Vorstand AG - Abberufung, Amtsniederlegung und Kündigung

Absetzen, kündigen, ausscheiden und Rücktritt des Vorstands bei der Aktiengesellschaft

Das Ausscheiden eines Mitglieds des Vorstandes aus einer AG ist weitaus komplexer als das Ausscheiden eines Geschäftsführers einer GmbH. Zum einen ist das Aktienrecht viel formeller und der Vorstandsvertrag folgen in vielen Belangen eigenen Regeln. Oft sind auch streitige Auseinandersetzungen zischen Vorstandsmitgliedern, Aufsichtsrat und Großaktionären oder auch eine mögliche Haftung des betreffenden Vorstandes Anlass für die Trennung.

Alles Wichtige zur Beendigung des Vorstandsamts und zur Kündigung des Vorstandsvertrages lesen Sie nachfolgend.

Expertise und Leistungen unserer Anwälte und Fachanwälte

Unser hoch qualifiziertes Team von Fachanwälten für Gesellschaftsrecht an unseren Standorten in Hamburg, Berlin, München, Frankfurt und Köln berät Sie zu allen Fragen rund um das Ausscheiden des Vorstandes.

  • Strategische Beratung im Vorfeld des Ausscheidens des Vorstandes
  • Vorbereitung von Beschlüssen von Aufsichtsrat zu Abberufung, Kündigung und etwaigen Haftungsklagen 
  • außergerichtliche / gerichtliche Vertretung von AG, Aufsichtsrat und Vorständen beim Streit über Abberufung und Kündigung
  • Verhandlung von Aufhebungsvereinbarungen zwischen AG und Vorstand

Als eine von wenigen Kanzleien verfügen wir über langjährige Erfahrungen in der aktienrechtlichen Beratung - sowohl bei börsennotierten Aktiengesellschaften (MDAX, SDAX) als auch bei nicht börsennotierten AG.

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1. Vorstandsamt und Vorstandsvertrag

Beim Ausscheiden aus dem Vorstand sind in rechtlicher Sicht das Zusammenspiel und die Wechselwirkungen der Ebenen Vorstandsamt und Vorstandsvertrag zu beachten und zu managen.

Vielfach unbekannt ist, dass das Vorstandsamt und der Vorstandsvertrag zwei Seiten einer Medaille sind. Dem entsprechend sind auch die Beendigung des Vorstandesamtes und die Beendigung des Vorstandsvertrages zwei Seiten einer Medaille, die getrennten Regelungen folgen. Ein Grund für die Beendigung des Vorstandsamtes ist nicht zwingend ein Grund für die Beendigung des Vorstandsvertrages.

2. Beendigung von Vorstandsamt und Vorstandsvertrag

Das Vorstandsamt endet durch

  • Amtsniederlegung durch den Vorstand ("Rücktritt")
  • Widerruf der Bestellung durch die AG ("Abberufung", "Absetzung")
  • Zeitablauf (Ende der Zeit, für die der Vorstand bestellt wurde)

Der Vorstandsvertrag endet durch

  • Kündigung
  • einvernehmliche Aufhebung
  • Zeitablauf (Ende der Zeit, für die Vertrag geschlossen wurde)

3. Zuständigkeit des Aufsichtsrates für Abberufung und Kündigung

Wer kann den Vorstand einer AG absetzen, abberufen und kündigen? Zuständig und kompetent für die Abberufung des Vorstandes ist allein der Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat bestellt den Vorstand; er beruft ihn ab. Der Aufsichtsrat schließt für die AG den Anstellungsvertrag mit dem Vorstand; er kündigt auch den Vertrag.

Hieraus folgt, dass die Hauptversammlung den Vorstand nicht abwählen kann. Sie kann lediglich dem Vorstand das Vertrauen entziehen und damit eine Abberufung ("Absetzung") mittelbar erreichen bzw. anstoßen.

Wichtig zu wissen ist, dass über die Abberufung des Vorstandes der Aufsichtsrat als sogenanntes Gesamtorgan entscheiden muss. Insofern bedarf die Abberufung des Vorstandes eines Beschlusses des Aufsichtsrates. Dazu gehört eine Beschlussfassung entsprechend den Regelungen des Gesetzes, der Satzung und einer etwaigen Geschäftsordnung des Aufsichtsrates, einschließlich

  • einer förmlichen Einladung,
  • der Beschlussfähigkeit,
  • einer förmlichen Beschlussfassung und
  • einer Mehrheit der Mitglieder des Aufsichtsrates.

