Testamentsänderung durch Streichung von Textpassagen

OLG Düsseldorf zum Widerruf letztwilliger Verfügungen

Veröffentlicht am: 15.01.2018
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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OLG Düsseldorf zum Widerruf letztwilliger Verfügungen

Allgemein verbreitet ist die Annahme, dass man sein einmal errichtetes Einzeltestament nur durch ein neues Testament ändern oder widerrufen kann. So steht es schließlich im Gesetz. Nach § 2253 BGB kann der Testator sein Testament sowie jede einzelne in dem Testament enthaltene Verfügung jederzeit widerrufen, § 2254 BGB bestimmt wörtlich: „Der Widerruf erfolgt durch Testament.“

Wenig bekannt ist § 2255 BGB. Nach dieser Norm im Erbrecht kann der Testator selbst sein Testament durch Vernichtung oder durch Veränderungen der Testamentsurkunde, „durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt zu werden pflegt“, widerrufen oder inhaltlich abändern.

Eine kürzlich ergangene Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 29.09.2017, 3 Wx 63/16) gibt Gelegenheit, einige typische Problemstellungen im Zusammenhang mit nachträglichen Veränderungen des Testaments zu betrachten. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf Einzeltestamente, für die Änderung von gemeinschaftlichen Testamenten gelten eigene Regeln.

Die nachträgliche Veränderung eines handschriftlichen Einzeltestaments

Veränderungen an der Testamentsurkunde bzw. am Testamentstext in handschriftlichen Testamenten werden in der Praxis häufig durch Streichungen oder Schwärzung von Textpassagen, mitunter auch durch Abschneiden oder Abreißen von Teilen der Urkunde vorgenommen. Die vorgenommene Veränderung muss dem Testator zurechenbar sein, außerdem muss bei Vornahme der Veränderung Widerrufsabsicht bestanden haben. Wurde das Testament beispielsweise aus Versehen vernichtet oder verändert oder sogar ganz vergessen, so bestand keine Widerrufsabsicht (hierzu z.B. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.02.2001, 3 W 272/00; BayObLG, Beschluss vom 07.07.1997, 1 Z BR 118/97; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.10.1993, 3 Wx 443/93).

§ 2255 Satz 2 BGB enthält eine Vermutungsregel in Bezug auf den Widerrufswillen des Testators. Nimmt der Testator eine Veränderung am Testamentstext vor, die üblicherweise als Aufhebung der schriftlichen Erklärung aufgefasst wird (also beispielsweise die Streichung eines Vermächtnisses), wird die Widerrufsabsicht vermutet (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.09.2017, 3 Wx 63/16, „Aufhebungsabsicht“ unter Verweis auf BayObLG, Beschluss vom 01.12.2004, 1Z BR 93/04; Beschluss vom 07.07.1997, 1Z BR 118/97).

Allerdings wies das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 29.09.2017 (3 Wx 63/16) kürzlich deutlich auf eine vom zuständigen Nachlassgericht regelmäßig zu beachtende Abgrenzungsfrage hin. Es muss demnach sichergestellt werden, dass die in Frage stehende Streichung nicht lediglich zur Vorbereitung eines neuen Testamentes dienen und die Änderung der Verfügung erst mit Erstellung des beabsichtigten neuen Testaments erfolgen solle. Die Vermutungsregel des § 2255 Satz 2 BGB sei widerlegbar und nicht jede „äußerlich endgültige Handlung“, also etwa eine Streichung, muss die Absicht zum sofortigen Widerruf des Testators ausdrücken.

In dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall hatte der Testator gegenüber einer Zeugin geäußert, dass er eine weitere, bisher noch nicht im Testament erwähnte Person, als Erbin einsetzen wolle. Die bisher eingesetzten Erben strich er sodann aus dem Testament, allerdings ohne jene dritte Person dort als Erbin einzusetzen. Der Testator verstarb wenig später ohne weitere Änderungen an dem Testament. Aus dem Umstand, dass der Testator die beabsichtigte Erbeinsetzung jener dritten Person noch nicht vorgenommen hatte, folgerte das Gericht sodann, dass der Testator durch die Streichung der bisherigen Erben die spätere endgültige Testamentsänderung nur vorbereiten wollte und ihm deshalb im Hinblick auf die Streichungen die Widerrufsabsicht fehlte. Die Vermutung des § 2255 BGB sei widerlegt. Das Gericht betrachtete die vom Erblasser vorgenommenen Streichungen als bedeutungslos und billigte den vom Erblasser ja tatsächlich gestrichenen Erben den beantragten Erbschein zu.

Die nachträgliche Veränderung eines notariellen Einzeltestaments

Errichtet der Testator sein Testament durch Erklärung vor einem Notar, so wird der Notar die Testamentsurkunde in amtliche Verwahrung bei dem zuständigen Nachlassgericht geben, § 34 Abs. 1 Satz 4 BeurkG. Die in Verwahrung genommene Urkunde ist das eigentliche Testament, der Testator selbst erhält vom Notar nur eine Abschrift seines Testaments. Streichungen im Text der Testamentsabschrift sind deshalb keine rechtswirksamen Testamentsänderungen nach den oben dargestellten Maßstäben des § 2255 BGB.

Nur dann, wenn der Testator zum Beispiel eine Streichung in der Testamentsabschrift mit einem klarstellenden Textzusatz (etwa „aufgehoben“ oder ähnlich) versieht, das Datum der Änderung vermerkt und die Veränderung in unmittelbarem Zusammenhang unterzeichnet, können Änderungen der Testamentsabschrift wirksam werden. In diesem Fall ist die Veränderung nämlich als gesonderte testamentarische Änderungsverfügung gemäß §§ 2254, 2247 BGB aufzufassen (so ausdrücklich bereits OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 22.09.1949, 2 a W 7/49).

Empfehlung aus der anwaltlichen Praxis im Erbrecht

Die praktische Erfahrung zeigt, dass gerade die Auslegung von Testamenten –auch von notariellen Testamenten!- erhebliches Konfliktpotenzial birgt. Dies erst Recht, wenn der Text des Testamentes nachträglich vom Testator verändert wurde.

Der Testator sollte, wenn er Testamente schreibt, deshalb Wert auf größtmögliche Eindeutigkeit seiner testamentarischen Verfügungen legen. Reine Streichungen von Textbestandteilen können unwirksam oder missverständlich sein. Bei der Vornahme von Streichungen empfiehlt sich deshalb mindestens die ergänzende Formulierung eines Zusatztextes zur Verdeutlichung des Sinngehalts der jeweiligen Streichung sowie die Unterzeichnung der Änderung mit Datumsangabe. Dies insbesondere um zu dokumentieren, dass die Änderung sofort und nicht erst mit der Errichtung eines weiteren Testamentes gelten soll.

Sicherster Weg zur Vermeidung von Missverständnissen und Erbstreitereien ist jedoch, das Testament insgesamt neu abzufassen.