Das Europäische Nachlasszeugnis
Der EU-Erbschein bei Erbschaften mit Auslandsbezug
Bei Erbschaften mit Auslandsbezug benötigen Erben häufig das Europäische Nachlasszeugnis, um ihre Erbenstellung zum Beispiel gegenüber Gerichten oder Banken nachzuweisen. Dieses ist in der EU-Erbrechtsverordnung geregelt und unterscheidet sich in wichtigen Punkten vom deutschen Erbschein.
Als Erbrechtskanzlei mit internationaler Ausrichtung beraten wir Erben bei der Nachlassabwicklung mit Bezug zum Ausland. Über eine besondere Expertise verfügen wir bei Erbschaften in Frankreich und Italien.
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Wann benötigt man ein europäisches Nachlasszeugnis?
Das europäische Nachlasszeugnis soll den Erben die Abwicklung eines grenzüberschreitenden Erbfalls innerhalb der europäischen Union (mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark) erleichtern. Anhand des europäischen Nachlasszeugnisses soll der Erbe auch im Ausland seine Erbenstellung nachweisen.
Wenn also Vermögenswerte im Nachlass des Erblassers befinden, die im Ausland belegen sind - wie zum Beispiel eine Immobilie oder Bankkonten - ist ein europäisches Nachlasszeugnis zur Übertragung dieser Vermögenswerte auf die Erben zu beantragen und bei den betreffenden Stellen vorzulegen.
Achtung: Wer nun eine einfache und unkomplizierte Abwicklung seines internationalen Erbfalles erwartet, wird in der Praxis leider oft enttäuscht. In einigen Mitgliedstaaten sind die Abläufe noch sehr festgefahren. Die Umstellung auf die Anwendung des europäischen Nachlasszeugnisses ist noch nicht überall angekommen und willkommen.
So beantragt man den EU-Erbschein
Der EU-Erbschein kann von folgenden Personen beantragt werden:
- Erben,
- dinglichen Vermächtnisnehmern,
- Testamentsvollstrecker und
- Nachlassverwaltern
Für Nachlassgläubiger ist ein Antragsrecht hingegen nicht vorgesehen.
Zuständiges Gericht
Grundsätzlich ist für die Ausstellung des EU-Erbscheins das Gericht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes des Erblassers entscheidend. Der Begriff des „Gerichts“ ist weit auszulegen. Erfasst sind somit auch Notare, die zum Beispiel in Frankreich für die Erstellung des EU-Erbescheins zuständig sind.
In Deutschland sind die Nachlassgerichte für die Erstellung des Erbscheins und EU-Erbscheins sachlich zuständig. Welches Nachlassgericht örtlich zuständig ist, richtet sich nach dem letzten Wohnort des Erblassers.
Form und Sprache
Für die Beantragung des EU-Erbscheins kann ein Formblatt verwendet werden. Dabei sind nur die für den Antrag erforderlichen Angaben zu machen. Benötigt das Gericht einige auf dem Formblatt vorgesehenen Informationen für die Erstellung des EU-Erbscheines nicht, müssen diese nicht aufgeführt werden.
Das Gericht hingegen muss sich des Formblatts für die Ausstellung des EU-Erbscheines bedienen. Denn nur so kann gewährleistet werden, dass andere Mitgliedstaaten die Angaben nachvollziehen können. Denn für alle Mitgliedstaaten ist das Formblatt (bis auf die jeweilige Sprache) gleich.
Die Sprache, in welcher der Antrag formuliert wird, richtet sich nach der Sprache des Mitgliedstaates, in dem der Antrag gestellt wird. Wird der EU-Erbschein bei einem deutschen Nachlassgericht beantragt, so erfolgt die in deutscher Sprache unabhängig davon, ob der EU-Erbschein zum Beispiel für die Umschreibung einer französischen Immobilie benötigt wird.
Notwendige Unterlagen/Informationen
Die für die Ausstellung des EU-Erbscheins geforderten Informationen gehen über die eines inländischen Erbscheinantrages hinaus.
Was die notwendigen Unterlagen betrifft, so steht es dem jeweiligen Mitgliedstaat frei festzulegen, wie der Nachweis über die notwendigen Tatsachen geführt wird.
