Scheinehe und Erbrecht
List oder Liebe?
List oder Liebe?
Bei einer sogenannten Scheinehe heiraten die Eheleute nicht aus Liebe und um eine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen, sondern um sich einen rechtlichen Vorteil aus der Eheschließung zu erschleichen. Eine solche Ehe ist grundsätzlich wirksam. Wird sie aber aufgedeckt, kann die zuständige Behörde die Aufhebung beantragen. Doch welche erbrechtlichen Auswirkungen hat eine Scheinehe, wenn die Aufdeckung erst nach dem Tod eines der Ehepartner erfolgt?
Vielfältige Gründe für Scheinehen
Eine Scheinehe liegt nach deutschem Familienrecht immer dann vor, wenn sich die Eheleute bei der Eheschließung einig waren, sich nicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichten und nicht füreinander die eheliche Verantwortung tragen zu wollen.
Die Gründe für eine Scheinehe können vielfältig sein. Bekannteste Form ist wohl die Aufenthaltsehe, die ein Deutscher mit einem Ausländer abschließt, um die Voraussetzung für die Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis zu schaffen. Auch die Aussicht auf eine Hinterbliebenenrente (Witwenrente bzw. Witwerrente) kann ein Motiv für eine Scheinehe sein. Daneben kommen insbesondere steuerrechtliche oder auch erbrechtliche Gründe in Betracht. Eine erbrechtliche Strategie vermutete auch ein enterbter Sohn hinter der neuen Ehe seines Vaters.
OLG Brandenburg zu den erbrechtlichen Folgen einer Scheinehe
Der Vater hinterließ zwei Söhne und eine Ehefrau, die er erst im Juni 2019 geheiratet hatte. Einen der Söhne hatte er bereits in einem handschriftlichen Testament aus dem Jahr 2017 enterbt.
Nach dem Tod des Vaters wurde vom nicht enterbten Sohn und die Witwe ein Erbschein beantragt, der sie als Erben zu je ½ ausweist. Dies wollte der enterbte Sohn so nicht hinnehmen. Er behauptete, dass es sich bei der neuen Ehefrau in Wirklichkeit um die Lebensgefährtin seines Bruders handeln würde. Sein Vater hätte diese nur deshalb geheiratet, um den ihm trotz Enterbung zustehenden Pflichtteil weiter zu verringern.
Doch weder das Amtsgericht Oranienburg, noch das Oberlandesgericht Brandenburg konnten konkrete Anhaltspunkte feststellen, die diese Behauptungen stützen könnten. Darüber hinaus stellte das OLG klar, dass eine nach dem Tod eines der Ehegatten festgestellte Scheinehe keinen Einfluss auf die erbrechtlichen Ansprüche des verbliebenen Ehepartners habe (OLG Brandenburg, Beschluss v. 16.03.2020 - 3 W 27/20).
Erbanspruch trotz Scheinehe
Liegt eine Scheinehe vor, stellt dies nach § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB einen von mehreren Eheaufhebungsgründen dar. Die Ehegatten oder die zuständige Verwaltungsbehörde dürfen also einen Antrag auf Aufhebung der Ehe stellen. Wird ein solcher Antrag nicht gestellt, behält der überlebende Ehegatte grundsätzlich seinen der gesetzlichen Erbfolge entsprechenden Anspruch, ungeachtet ob ein Aufhebungsgrund vorliegt oder nicht.
Etwas anderes ergibt sich nur aus § 1318 Abs. 5 BGB. Dieser schließt in bestimmten Fällen das gesetzliche Erbrecht für Ehegatten aus, wenn der überlebende Ehegatte den Aufhebungsgrund im Zeitpunkt der Eheschließung gekannt hat. Er verweist hierbei auf die Aufhebungsgründe der §§ 1304, 1306, 1307, 1311 und 1314 Abs. 2 Nr. 1 BGB, nicht aber auf § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB. Keinen Erbanspruch hat unter anderem also derjenige, der wissentlich die Ehe mit einem geschäftsunfähigen, einem Verwandten, oder einem im Zeitpunkt der Eheschließung bewusstlosen eingeht. Eine klassische Scheinehe berührt das Ehegattenerbrecht hingegen nicht.
Trotzdem bietet sich die Ehe nicht als erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeit an. Um sich über individuell geeignete Instrumente der Nachlassgestaltung informieren zu lassen, kontaktieren Sie lieber einen unserer Fachanwälte für Erbrecht.