Aufsichtsratssitzung – Wer darf teilnehmen?
Sachverständige, Rechtsanwälte und sonstige Dritte
Vom Aufsichtsrat wird eine immer effektivere Kontrolle des Vorstandes erwartet. Externe Expertise ist da gefragt. Doch dürfen externe Experten oder andere Personen an den Sitzungen des Aufsichtsrates einfach teilnehmen?
Die Hauptaufgabe des Aufsichtsrates hat sich im Laufe der Zeit im Grundsatz nicht geändert. Die maßgebliche Regelung im Aktiengesetz, § 111 Absatz 1 AktG, bestimmt als grundsätzliche Aufgabe des Aufsichtsrates seit fast 100 Jahren immer noch schlicht und klar:
„Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen.“
Geändert haben sich womöglich aber die inhaltlichen Anforderungen. Wobei „geändert“ am besten zu übersetzen ist mit „stark erhöht“. Warum?
Aufsichtsrat und die Notwendigkeit externer Experten
Nun, die immer weiter um sich greifende Regulierung seitens des Gesetzgebers – manche sprechen auch von Regulierungswut – lässt die Welt der Geschäftsführung immer komplexer werden. Primär ist hiervon der Vorstand als geschäftsführendes Organ betroffen. Doch wenn der Aufsichtsrat seine Aufgabe, den Vorstand zu überwachen, ernst nimmt, dann sollten zumindest der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK), das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und natürlich die Steuergesetze zur Gute-Nacht-Lektüre aller deutschen Aufsichtsräte gehören. Auch die mittlerweile am Fließband produzierten Gesetzesänderungen sollte der gute Aufsichtsrat stets und ständig kennen.
Spaß zur Seite (zumindest ein bisschen).
Der Aufsichtsrat kann zumindest heute nicht mehr alle Fragestellungen eigenständig klären. Er kann auch allein nicht mehr alle Risiken einschätzen. Auch der noch so vielfältig mit unterschiedlichen Professionen besetzte Aufsichtsrat kann dies nicht. Aufsichtsräte sind schlichtweg auf externe Experten angewiesen. Insbesondere bei Sitzungen des Aufsichtsrates und bei Sitzungen von Ausschüssen des Aufsichtsrates bedarf es der Expertise Dritter, um den Aufgaben sachgerecht zu entsprechen. Verbunden ist damit letztlich die persönliche Haftung des Aufsichtsrates mit dem Privatvermögen.
Vertraulichkeit und Einflussnahme in Aufsichtsratssitzungen
Die Einbindung externer „Experten“, insbesondere in Aufsichtsratssitzungen, birgt jedoch auch Risiken. Je nach Verständnis sind Experten ja nicht nur Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, die von Berufswegen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Es braucht nicht viel Fantasie, auch Vertreter von Mehrheitsaktionären, Gewerkschaften, Kommunen, Landesregierungen, Bundesregierungen und NGOs als „Experten“ zu deklarieren. Werden all diese Experten, egal welcher Profession, in die Aufsichtsratsarbeit, konkret in Aufsichtsratssitzungen und Ausschusssitzungen, eingebunden, besteht unweigerlich die Gefahr, dass Unternehmensinterna nach Außen sickern und auch Einfluss auf die Unternehmensgeschicke genommen wird.
Der Gesetzgeber hat diese Gefahren offensichtlich gesehen und hat in § 109 Absatz 1 Satz 1 AktG folgenden Grundsatz statuiert:
„An den Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse sollen Personen, die weder dem Aufsichtsrat noch dem Vorstand angehören, nicht teilnehmen.“
Offensichtlich war bzw. ist der Gesetzgeber der Auffassung, dass nur grundsätzlich solchen Personen, die (zivilrechtlich) Verantwortung tragen und haftbar gemacht werden können, Einfluss auf die Unternehmensgeschicke eingeräumt werden soll.
Wer darf an Sitzungen des Aufsichtsrates teilnehmen? Sachverständige?
