Pflichtteil entziehen wegen Tötungsabsicht?
Was "nach dem Leben trachten" bedeutet
Wer nahe Angehörige enterbt, will sie häufig auch vom Pflichtteil ausschließen. Die Hürden für eine Pflichtteilsentziehung sind aber hoch.
Auch nahe Angehörige können durch ein Testament enterbt werden. Pflichtteilsberechtigte Personen können in diesem Fall jedoch von den testamentarischen Erben die Auszahlung des Pflichtteils fordern. Nur unter sehr strengen Voraussetzungen kann auch dieser Pflichtteil entzogen werden - u.a. wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser “nach dem Leben trachtet” (§ 2333 Absatz 1 Nr. 1 BGB). Was genau darunter zu verstehen ist, musste im letzten Jahr das Landgericht München entscheiden (LG München I, Urteil vom 19. Juni 2024 - 3 O 3026/24).
Mann enterbt Vater und setzt Lebensgefährten als Alleinerben ein
In dem Fall war ein Erblasser in München verstorben, der weder verheiratet war, noch Kinder hatte. Da auch die Mutter bereits verstorben war, war der Vater gesetzlicher Alleinerbe. Dieser wurde jedoch durch ein handschriftliches Testament vom 9. März 2022 enterbt. In der letztwilligen Verfügung hieß es wörtlich:
“Meinen Vater enterbe ich, da wir uns in einem unüberwindbaren Zustand befinden. Er trachtet mir sogar nach dem Leben: O.-Ton: ”du sollst verrecken, oder ich mache es!" Wegen meiner Homosexualität."
Einige Wochen später, im Juli 2022 gratulierte der Sohn seinem Vater per WhatsApp zum Geburtstag und teilte ihm mit, dass er einen Schlaganfall erlitten hatte und sich nach der Reha melden würde. Nachdem der Sohn verstorben war, machte der Vater Pflichtteilsansprüche gegen den allein erbenden Lebensgefährten geltend. Dabei kam es zum Streit darüber, ob der verstorbene Sohn den Pflichtteil des Vaters wirksam entzogen hatte.
Bloße Äußerung der Tötungsabsicht reicht nicht für die Entziehung des Pflichtteils
Der Fall landete schließlich beim Landgericht München. Dieses verneinte eine wirksame Entziehung des Pflichtteils, da ein “nach dem Leben trachten” im Sinne des Gesetzes nicht vorliege, selbst, wenn man unterstelle, der Vater habe die im Testament aufgeführten Äußerungen tatsächlich getätigt.
“Nach dem Leben trachten”, so das Gericht erfodere eine Betätigung des ernstlichen Willens, den Tod herbeizuführen. Es komme nicht darauf an, dass der Erblasser sich bedroht gefühlt habe. Der Begriff erfordere auch nicht ein mit gewisser Beharrlichkeit versehenes Handeln. Auch durch bloßes Unterlassen könne “nach dem Leben getrachtet” werden, falls eine Garantenstellung bestehe. Mitwirken als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe genüge ebenso wie eine straflose Vorbereitungshandlung oder ein untauglicher Versuch, wenn nur eine ernsthafte Tötungsabsicht vorhanden sei.
Aber: Bloße mündliche Äußerungen, so das LG München, etwa in Form von Bedrohungen, stellen noch keine Lebensnachstellung im Sinne des § 2333 Absatz 1 Nr. 1 BGB dar. Nicht ausreichend sei daher, dass der Pflichtteilsberechtigte die Tötung nur ankündige oder damit drohe, ohne diese dann tatsächlich zu erstreben, oder den Tod des Erblassers lediglich herbeiwünsche.
§ 2333 BGB | Entziehung des Pflichtteils
(1) Der Erblasser kann einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling
1. dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person nach dem Leben trachtet,
2. sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der in Nummer 1 bezeichneten Personen schuldig macht,
3. die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt oder
4. wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend für die Entziehung des Eltern- oder Ehegattenpflichtteils.
Zitat im Testament ist lediglich eine Drohung
Die im Testament geschilderte Aussage des Vaters “du sollst verrecken, oder ich mache es” genügt nach diesen Grundsätzen des Gerichts nicht für eine wirksame Pflichteilsentziehung. Es handele sich hierbei allenfalls um eine Drohung. Dass der Vater das tatsächlich auch erstrebt hat, konnte der Erbe nicht nachweisen.
Der Fall zeigt, wie hoch die Hürden für eine Entziehung des Pflichtteils sind. Wer nahe Angehörige tatsächlich vollständig vom Nachlass ausschließen will und meint, dafür gute Gründe zu haben, die auch noch im § 2333 BGB aufgeführt sind, sollte Fehlverhalten des Pflichtteilsberechtigten genau dokumentieren und präzise im Testament festhalten.
Video: Pflichtteil reduzieren oder entziehen
Rechtsanwalt Bernfried Rose erklärt in diesem Video, wie man den Pflichtteil von enterbten Personen bestmöglich reduziert oder ihn sogar vollständig entziehen kann.