Die Praxis zeigt, dass an dieser Stelle und beim Ausspruch der Abberufung gegenüber dem betreffenden Vorstandsmitglied eine Vielzahl von Fehlern gemacht werden.

In größeren Aktiengesellschaften mit einem größeren Aufsichtsrat werden die vorbereitenden Tätigkeiten innerhalb des Aufsichtsrates häufig vom Personalausschuss vorgenommen. Die Entscheidung über Abberufung und Kündigung kann nicht dem Personalausschuss übertragen werden; hierfür ist allein der Gesamtaufsichtsrat (Plenum) zuständig.

4. Abberufung und Widerruf der Bestellung aus wichtigem Grund

In der Praxis wird häufig auch von einem Widerruf der Bestellung gesprochen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Aktiengesetz die Abberufung als Gegensatz zur Bestellung versteht und auch so in § 84 Abs. 4 S. 1 AktG formuliert. Das Aktiengesetz bestimmt zudem, dass die Bestellung zum Vorstandsmitglied nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes widerrufen werden kann. Man spricht daher auch von einer außerordentlichen bzw. fristlosen Abberufung.

§ 84 Abs. 4 Aktiengesetz

"Der Aufsichtsrat kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied und die Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstands widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt."

Für das Mitglied eines Vorstandes bedeutet die Voraussetzung eines wichtigen Grundes für die Abberufung einen gewissen Schutz. Anders als der Geschäftsführer einer GmbH kann das Vorstandsmitglied somit nicht beliebig nach freiem Ermessen abberufen werden.

Für die Aktiengesellschaft führt dies zu einer gewissen Knebelung. Die Trennung von einem unliebsam gewordenen Vorstandsmitglied ist nicht jederzeit und nicht ohne weiteres möglich. Der Aufsichtsrat sollt daher bei der Bestellung des Vorstandes, insbesondere bei der erstmaligen Bestellung, eine kurze Bestellungsdauer ernsthaft in Erwägung ziehen. Die in der Praxis verbreitete Ausschöpfung der Höchstdauer von 5 Jahren durch den Aufsichtsrat erscheint oftmals an der Grenze zur Pflichtwidrigkeit.

Hintergrund der Notwendigkeit eines wichtigen Grundes für die Abberufung ist der Gedanke, dass der Vorstand weitgehend unabhängig von Aufsichtsrat und Aktionären unter eigener Verantwortung - „in Ruhe“ - die Gesellschaft führen und zum Erfolg führen soll können.

Was ein wichtiger Grund für die Abberufung eines Mitglieds des Vorstandes ist, bestimmt das Gesetz in sehr allgemeiner Form. So soll eine grobe Pflichtverletzung, die Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung einen wichtigen Grund für eine Abberufung des Vorstandes darstellen.

4.1. Wichtiger Grund für Abberufung - grobe Pflichtverletzung

Wann eine grobe Pflichtverletzung oder eine Unfähigkeit zur Führung des Vorstandsamtes vorliegt, ist immer im Einzelfall zu bestimmen. Die Gerichte haben eine grobe Pflichtverletzung - die eine Abberufung rechtfertigt - beispielsweise in folgenden Fällen angenommen:

  • dringender Verdacht einer Straftat, u.a. Untreue zu Lasten der AG  (auch im privaten Umfeld)
  • Manipulation von Bilanzen,
  • keine Einrichtung eines Risikofrüherkennungssystems,
  • Bestechung (Bestechlichkeit), Korruption
  • Schädigung der AG durch außerdienstliches Verhaltens
  • Nichtbeachtung von Zustimmungsvorbehalten, die der Aufsichtsrat aufgestellt hat

4.2. Wichtiger Grund für Abberufung - Unfähigkeit zur Geschäftsführung

Auch die Unfähigkeit eines Vorstandsmitglieds zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung kann ein wichtiger für die (fristlose) Abberufung sein. Ob ein Vorstand unfähig ist oder unfähig geworden ist, ist anhand der konkreten Umstände zu beurteilen. Beispiele aus der Praxis sind eher selten; genannt werden können folgende:

  • fehlende Fachkenntnis
  • persönliche Unzuverlässigkeit im Sinne des Gewerberechts
  • lang andauernde Krankheit
  • Alkoholsucht/-abhängigkeit, Drogensucht/-abhängigkeit

Inwiefern (streitige) Auseinandersetzungen / Streit zwischen Vorstandsmitgliedern zu einer Unfähigkeit der Geschäftsführung führt und damit eine Abberufung eines der Vorstände möglicherweise rechtfertigt, ist fraglich. In entsprechenden Situationen bedarf es entsprechender Expertise, insbesondere in taktischer Hinsicht.