Es versteht sich von selbst, dass dieser Grundsatz aufzubrechen ist, wenn das notwendige Wissen, die notwendige Kenntnis innerhalb des Aufsichtsrates nicht vorhanden ist.
So entspricht es dem Gesetz, dass Sachverständige und Auskunftspersonen (Sachkundige) zur Beratung über einzelne (!) Gegenstände zugezogen werden können. Die Begriffe Sachverständige und Auskunftspersonen (Sachkundige) werden von der Mehrheit weit verstanden. In der Praxis werden häufig Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater und sonstige Personen, die in einem Gebiet über besondere Fachkunde verfügen, zu Aufsichtsratssitzungen hinzugezogen. Nicht ganz einfach ist das Thema der „Vernehmung“ von angestellten Mitarbeitern der AG (Stichwort: interne Untersuchungen, internal investigations).
Angesichts der vorgehend beschriebenen Risiken hat der Aufsichtsrat in jedem Einzelfall zu „prüfen“, ob die Teilnahme der externen Experten tatsächlich erforderlich ist. Hinzukommt, dass die Hinzuziehung externer Experten einen unter Umständen nicht unerheblichen finanziellen Aufwand für die AG bedeutet. Die Vertraulichkeit gebietet es wohl, dass externe Experten – sollten sie von Berufswegen nicht schon zur Verschwiegenheit verpflichtet sein – eine Vertraulichkeitsvereinbarung (NDA = non disclosure agreement) unterschreiben.
Hilfspersonen, Protokollführer, Aufsichtsratsassistent
Nach allgemeiner Auffassung können – sofern erforderlich – Personen die Arbeit des Aufsichtsrates organisatorisch und/oder technisch unterstützen. Beispielhaft zu nennen sind hier:
- Protokollführer
- Dolmetscher / Übersetzer
- technisches Personal
- sonstiges unterstützendes Personal
- Mitglieder des Aufsichtsratsbüros
Gemeinsam ist diesen Personen, dass sie kein Rederecht, kein Auskunftsrecht und auch kein Stimmrecht haben.
Insbesondere in größeren Gesellschaften tritt zudem zunehmend der sogenannte Aufsichtsratsassistent in den Fokus. Anlehnend an Regelungen anderer Rechtsordnungen (Schweiz, Niederlande, England) hat der Aufsichtsratsassistent (company secretary) unter anderem die Aufgabe, den Vorsitzenden des Aufsichtsrates bei der Organisation der Angelegenheiten des Aufsichtsrates, einschließlich der Bereitstellung von Informationen, Tagesordnungen, Bewertungen und Schulungen Programm, zu unterstützen.
Wer entscheidet über Teilnahmerechte? Aufsichtsrat oder Aufsichtsratsvorsitzender?
Neben den vorgenannten Fragen stellt sich in der Praxis zudem die Frage, wer über das Teilnahmerecht externer Dritter entscheiden darf. Die Mehrheit sieht die Kompetenz für die Entscheidung über das Teilnahmerecht allein beim Vorsitzenden des Aufsichtsrates. Ob dies in letzter Konsequenz richtig ist oder der Aufsichtsrat als Gesamtgremium durch Beschluss entscheidet, steht jedenfalls zumindest nicht im Gesetz und auch die Gerichte haben sich bislang noch keine klare Meinung gebildet.
Praxistipp für den Aufsichtsrat: Augen auf bei Einladung zur Aufsichtsratssitzung
Dem Aufsichtsrat und insbesondere dem Aufsichtsratsvorsitzenden ist geraten, bereits bei der Einladung dritter Personen zu Aufsichtsratssitzungen Vorsicht walten zu lassen. Stets sind die Themen Vertraulichkeit, mögliche (unsachgemäße) Einflussnahme und Erforderlichkeit mitzubedenken. Nur dann kann der Aufsichtsrat seine Aufgaben sachgemäß erledigen und eine persönliche Haftung vermeiden.