Hinzuziehung beim notariellen Nachlassverzeichnis

Welche Rechte hat der Pflichtteilsberechtigte?

Wer den Pflichtteil einfordert, ist auf Informationen über den Nachlass angewiesen. Rechtlich helfen dabei Auskunftsansprüche gegen den Erben. Die praktische Umsetzung stößt aber gelegentlich an Grenzen.

Veröffentlicht am: 11.02.2025
Qualifikation: Rechtsanwältin Erbrecht
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Enterbte nahe Angehörige können Pflichtteilsansprüche geltend machen. Um diese zu berechnen, sind sie auf ein Nachlassverzeichnis angewiesen. Sie haben das Recht, dass sie bei der Aufnahme des Verzeichnisses hinzugezogen werden. Was dieses Recht konkret bedeutet, wenn das Nachlassverzeichnis von einem Notar erstellt wird, musste Ende letzten Jahres das Oberlandesgericht München entscheiden (OLG München, Beschluss vom 3. Dezember 2024 - 33 W 1034/24e).

Enterbte bemängelt notarielles Nachlassverzeichnis

In dem Fall stritten eine enterbte Pfichtteilsberechtigte und die Erbin um ein notarielles Nachlassverzeichnis. Gemäß § 2314 BGB können Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass das Nachlassverzeichnis für die Berechnung des Pflichtteils nicht vom Erben selbst, sondern von einem Notar aufgenommen wird. Die mit der Sache befasste Notarin hatte so ein Verzeichnis zwar erstellt, die Pflichtteilsberechtigte sah aber ihr Recht auf Hinzuziehung verletzt. Dieses Hinzuziehungsrecht ergibt sich ebenfalls direkt aus § 2314 BGB. Was es konkret bedeutet, ist aber umstritten.

Gegenüber dem OLG München, bei dem der Fall letztlich landete, bemängelte die Enterbte, sie sei zwar im Notariat gewesen, dort habe aber nur ein informatorisches Gespräch stattgefunden. Auch sei das Verzeichnis unübersichtlich, da es mehrere Nachträge enthielt. Außerdem habe die Notarin keine eigenen Ermittlungstätigkeiten entfaltet und den Zeitpunkt von Schenkungen nicht ermittelt.

Was zur Hinzuziehung gehört - und was nicht

Das OLG München bremste die Pflichtteilsberechtigte jedoch im Wesentlichen aus, indem es die notariellen Pflichten hinsichtlich des Nachlassverzeichnisses und der Hinzuziehung von Pflichtteilsberechtigten eher zurückhaltend sah: 

Das Gericht sieht bereits kein physisches Anwesenheitsrecht des Pflichtteilsberechtigten bei der notariellen Tätigkeit. Es gebe auch weder einen Beurkundungstermin noch eine Verlesung, da das notarielle Nachlassverzeichnis lediglich eine Tatsachenbescheinigung über die Ermittlungen und Wahrnehmungen des Notars gemäß § 36 BeurkG sei, die durch Errichtung einer öffentlichen Zeugnisurkunde über vom Notar festgestellten Tatsachen errichtet werde. 

Auch gebe es - so das OLG München - kein Anwesenheitsrecht bei einzelnen sonstigen Ermittlungshandlungen und auch weder ein Mitwirkungsrecht noch ein Einsichtsrecht in Unterlagen. Belege seien im Übrigen zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs gemäß § 2314 BGB gar nicht vorzulegen. 

Die Grenzen der Auskunftspflicht

Am Ende musste sich die enterbte Angehörige also mit dem begnügen, was sie von der Notarin bereits bekommen hatte. Entsprechend bekam sie auch keine neuen Erkenntnisse über etwaige Schenkungen des Erblassers, die gegebenenfalls Pflichtteilsergänzungsansprüche begründen könnten. Die von der Notarin festgestellten Überweisungen und die von der Erbin diesbezüglich abgegebenen Erklärungen waren für das Gericht ausreichend.

Der Fall steht beispielhaft für eine Reihe von Konstellationen, in denen Pflichtteilsberechtigte am Ende des Auskunftsprozesses nicht die gewünschten bzw. erwarteten Informationen erhalten und sich auf rechtlicher Ebene die Zähne ausbeißen. Die bloße Einschaltung eines Notars garantiert jedenfalls noch kein perfektes Nachlassverzeichnis für den Pflichtteil. Ähnliches gilt auch für die eidesstattliche Versicherung, die Enterbte unter Umständen von Erben verlangen können, um ein sorgfältig erstelltes Verzeichnis zu bekommen. Sind Schmuck, Bargeld etc. in der Wahrnehmung der Erben erst mal verschwunden, bringen sie meist weder ein Notar noch eine eidesstattliche Versicherung wieder zum Vorschein. 

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Rechtsanwalt Bernfried Rose erklärt die wichtigsten Spielregeln rund um das Nachlassverzeichnis im Erbrecht.