Das Erbe Helmut Kohls
Der Erbstreit, der nicht stattfand
Der Erbstreit, der nicht stattfand
Helmut Kohls war nicht nur eine Person von weltgeschichtlicher Bedeutung sondern – vor allem dank seiner Buchveröffentlichungen – ein sehr wohlhabender Mensch. Berücksichtigt man dann noch die familiäre Situation mit seiner zweiten Ehe und den Konflikten mit den Söhnen, liegen eigentlich alle Voraussetzungen für einen langjährigen Erbstreit vor.
Eigentlich war alles geregelt
Helmut Kohl hatte seinen Nachlass bereits seit langem geregelt. Nach Informationen der BUNTE hatte er mit seiner 2001 verstorbenen ersten Frau Hannelore ein sogenanntes Berliner Testament verfasst, bei dem sich beide gegenseitig als Alleinerben eingesetzt hatten. Man darf vermuten, dass damals die beiden Söhne Peter und Walter zu Schlusserben eingesetzt wurde, diese also nach dem Tod des Vaters das elterliche Vermögen je zur Hälfte (als Erbengemeinschaft) bekommen hätten.
Der letzte Wille kann auch mal der vorletzte sein
Diese Regelung funktionierte zunächst. Beim Erbfall Hannelore Kohl verzichteten die Söhne auf die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen. Helmut Kohl bekam den ganzen Nachlass. Nach der erneuten Heirat verschlechterte sich das Verhältnis von Peter und Walter Kohl zu ihrem Vater und dessen Ehefrau Maike Kohl-Richter. Die beiden Söhne als Alleinerben – das war womöglich nicht mehr der Wunsch des Altkanzlers.
Konnte Kohl sein Testament widerrufen?
In der Regel ist es jedoch sehr schwierig, die Erbfolge zu ändern, wenn der Ehegatte, mit dem man gemeinsam testiert hat, bereits verstorben ist. Im Zweifel handelt es sich bei der Einsetzung der Kinder als Schlusserben im Berliner Testament um eine sogenannte „wechselbezügliche Verfügung“ mit Bindungswirkung. Solche Regelungen können vom längerlebenden Ehegatten nicht mehr widerrufen werden.
Häufig gibt es aufgrund unklarer Formulierungen Streit darüber, ob hinsichtlich der Erbeinsetzung der Kinder eine solche Bindungswirkung vorliegt. Da hilft nur die Auslegung der letztwilligen Verfügung – notfalls durch ein Gericht. Ein solcher Konflikt findet dann regelmäßig vor dem Nachlassgericht statt, wenn ein potenzieller Erbe einen Erbschein beantragt.
Die erneute Heirat schafft die Möglichkeit, ein Testament anzufechten
Möglicherweise bestand im Fall Kohl auch die Option, das alte Berliner Testament anzufechten. Durch die Heirat machte Helmut Maike nämlich nicht nur zur Ehefrau sondern auch zu einer Pflichtteilsberechtigten. Als solche wurde sie in der letztwilligen Verfügung mit Hannelore (natürlich) übergangen.
Damit hätten sowohl Helmut Kohl als auch seine neue Frau grundsätzlich die Möglichkeit gehabt, eine etwaige Erbeinsetzung der Söhne im alten Testament anzufechten. Klingt komisch? Ist aber so. Daher wird dieses Anfechtungsrecht in vielen Berliner Testamenten auch bewusst ausgeschlossen. Wie das bei den Eheleuten Kohl gehandhabt wurde, wissen wir nicht.
Jedenfalls ist das Anfechtungsrecht ein weiterer potentieller Konfliktherd in der erbrechtlichen Nachfolge und wird von versierten Anwälten für Erbrecht daher stets geprüft.
Alleinerbin Maike Kohl – wie geht das?
Medienberichten zufolge wurde vom Nachlassgericht Ludwigshafen nun ein Erbschein für den Nachlass des im Juni verstorbenen Altkanzlers ausgestellt, der Maike Kohl-Richter als Alleinerbin ausweist. Das bedeutet, dass Helmut Kohl sich im Ehegattentestament mit Hannelore die Freiheit zur Änderung vorbehalten hat oder darüber zumindest gestritten wurde.
Jedenfalls gab es wohl ein neues Testament zugunsten seiner zweiten Frau. Soweit dadurch die Erbfolge aus dem Testament mit Hannelore widerrufen bzw. geändert wurde, hat das Nachlassgericht dies abgesegnet.
Die Einigung: Erb- und Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung
Dass diese Entscheidung des Gerichts ohne langjährigen Erbstreit und offenbar im Einvernehmen aller Beteiligten getroffen wurde, beruht auf einer Vereinbarung, die noch zu Lebzeiten Helmut Kohls getroffen wurde. 2016 sollen die Söhne Peter und Walter jeweils 400.000 Euro (also genau der Kinderfreibetrag bei der Erbschaftsteuer) und die beiden Enkelkinder je 100.000 Euro erhalten haben. Als Gegenleistung haben sie offenbar einen Erb- und Pflichtteilsverzicht unterschrieben. Damit hat sich Helmut Kohl größtmögliche Testierfreiheit zugunsten seiner neuen Gattin erkauft. Alle Angriffsmöglichkeiten gegen die geänderte testamentarische Regelung sowie ein Streit um die Bezifferung eines Pflichtteilsanspruchs waren damit vom Tisch.
Lernen von Walter und Peter Kohl
In einem Erbstreit geht es meist nicht um wirtschaftliche Interessen. Das gilt vor allem, wenn die Betroffenen – wie im Fall Kohl – ohnehin nicht von Existenzängsten getrieben sind. Der Kampf um das Erbe ist vielmehr eine Plattform, die viele, oft unbewusst, dazu nutzen, langjährige Konflikte auf einer anderen Ebene auszutragen.
Wer zum Beispiel glaubt, er hätte im Vergleich zu anderen Angehörigen besonders viel „verdient“ oder sei zu Lebzeiten vom Erblasser nicht ausreichend anerkannt worden, kann derartige Befindlichkeiten in Erbscheinsverfahren und Pflichtteilsprozessen wunderbar ausleben – so lange bis Konflikt selbst zum Lebenszweck wird…
Walter und Peter Kohl haben offenbar bewusst darauf verzichtet, die Differenzen mit ihrem Vater auf rechtlicher Ebene in einer Art Stellvertreterkrieg mit ihrer Stiefmutter auszutragen. Durch ihre Einwilligung in den lebzeitigen Verzicht haben sie sich die Möglichkeit genommen, gegen das neue Testament des Vaters vorzugehen oder dessen zweite Frau mit der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen das Leben schwer zu machen.
Vor allem in Anbetracht der familiären Vorgeschichte eine beachtliche, keineswegs selbstverständliche Vorgehensweise. Scheinbar wussten die Söhne dass es in einem Erbstreit bestenfalls Geld zu gewinnen gibt – Freunde, Lebensqualität oder gutes Karma dagegen meist nicht.