Wenn ein Testament bereits eröffnet oder ein Erbschein beantragt worden ist, liegen dem Nachlassgericht bereits die wesentlichen öffentliche Urkunden und Unterlagen vor. In der Regel werden neben der Sterbeurkunde, Geburtsurkunden der Antragsteller, Eheurkunden und, sofern ein solches existiert, das Testament des Erblassers vorzulegen sein. Das Nachlassgericht kann zudem die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangen. Da die Angaben für den Antrag des EU-Erbscheins über die des Erbscheins hinausgehen, reicht in der Regel ein Verweis auf die bereits im Rahmen des Erbscheinantrages abgegebene eidesstattliche Versicherung nicht aus.
Die Kosten für ein europäisches Nachlasszeugnis
Die Kosten für die Beantragung eines europäischen Nachlasszeugnisses entsprechen denen der Beantragung eines Erbscheins. Sie richten sich nach § 40 des Gerichts- und Notarkostengesetzes und bestimmen sich nach dem Nachlasswert.
Bei einem Nachlasswert von EUR 100.000,- belaufen sich die Kosten der Antragstellung für eidesstattliche Versicherung und Erteilung des Erbscheins auf EUR 546,-.
Sofern bereits ein Erbschein beantragt wurde, werden bei der zusätzlichen Beantragung eines europäischen Nachlasszeugnisses 75% der Erbscheinkosten angerechnet.
Gültigkeit und Verlängerung
Sofern der zu bescheinigende Sachverhalt feststeht, ist der EU-Erbschein unverzüglich auszustellen. Der EU-Erbschein ist sechs Monate gültig.
Soll der EU-Erbschein über die sechs Monate hinaus verwendet werden, so muss der Antragsteller entweder eine Verlängerung der Gültigkeitsfrist der beglaubigten Abschrift oder eine neue beglaubigte Anschrift des EU-Erbscheins bei dem zuständigen Nachlassgericht oder der sonstigen Ausstellungsbehörde beantragen.
Änderung / Widerruf
Jede Person, die ein berechtigtes Interesse an der Änderung oder den Widerruf eines EU-Erbscheines hat, kann diesen bei dem Nachlassgericht beantragen. Ebenso kann eine Änderung oder ein Widerruf von Amts wegen erfolgen, wenn das Nachlassgericht Kenntnis von Tatsachen erhält, die eine solche Änderung oder einen Widerruf rechtfertigen.
Wird ein EU-Erbschein geändert oder widerrufen, benachrichtigt das Nachlassgericht alle Personen, denen eine beglaubigte Abschrift des EU-Erbscheins vorliegt.
Achtung: In Deutschland hat das Nachlassgericht auch nach einer Änderung oder einem Widerruf eines EU-Erbscheins keine Möglichkeit die ursprünglich erteilten beglaubigten Abschriften zurückzufordern. Dem „echten“ Erbe wird aber ein Herausgabeanspruch gegen den Inhaber der „fehlerhaften“ beglaubigten Abschrift eingeräumt. Dies ist wichtig, denn es besteht die Gefahr des Erwerbs von Nachlassgegenständen durch gutgläubigen Dritten.
Rechtsbehelfe im Rahmen des Antrages auf Erlass eines EU-Nachlasszeugnisses
Jeder der berechtigt ist ein europäisches Nachlasszeugnis zu beantragen, kann gegen dessen Erteilung oder Verweigerung vorgehen. Es kann ebenfalls gegen die Änderung oder den Widerruf eines europäischen Nachlasszeugnisses vorgegangen werden. In diesem Fall ist jede Person anfechtungsberechtigt, die ein berechtigtes Interesse an der herbeizuführenden Entscheidung hat.
Welcher Rechtsbehelf einschlägig und welches Gericht hierfür zuständig ist, richtet sich nach dem Recht des Mitgliedstaates der Ausstellungsbehörde.
In Deutschland erfolgt die Anfechtung der Erteilung oder der Verweigerung der Erteilung des EU-Nachlasszeugnisses durch eine Beschwerde. Die Beschwerde zum Oberlandesgericht ist beim Nachlassgericht einzulegen. Dies gilt auch für die Anfechtung einer Änderung oder eines Widerrufs. Auch eine Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) ist statthaft, wenn das Beschwerdegericht es zulässt.
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