4.3. Wichtiger Grund für Abberufung - Vertrauensentzug durch Hauptversammlung

Grundsätzlich stellt auch der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung einen Grund für einen Widerruf der Bestellung dar, sofern der Entzug nicht aus offensichtlich unsachlichen Gründen erfolgt.

Sachlich ist der Vertrauensentzug jedenfalls dann, wenn zwischen der Hauptversammlung und dem betreffenden Vorstandsmitglied gänzlich unterschiedliche Auffassungen über die zukünftige Unternehmensausrichtung bestehen. Sachlichkeit ist selbst dann gegeben, wenn dem Vorstandsmitglied subjektiv kein Vorwurf zu machen ist oder er sogar objektiv im Recht ist.

Für den Vertrauensentzug erforderlich ist ein Beschluss der Hauptversammlung, der keiner Begründung bedarf. Nach Auffassung der Gerichte soll die Verweigerung der Entlastung mit einem Vertrauensentzug nicht gleichzustellen sein, so dass hiernach die Verweigerung der Entlastung allein nicht als Grundlage für die Abberufung eines Vorstandes herangezogen werden kann.

Entlastung des Vorstandes der AG

Was bedeutet Entlastung des Vorstandes? Was ist Gesamtentlastung? Welche Folgen hat die (Nicht-)Entlastung? Diese und weitere Fragen beantworten wir Ihnen auf unserem Kanal.

4.4. Keine ordentliche (normale) Abberufung des Vorstandes

Die vorgehenden Ausführungen haben gezeigt, dass es nur eine Abberufung aus wichtigem Grund, d.h. eine außerordentliche, fristlose Abberufung gibt. Eine ordentliche, d.h. grundlose Abberufung ist unzulässig und unwirksam.

5. Amtsniederlegung, Rücktritt des Vorstandes

Grundsätzlich zulässig ist auch, dass das Vorstandsmitglied durch einseitige Erklärung sein Amt selbst niederlegt.

Für die Erklärung der Amtsniederlegung gibt es kein einheitliches Muster, keine Musterformulierung. Wesentlich ist im Grundsatz, dass der Vorstand gegenüber dem Aufsichtsrat eindeutig zum Ausdruck bringt, dass (a) er sein Amt beendet und (b) zu welchem Zeitpunkt er dies tut.

Mit der Amtsniederlegung verliert das betreffende Vorstandsmitglied die Möglichkeit, als Vorstand der AG zu handeln. In der Amtsniederlegung wird daher häufig zugleich eine Verletzung des Vorstandsvertrages, der ja die Verpflichtung zur Erbringung der Vorstandstätigkeit enthält, liegen. Das Ob und das Wann einer Amtsniederlegung sollten daher gut überlegt sein. Dies auch deshalb, weil rechtlich umstritten ist, ob eine solche einseitige Erklärung zur Amtsniederlegung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig ist.

In der Praxis ist diese Frage zumeist von geringerer Relevanz, da nach wohl unstrittiger Auffassung die Amtsniederlegung aus Gründen der Rechtssicherheit vorläufig wirksam ist und auch die Gesellschaft zumeist kein Interesse an der Tätigkeit eines Vorstandsmitgliedes hat, das sein Amt niedergelegt hat. Aus Sicht des betreffenden Vorstandsmitgliedes ist zur Vermeidung von Folgerungen, insbesondere Schadensersatzforderungen, zu erwägen, neben der Amtsniederlegung auch die (außerordentliche) Kündigung des Vorstandsvertrages zu erklären.

Häufig verwendetes Musterschreiben zur Amstniederlegung

"Hiermit lege ich mit sofortiger Wirkung mein Amt als Mitglied des Vorstandes nieder."

