SE - Europäische Aktiengesellschaft (AG)

Leitfaden zur SE vom Fachanwalt für Gesellschaftsrecht

Die SE (lateinisch: Societas Europaea) ist eine Aktiengesellschaft europäischen Rechts, die mit der deutschen Aktiengesellschaft vergleichbar ist. Die SE bietet allerdings flexiblere Möglichkeiten, die internen Strukturen des Unternehmens und die Mitbestimmung der Arbeitnehmer zu gestalten. Bemerkenswert ist, dass die Hälfte der europaweit registrierten SEs ihren Sitz in Deutschland haben; darunter viele Familiengesellschaften.

Inhalt

Expertise unserer Anwälte und Steuerberater zur SE

Unser spezialisiertes Team von Anwälten, Fachanwälten und Steuerberatern berät Sie an unseren Standorten in Hamburg, Berlin, München, Frankfurt und Köln zu allen Fragen rund um die SE. Als eine von wenigen Kanzleien verfügen wir über Erfahrung in der SE - Beratung. Besonders stark sind wir bei 

  • Gründung / Umwandlung einer SE
  • Beratung Vorstand/Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat
  • Haftungsfragen und Compliance
  • Besteuerung der SE, v.a.bei Gründung und laufende Betreuung

Für eine unverbindliche Anfrage kontaktieren Sie bitte direkt telefonisch oder per E-Mail einen unserer aktienrechtlichen Ansprechpartner oder nutzen Sie das Kontaktformular am Ende dieser Seite.

Überblick zur SE / europäischen Aktiengesellschaft

Die SE - lateinisch societas europaea - ist eine europaweit anerkannte Rechtsform für aktienrechtlich orientierte Unternehmen. Sie wurde seitens der EU geschaffen, um Gesellschaften eine EU-weite rechtliche Anerkennung zu geben und damit eine schnelle EU-weite Tätigkeit und Expansion zu ermöglichen.

Rechtliche Grundlagen zur SE

Rechtliche Grundlage der SE ist die SE-Verordnung 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-Verordnung)) vom 8. Oktober 2001. Ergänzt wird die SE-Verordnung durch die Richtlinie 2001/86/EG zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer vom 8. Oktober 2001.

Auf deutscher Seite stehen ergänzend das bekannte SEAG (Gesetz über die Ausführung der EG-Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft) und das weniger bekannte SEBG (Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SEBG).

Ergänzend dazu treten die Regelungen des Aktiengesetzes, wie sich aus Art. 9 SE-Verordnung ergibt.

Aufgrund des gesetzlichen Regelungsmechanismus führt des Stufenverhältnis – von der SE-Verordnung über das SEAG bis hinunter zum Aktiengesetz – faktisch zu einer weitgehenden Anwendung des deutschen Aktienrechts für eine SE mit Sitz in Deutschland.

Fact Sheet zur SE / europäischen Aktiengesellschaft (AG)

  • Mindestkapital 120.000 EUR
  • Kapital ist in Aktien zerlegt, entsprechend der deutschen AG
  • Aktien können, müssen aber nicht an der Börse notiert sein (freiwillige Börsennotierung)
  • Sitz in EU
  • zwei Möglichkeiten für Struktur der Geschäftsleitung
    • dualistisches System mit Vorstand und Aufsichtsrat (wie deutsche AG)
    • monistisches System mit Verwaltungsrat (wie anglo-amerikanisches Board-System)
  • keine Mitbestimmung analog deutschem Recht, sondern „Verhandlungssache“
  • 3.400 SE sind europaweit registriert (Stand: 2021)

Wege in die SE - Gründung, Umwandlung SE (europäische AG)

Anders als eine AG kann eine SE / europäische Aktiengesellschaft nur auf folgenden Wegen gegründet bzw. ein Unternehmen in eine europäische AG umgewandelt werden:

  • Zusammenschluss von bestehenden Gesellschaften (Verschmelzung/Fusion),
  • Gründung einer Holding-Gesellschaft / Holding-SE
  • Gründung einer Tochtergesellschaft durch mehrere Gesellschaften / bereits bestehende SE,
  • Umwandlung einer nationalen (deutschen) Aktiengesellschaft in SE
  • Erwerb einer Vorrats-SE und anschließender Downstream-Merger

Hinzutreten muss zwingend ein sogenanntes „grenzüberschreitendes Merkmal“ bzw. eine Mehrstaatlichkeit. Vereinfacht gesprochen: Die beteiligten Gesellschaften müssen einen konkreten (gesellschaftsrechtlichen) Bezug zu einem anderen EU-Mitgliedsstaat haben.   

