler bei der Errichtung eines handschriftlichen (eigenhändigen) Testaments
- Testament stammt nicht vom Erblasser (Fälschung)
- Fehlende Testierfähigkeit des Erblassers (z.B. wegen Demenz)
- Sittenwidrigkeit des Testaments oder Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot
Eine ausführliche Darstellung aller Unwirksamkeitsgründe finden Sie hier: Unwirksamkeit von Testamenten
Die Anfechtung eines gültigen Testaments
Auch wenn ein Testament zunächst wirksam ist, kann es unter Umständen nach dem Erbfall durch eine erfolgreiche Anfechtung nichtig werden. Mögliche Anfechtungsgründe sind:
- (Motiv)Irrtum des Erblassers
- Täuschung des Erblassers
- Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten
Anfechtungsberechtigt ist jeder, der vom Wegfall des Testaments profitieren würde, also zum Beispiel ein gesetzlicher Erbe, der durch das Testament enterbt wurde oder jemand, der in einem früheren Testament bedacht wurde, das greift, wenn das neuere Testament wegfällt. Die Anfechtung muss innerhalb eines Jahres (ab Kenntnis) gegenüber dem Nachlassgericht erfolgen.
Auch zur Testamentsanfechtung finden Sie ausführliche Informationen hier: Anfechtung Testament
Die Auslegung letztwilliger Verfügungen
Im Erbscheinverfahren kann aber auch über die Erbfolge aufgrund wirksamer Testamente gestritten werden. Dann geht es um die richtige Auslegung der Verfügungen. Gerade von Laien formulierte handschriftliche Testamente sind häufig mehrdeutig, gerade weil erbrechtliche Begriffe falsch verstanden bzw. verwendet werden.
Gerade wenn es um die Interpretation des letzten Willens geht, ist der Fachanwalt für Erbrecht gefragt, gemeinsam mit dem Mandanten den Sachverhalt zu ermitteln und die Rechtslage entsprechend darzustellen.
Mehr zur Auslegung von Testamenten und den Auslegungsregeln: Testamentsauslegung
Die Entscheidung über den Erbschein und Rechtsmittel
Letztlich entscheidet das Nachlassgericht über den umstrittenen Erbscheinantrag, wenn es die Ermittlungsmöglichkeiten für ausgeschöpft hält, auch wenn es keine endgültige Gewissheit über die Erbfolge erlangt hat. Es ergeht ein Beschluss, in dem die zur Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen für (nicht) festgestellt erklärt werden. Erst wenn dieser Feststellungsbeschluss rechtskräftig ist, also keine Rechtsmittel eingelegt wurden, wird ein Erbschein ausgestellt.
Wer mit der Entscheidung des Gerichts nicht einverstanden ist, kann dagegen Beschwerde beim Nachlassgericht einlegen und hat für diese Beschwerde einen Monat Zeit. Bleibt das Gericht bei seiner Entscheidung, gibt es den Vorgang an das zuständige Oberlandesgericht (OLG) zur Prüfung ab.
Q&A Streit Erbscheinverfahren
So machen wir Erbrecht
Was wir unter einer guten Beratung im Erbrecht verstehen, wie wir das bei uns umsetzen und was Sie davon haben, erzählt Rechtsanwalt Bernfried Rose in diesem Video.