6. Kündigung des Vorstandes, Vorstandsvertrages

Der Vorstand ist neben dem Vorstandsamt gewöhnlich über einen Vorstandsvertrag, manchmal auch als Dienstvertrag, Anstellungsvertrag bezeichnet, mit der AG verbunden. Soll eine Trennung von Vorstand und AG herbeigeführt werden, so bedarf es neben der Beendigung des Vorstandsamtes (durch Abberufung oder Amtsniederlegung, siehe oben) auch der Beendigung des Vorstandsvertrages.

Vorstandsverträge sind üblicherweise für eine bestimmte Zeit befristet und sehen daher auch keine "normale" (ordentliche) Kündigungsmöglichkeit vor. Soll der Vorstandsvertrag vorzeitig beendet werden, bleiben beiden Seiten - Aktiengesellschaft und Vorstandsmitglied - nur zwei Möglichkeiten: außerordentliche, fristlose Kündigung aus wichtigem Grund oder einvernehmliche Aufhebung des Vorstandsvertrages.

Im Zusammenhang mit der Zulässigkeit und den Voraussetzungen der Abberufung bestimmt das Aktiengesetz etwas lapidar: "Für Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag geltend die allgemeinen Regeln.".  Hieraus folgt insbesondere, dass eine Kündigung nur unter den Voraussetzungen des für Dienstverträge allgemein geltenden § 626 BGB zulässig ist.

§ 626 BGB Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

6.1. Außerordentlicher Kündigungsgrund ("wichtiger Grund")

Der von § 626 BGB vorausgesetzte wichtige Grund liegt vor, wenn nach Abwägung der Interessen beider Seiten - der Aktiengesellschaft auf der einen, des Vorstandsmitglieds auf er anderen Seite - die Fortsetzung des Vorstandsvertrages bis zur eigentlichen Beendigung des Vertrages nicht zumutbar ist. Doch wann ist der AG die Fortsetzung konkret unzumutbar? Wann ist dem Vorstand die Fortsetzung des Vertrages konkret unzumutbar?

6.1.1. Außerordentliche Kündigung durch Aktiengesellschaft

Für die Aktiengesellschaft gilt zunächst, dass der Widerruf der Bestellung (d.g. die Abberufung) selbst nicht zur fristlosen Kündigung berechtigt. Eine grobe Pflichtverletzung, die Unfähigkeit zur Geschäftsführung und der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, die den Widerruf begründet haben, begründen nicht automatisch auch eine fristlose Kündigung des Vorstandsvertrages.

Hintergrund hierfür ist die besondere Gewichtung der Folgen der Kündigung auf Seiten des Vorstandsmitgliedes (sofortiger Verlust der Vergütung). Bei der Abberufung hingegen wird dem Interesse der AG, das betreffende Vorstandsmitglied nicht mehr als Geschäftsleiter zu haben, eine hohe Gewichtung gegeben.

In der Praxis wird der Vorwurf einer groben Pflichtverletzung meist als Kündigungsgrund bemüht. Insofern kann an den bekannten Katalog angeknüpft werden, u.a.:

  • Straftaten, Ordnungswidrigkeiten (Untreue, gravierende Datenschutzverstöße)
  • Bilanzmanipulation, Manipulation von Buchführung, Warenlagern
  • Bestechung, Korruption, Schmiergelder
  • verbotener Wettbewerb, Ausnutzen von Geschäftschancen der AG
  • Nichtbeachtung von Zustimmungsvorbehalten, Informationspflichten gegenüber Aufsichtsrat

Vorherige interne Untersuchungen (internal investigations) bereiten hier häufig das Feld für die Erklärung der außerordentlichen Kündigung.

6.1.2. Außerordentliche Kündigung durch Vorstandsmitglied

Für das Vorstandsmitglied kann sich in Einzelfällen ebenfalls ein außerordentliches Kündigungsrecht ergeben. Dies wird vielerorts verschwiegen, ergibt sich jedoch aus der einfachen Überlegung, dass auch die AG Gründe dafür setzen kann, die die Fortführung des Vorstandsvertrages für das betreffende Vorstandsmitglied unzumutbar machen. Dies können Ereignisse in der Gesellschaft sein, aber auch eine Verhalten des Aufsichtsrates, einzelner Mitglieder des Aufsichtsrates und von anderen Mitgliedern des Vorstandes.