Vorteile und Nachteile der SE im Vergleich zur AG

Die SE  / europäische Aktiengesellschaft bietet zahlreiche gewichtige Vorteile, die die SE zu einer attraktiven, weil vor allem flexiblen Rechtsform machen:

  • flexible Gestaltung der Leitung der SE (monistisch / dualistisch)
  • kleinere Aufsichtsratsgröße möglich
  • unproblematische Sitzverlegung innerhalb der EU (EU-weite Anerkennung)
  • flexiblere Mitbestimmung der Arbeitnehmer / Arbeitnehmervertreter („Verhandlungslösung“)
  • einheitlicher Rahmen für Mitbestimmung der Arbeitnehmer / Arbeitnehmervertreter

Die Flexibilität der gesetzlichen Regelungen führt dazu, dass die SE auch im Mittelstand und bei Familiengesellschaften auf viel Zustimmung stößt. So wird die SE vielfach auch für Holdingsstrukturen (Holding-SE) oder als Komplementär (persönliche haftender Gesellschafter) eingesetzt (SE & Co. KGaA).

Neben den vielen Vorteilen der SE stehen indes auch einige Nachteile, die sich allerdings schnell benennen lassen:

  • Gründung nur durch juristische Personen („Unternehmen“)
  • Mehrstaatlichkeit der beteiligten Unternehmen bei Gründung
  • höheres Mindestkapital (120.000 anstelle 50.000 EUR)

Leitungssystem und Corporate Governance in der SE

Die Entscheidung über die Wahl des Leitungssystems in der SE – dualistisches oder monistisches System – erfolgt durch die Aktionäre in der Satzung. Die Satzung legt mithin fest, welchem System die SE folgt. Zwischen beiden Systemen können die Aktionäre sowohl bei Gründung der SE als auch später im Rahmen einer Satzungsänderung wählen.

4.1 Vorstand, Aufsichtsrat in der SE – dualistisches System

Das dualistische Leitungssystem der europäischen Aktiengesellschaften (§§ 15 ff. SEAG) ist an das Modell der deutschen Aktiengesellschaft angelehnt. Die Regelungen des Aktiengesetzes finden neben der SE-Verordnung und dem SEAG ergänzend Anwendung.

Die dualistisch strukturierte SE hat einen Vorstand, der selbständig die Geschäfte der SE führt, leitet und die SE nach Außen vertritt. Da der Vorstand einer SE keinen Weisungen unterliegt, hat er eine starke Stellung wie der Vorstand einer AG.

Daneben gibt es den Aufsichtsrat, dem eine Kontroll- und Aufsichtsfunktion hinsichtlich des Vorstandes zukommt. Der Aufsichtsrat ist daher für Bestellung, Abberufung und vertragliche Angelegenheiten des Vorstandes zuständig. Er ist auch für die Durchsetzung einer etwaigen Haftung der Mitglieder des Vorstandes der SE verantwortlich.

Der Aufsichtsrat selbst wird, abgesehen von einer etwaigen Mitbestimmung, von den Aktionären gewählt.

Entscheidet sich eine SE mit Sitz in Deutschland kraft Satzungsregelung für die Einrichtung eines dualistischen Leitungssystems, gelten die Regelungen Art. 39-42, 45-51 SE-VO, ergänzend die (nachrangigen) Regelungen der §§ 15-19 SEAG.

Beispiele für SE mit dualistischem Board - System: Allianz SE, E.ON SE, BASF SE, SAP SE

4.2 Verwaltungsrat in der SE – monistisches System

Alternativ zum dualistischen System erlaubt die SE-Verordnung die Einrichtung einer monistischen Leitungsstruktur. Monistisch deshalb, weil Geschäftsführung und Aufsicht/Kontrolle formal in einem Organ, dem Verwaltungsrat, gebündelt werden. Diese Struktur ist an das anglo-amerikanische bzw. französische Board-Modell angelehnt.

Der Verwaltungsrat bestellt einen oder mehrere geschäftsführende Direktoren. Bedeutsam ist, dass auch Mitglieder des Verwaltungsrats zu geschäftsführenden Direktoren bestellt werden können. Voraussetzung für die Bestellung von Mitgliedern des Verwaltungsrates als Direktoren ist indes, dass die Mehrheit des Verwaltungsrats weiterhin aus nicht geschäftsführenden Mitgliedern besteht.

Die geschäftsführenden Direktoren vertreten die SE nach außen. Anders als der Vorstand einer AG kommt ihnen allerdings keine Leitungsfunktion zu; sie unterliegen auch den Weisungen des Verwaltungsrates. Die geschäftsführenden Direktoren ähneln in ihrer Funktion daher eher dem Geschäftsführer einer GmbH als dem Vorstand einer AG.

Die Mitglieder des Verwaltungsrates selbst werden von den Aktionären gewählt.

Entscheidet sich eine SE mit Sitz in Deutschland kraft Satzungsregelung für die Einrichtung eines monistischen Leitungssystems (§§ 38 SE-VO, 20 SEAG), gelten die Regelungen Art. 43-45, 46-51 SE-VO, ergänzend die (nachrangigen) Regelungen der §§ 20-49 SEAG. Wichtig: Die §§ 76 ff. AktG zum Vorstand einer AG finden keine Anwendung im monistischen System (§ 20 SEAG).

Beispiel für SE mit monistischen Board - System: Deichmann SE

Aktionäre, Hauptversammlung der SE

Die SE-Verordnung enthält nur wenige Regelungen zur Hauptversammlung als Zusammenkunft und Interessenvertretung der Aktionäre (Art. 52-60 SE-VO). In weiten Teilen sind daher die Regelungen des Aktiengesetzes – hier vor allem die §§ 121 ff AktG - anwendbar (Art. 53 SE-VO).

Zu beachten sind in der Praxis indes die kürzeren Fristen für die Abhaltung der ordentlichen Hauptversammlung (innerhalb von 6 Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres) sowie die abweichenden Mehrheitserfordernisse für Satzungsänderungen (Art. 59 SE-VO; keine Kapitalmehrheit, str.)

Mitbestimmung in der SE

Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmervertreter unterscheidet sich bei der SE stark von der Mitbestimmung in der AG (und in der GmbH). So ist eine zwingende Mitbestimmung von Arbeitnehmer im Aufsichtsrat der dualistisch strukturierten SE nicht vorgesehen.

Die Mitbestimmung in der SE ist von zwei Grundprinzipien geleitet:

  • Verhandlung der beteiligten Parteien über die unternehmerische Mitbestimmung,
  • Vorher-Nachher-Prinzip („Einfrieren“ einer bereits vorhandenen Mitbestimmung)

Diese Grundprinzipien führen unter anderem dazu, dass die Mitbestimmung im Einzelfall, insbesondere bei „wachsenden Unternehmen“, im Vergleich zur Mitbestimmung in einer AG aus Sicht der Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmervertreter geringer ausfällt. So kann eine SE, deren „Vorgänger-GmbH“ einen Aufsichtsrat nach dem Drittelbeteiligungsgesetz hatte, trotz Überschreitens der entsprechenden Mitarbeiterzahlen des Mitbestimmungsgesetzes, weiterhin einen nur drittelbeteiligten Aufsichtsrat haben (anstelle eines paritätisch besetzten Aufsichtsrates).

Kritiker sprechen im Zusammenhang mit der SE daher auch oft von einer Flucht (vor der Mitbestimmung) in die SE.

Besteuerung der SE

Die SE ist eine Rechtsform, für die EU-weit im Grundsatz dieselben Regelungen gelten. Für die Besteuerung gelten hingegen stets die Regelungen des Steuerrechts des Sitzstaates der betreffenden SE. Für eine in Deutschland ansässige SE ("inländische SE") gilt mithin das deutsche Steuerrecht.