6.2. Abmahnung des Vorstandes?!

Die Gerichte erachten eine vorherige Abmahnung des Vorstandes für entbehrlich. Begründung findet dies in dem - im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Arbeitnehmer - fehlenden Schutzbedürfnis eines Vorstandsmitglieds: Ein Vorstand müsse immer seinen Pflichten kennen.

6.3. Kündigungsfrist (2-Wochen-Frist)

Ein besonderes Praxisproblem aus Sicht der Gesellschaft stellt die von § 626 BGB vorgesehene 2-Wochen-Frist für die Erklärung der Kündigung dar.  Nach dieser Vorschrift muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen erfolgen, nachdem der Kündigungsberechtigte Kenntnis von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen erlangt hat.

Kündigungsberechtigter ist der Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit. Hieraus ergeben sich viele Praxisfragen: Beginnt die Frist, wenn ein Mitglied des Aufsichtsrates Kenntnis hat? Was heißt konkret Kenntnis? Reicht ein Verdacht? Wie schnell muss der Aufsichtsrat die Kündigung beschließen? Müssen interne, ggf. lange Fristen für die Einberufung des Aufsichtsrates beachtet werden? Die Fragen können nicht pauschal beantwortet werden; es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an.

7. Klage gegen Kündigung und Abberufung des Vorstandes

Gewöhnlich erfolgen Kündigung und Abberufung des Vorstandes gleichzeitig durch die Aktiengesellschaft. Für den Vorstand stellt sich dann die Frage, was er tun kann, wie er sich mit Hilfe eines Anwalts zur Wehr setzen kann.

Der Vorstand kann gegen seine Abberufung vor den Zivilgerichten (nicht Arbeitsgericht) klagen. Die Klage ist gewöhnlich darauf gerichtet, festzustellen, dass kein wichtiger Grund für die Abberufung vorlag und die Abberufung damit unwirksam ist. Wichtig zu wissen ist, dass die Abberufung nach § 84 Abs. 4 S. 4 AktG bis zur Feststellung der Unwirksamkeit durch das Gericht wirksam ist. In Einzelfällen kommt indes auch eine einstweilige Verfügung des Vorstandes gegen die AG in Betracht.

Daneben zulässig und in der Praxis viel häufiger ist die Klage des Vorstandes gegen die Kündigung seines Anstellungsvertrages. Zu beachten ist, dass der Vorstand sich nicht auf aus dem Arbeitsrecht bekannten gesetzlichen Regelungen und Grundsätze berufen kann. Insbesondere findet der arbeitsrechtliche Kündigungsschutz (Kündigungsschutzgesetz, KSchG) keine Anwendung. Die Klage ist dem entsprechend an die Zivilgerichte zu richten (nicht Arbeitsgericht, § 5 ArbGG). Ziel der Klage gegen die Kündigung des Vorstandsvertrages ist gewöhnlich zweierlei: (1) Feststellung, dass Vorstandsvertrag nicht gekündigt wurde, d.h. fortbesteht und (2) Fortzahlung des Gehalts (Vorstandsvergütung).

Die Erfahrungen unserer Anwälte und Fachanwälte für Gesellschaftsrechtzeigen, dass im Streit um Abberufung und Kündigung des Vorstandes ein strategisches Vorgehen - egal von welcher Seite - und die Feinheiten des Aktienrechts oftmals entscheidend sind.

 

8. Begleiterscheinung: Klage auf Schadensersatz

Die Erfahrung zeigt, dass Abberufung und Kündigung des Vorstandes in vielen Fällen von dem Vorwurf begleitet sind, der Vorstand habe seine Pflichten verletzt und er hafte für den Schaden (mit seinem Privatvermögen). Dies beruht darauf, dass häufiger Grund für Abberufung und Kündigung schwerwiegende Pflichtverletzungen sind.

Führen diese Pflichtverletzungen des Vorstandes zu einem Schaden, ist der Aufsichtsrat grundsätzlich gehalten, diesen Schaden im Wege der Klage gegen den Vorstand geltend zu machen.

Haftung des AG-Vorstandes Alles Wichtige zur Haftung des Vorstandes einer AG - Voraussetzungen, Durchsetzung, Abwehr, Verjährung und vieles mehr.

9. Kopplungsklauseln

Anstellungsverträge von Vorständen enthalten oftmals Klausel, die die Kündigung mit der Abberufung verbinden. Man spricht hier von Kopplungsklauseln oder Gleichlaufklauseln, die im Fall einer Abberufung automatisch zu einer Beendigung des Vorstandsvertrages führen sollen. Die Erklärung der Kündigung soll damit entbehrlich sein.

Derartige Klauseln sehen vor, dass die Erklärung der Abberufung zugleich die Erklärung der Kündigung ist. Oder sie sehen vor, dass das Fortbestehen des Vorstandsvertrages vom Fortbestehen des Vorstandsamtes abhängt (sogenannte auflösende Bedingung).

Wichtig zu wissen ist, dass solche Kopplungsklauseln bzw. Gleichlaufklauseln rechtlich umstritten sind und deren Wirksamkeit daher unsicher ist. Vielerorts wird zur Wirksamkeit derartiger Klauseln pauschal auf gerichtliche Entscheidungen für den GmbH-Geschäftsführer verwiesen. Ob dieser Verweis aber immer zutreffend ist, wird indes in Frage gestellt. Dies auch deshalb, weil ein Abberufungsgrund nicht zwingend ein Kündigungsgrund ist.

Nicht zu vergessen ist, dass Kopplungsklauseln unter dem Gesichtspunkt des AGB-Rechts unwirksam sein können. Auch Vorstandsverträge unterliegen grundsätzlich dem AGB-Recht und damit verbundenen Schutznormen zu Lasten des Verwenders (hier der AG). Dies gilt es für beide Seiten zu beachten.

10. Einvernehmliches Ausscheiden, Aufhebungsvertrag

Die Tätigkeit als Vorstand kann auch durch eine einverständliche Vereinbarung zwischen der Aktiengesellschaft und dem Vorstandsmitglied beendet werden. Eines wichtigen Grundes bedarf diese nicht. Die AG wird bei dieser Vereinbarung vom Aufsichtsrat vertreten, der zuvor durch Beschluss zu entscheiden hat (siehe oben).

Parallel hierzu kommt es in der Praxis meist zum Abschluss einer inhaltlich umfangreichen Aufhebungsvereinbarung ("Aufhebungsvertrag"), in welcher alle regelungsbedürftigen Punkte zur Auflösung des Vorstandsvertrages niederlegt werden. Zu beachten sind diesem Zusammenhang eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen.

Dem Aufsichtsrat, der für die entsprechenden Aufhebungsvereinbarungen zuständig ist, ist geraten, größte Sorgfalt an dieser Stelle walten zu lassen. Dies betrifft nicht nur Zahlungen bei Beendigung des Vorstandsvertrages (Abfindung), die schnell den Tatbestand der Untreue nach dem Strafgesetzbuch begründen. Betroffen sind auch Fragen des Verzichts auf Schadensersatzansprüche und eine Reihe weiterer Regelungskomplexe. Auch dem Vorstand ist geraten, der Aufhebungsvereinbarung größten Stellenwert einzuräumen - einmal geschlossen, gibt es nichts mehr zu ändern.

11. Abberufung und Kündigung bei börsennotierter AG

Für die Abberufung und Kündigung von Mitgliedern des Vorstandes börsennotierter Aktiengesellschaften gelten grundsätzlich keine Besonderheiten. Die vorgenannten Voraussetzungen - u.a. wichtiger Grund für Abberufung, § 626 BGB, wichtiger Grund für Kündigung des Vorstandsvertrages - geltend für den Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft entsprechend.

Börsennotierte Aktiengesellschaften haben im Zusammenhang mit der Beendigung des Vorstandsamtes indes die einschlägigen kapitalmarktrechtlichen Sonderregeln, insbesondere die besonders geltenden Publizitätspflichten (u.a. ad-hoc-Meldungen) zu beachten.

Besondere Regeln für die Vertragsbeendigung sieht auch der Deutschen Corporate Governance Kodes vor. So enthält der DCGK Bestimmungen für Leistungen an den Vorstand bei Vertragsbeendigung (Abfindung, Golden Handshake, Golden Parachute).

HINWEIS: Wir verfügen als eine von wenigen Kanzleien über Erfahrungen bei der Beendigung von Vorstandsverträgen bei börsennotierten Aktiengesellschaften (u.a. auch MDAX, SDAX).