Bei der Besteuerung ist zwischen der Gründung der SE als Strukturmaßnahme und der laufenden Besteuerung der SE zu unterscheiden:

  • Für die laufende Besteuerung gelten die gleichen Vorschriften wie für andere Kapitalgesellschaften (AG, GmbH). Die SE unterliegt daher ebenso unter anderem der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer. Ausgeschüttete Gewinne unterliegen der Kapitalertragsteuer, wobei wie bei den Aktionären einer AG auch zwischen unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften und unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen zu unterscheiden ist. Es gelten insofern keine Besonderheiten gegenüber einer AG.
  • Für die Gründung der SE gelten spezielle, mitunter komplexe steuerliche Fragen. Dies gilt insbesondere bei bestehenden Verlustvorträgen und vorhandenen stillen Reserven. 

 

FAQ - Europäische Aktiengesellschaft AG (SE)

Was ist eine SE?

Eine SE ist eine Rechtsform nach europäischem Recht. Sie ist vergleichbar mit der Aktiengesellschaft. Man spricht daher auch von der europäischen Aktiengesellschaft (AG).

Was bedeutet SE?

SE ist lateinisch und bedeutet Societas Europaea („europäisches Gesellschaft“). Bei der SE handelt es sich um eine Aktiengesellschaft nach europäischem Recht.

Welche Vorteile hat die SE gegenüber einer AG?

Es gibt zwei wesentliche Vorteile: Zum einen bietet die SE Flexibilität bei der Gestaltung der Leitungsstrukturen (Vorstand/Aufsichtsrat vs. Verwaltungsrat). Zum anderen bietet die SE Flexibilität bei der Mitbestimmung der Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmervertreter.

Wie kann eine SE gegründet werden?

Eine SE kann nur durch eine Verschmelzung zu einer SE, Gründung einer SE-Holding, Gründung einer Tochter-SE oder Umwandlung einer AG gegründet werden.

Was ist eine SE & Co. KGaA?

Eine SE & Co. KGaA ist eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, bei welcher die SE als Komplementär fungiert.

Anwalt, Fachanwalt für SE / europäische Aktiengesellschaft?

Einen Anwalt bzw. einen Fachanwalt für europäisches Aktienrecht gibt es nicht. Gewöhnlich beraten Anwälte, welche sich schwerpunktmäßig mit dem Aktienrecht beschäftigen, zu Belangen der SE.

Rechtsanwälte, Fachanwälte für die Beratung im SE - Recht

Das SE-Recht ist eine Spezialdisziplin des Gesellschaftsrechts. Die Beratung zu Fragen rund um die europäische Aktiengesellschaft erfolgt bei uns durch Fachanwälte für Gesellschaftsrecht und/oder Rechtsanwälte mit einer entsprechenden Spezialisierung. Erste Ansprechpartner sind für Sie:

  • Rechtsanwalt Dr. Ronny Jänig, LL.M. (Fachanwalt für Gesellschaftsrecht, Rechtsanwalt, Berlin),
  • Rechtsanwalt Dr. Jens Nyenhuis, LL.M. (Fachanwalt für Gesellschaftsrecht, Rechtsanwalt, Hamburg),
  • Rechtsanwalt Finn Dethleff (Fachanwalt für Gesellschaftsrecht, Rechtsanwalt, München/Hamburg)
  • Rechtsanwalt Christian Normann (Fachanwalt für Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht, Köln)
  • Rechtsanwalt Dr. Boris Jan Schiemzik (Fachanwalt für Gesellschaftsrecht, Hannover/Hamburg)
  • Rechtsanwalt, Steuerberater Helge Schubert (Fachanwalt für Steuerrecht, Hamburg)

Unsere Anwälte arbeiten eng im Team mit anderen Rechtsanwälten, Fachanwälten und Steuerberatern unserer Kanzlei zusammen, insbesondere im Bereich Steuerrecht, Arbeitsrecht, Insolvenzrecht und Handelsrecht.

Kontaktformular für unverbindliche Mandatsanfragen

Schildern Sie uns Ihr Anliegen und/oder lassen Sie sich zurückrufen.

Hiermit willige ich in die Verarbeitung meiner Daten gemäß der Datenschutzerklärung (Ziffer VIII.) ein. Die Daten werden zur Bearbeitung meiner Kontaktanfrage benötigt und nicht an Dritte weitergegeben. Diese Einwilligung kann ich jederzeit mit Wirkung für die Zukunft durch Erklärung gegenüber ROSE & PARTNER widerrufen.