12. Mutterschutz, Elternzeit, Pflege und Krankheit (Mandatspause Vorstand)

Das Aktiengesetz sieht in § 84 Abs. 3 AktG vor, dass ein Mitglied eines Vorstands, der aus mehreren Personen besteht, den Aufsichtsrat um den Widerruf seiner Bestellung ersuchen kann, wenn es wegen Mutterschutz, Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder Krankheit seinen mit der Bestellung verbundenen Pflichten zumindest vorübergehend nicht nachkommen kann (Regelung eingeführt durch Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst vom 7.8.2021, „FüPoG II“ - #Stayonboard).

Es handelt sich, vereinfacht gesprochen, insofern um einen (bedingten) Anspruch des Vorstandes auf Abberufung, verbunden mit einem Anspruch auf Wiederbestellung als Vorstand.

Im Fall des Mutterschutzes ist der Aufsichtsrat verpflichtet, dem Wunsch des Vorstandsmitglieds zu entsprechen und gleichzeitig dem Vorstandsmitglied die Wiederbestellung nach Ablauf der Schutzfristen des Mutterschutzgesetzes zu sichern.

Im Fall von Elternzeit, Pflege und Krankheit ist der Aufsichtsrat nicht zum Widerruf der Bestellung verpflichtet, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Verlangt das Vorstandsmitglied eine „Pause“ von mehr als 3 Monaten, kann der Aufsichtsrat das Verlangen des Vorstandes ohne wichtigen Grund zurückweisen; ein entsprechender Anspruch des Vorstandes auf Widerruf der Bestellung besteht dann nicht.

Die wesentlichen Folgen des Widerrufs der Bestellung sind wie folgt:

  • Entbindung von Pflichten als Vorstand
  • Fortgeltung des Wettbewerbsverbotes  (§ 88 AktG)
  • Haftungsreduzierung aus Sicht des Vorstandes
  • Anmeldepflicht zum Handelsregister
  • keine Verlängerung der Bestellungsdauer um "Mandatspause"
  • börsennotierte AG: Publizitätspflichten
  • Ende des Vorstandsvertrages bei Kopplungsklausel

Rechtlich unsicher ist, inwiefern AG und Vorstand für die Zeit der "Mandatspause" - d.h. für die Zeit zwischen vorläufiger Abberufung und Wiederbestellung - vertragliche Regelungen treffen können und welche Folgen diese unter anderem für die Haftung des Vorstandes haben.

FAQ - Abberufung und Kündigung des Vorstandes

Mit einem Klick finden Sie die Antwort auf die wichtigsten Fragen zur Beendigung von Vorstandsamt und Vorstandsvertrag

Kann die Hauptversammlung den Vorstand absetzen?

Nein. Die Hauptversammlung kann allerdings dem Vorstand bzw. einzelnen Vorstandsmitgliedern das Vertrauen entziehen. Dieser Vertrauensentzug ist ein wichtiger Grund für die "Absetzung" des Vorstandes durch den Aufsichtsrat.

Wer kann den Vorstand absetzen bzw. abberufen?

Der Aufsichtsrat ist für die Abberufung (Widerruf der Bestellung) des Vorstandes verantwortlich. Dies kann in der Satzung der AG und anderswo nicht anders geregelt werden.

Was bedeutet Abberufung oder Widerruf der Bestellung des Vorstandes?

Abberufung und Widerruf der Bestellung beenden das Amt als Mitglied des Vorstandes. Die Begriffe können synonym verwendet werden. Entsprechendes gilt für den '"untechnischen" Begriff Absetzung.

Kann der Vorstand einer AG jederzeit abberufen werden?

Nein. Die Abberufung des Vorstandes setzt einen wichtigen Grund voraus.

Kann der Vorstand einer AG sein Amt niederlegen bzw. "zurücktreten"?

Ja. Zu beachten ist, dass (a) manche Stimmen einen wichtigen Grund für die Amtsniederlegung fordern und (b) die Amtsniederlegung eine Verletzung des Vorstandsvertrags bedeuten kann.

Kann der Vorstandsvertrag fristlos gekündigt werden?

Ja, unter den Voraussetzungen von § 626 BGB.

Was ist eine Kopplungsklausel?

Eine Kopplungsklausel dient dazu, einen Gleichlauf von Abberufung und Ende (Kündigung) des Vorstandsvertrages herbeizuführen.

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