Kindeswohl
Sorgerecht, Umgangsrecht, Adoption, Vaterschaft etc.
Das Kindeswohl ist ein zentraler Begriff im Familienrecht und taucht sowohl beim Sorgerecht und Umgangsrecht als auch bei Adoptionen, Vaterschaftsfragen und sonstigen familiären Fragestellungen auf. Lesen Sie hier, was es mit dem Kindeswohl auf sich hat und wie es in der familienrechtlichen Praxis berücksichtigt wird.
Für eine unverbindliche Anfrage kontaktieren Sie bitte direkt telefonisch oder per E-Mail einen unserer Ansprechpartner oder nutzen Sie das Kontaktformular am Ende dieser Seite.
Was bedeutet Kindeswohl?
Das Kindeswohl ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der einen der Dreh- und Angelpunkte des Familienrechts darstellt. Die Herausstellung des Kindeswohls durch den Gesetzgeber verdeutlicht, dass die Interessen des Kindes im Familienrecht generellen Vorrang vor den Interessen der anderen Beteiligten genießt.
Eine umfassende Definition des Kindeswohls enthält das Gesetz nicht, allerdings bietet es diverse Beispiele und Kriterien. Danach gehört zum Kindeswohl unter anderem
- die körperliche, geistige und seelische Unversehrtheit
- die Möglichkeit, zu einer selbstständigen und verantwortungsbewussten Person heranwachsen zu können
- die Stabilität und Kontinuität der Beziehungen zu sorgeberechtigten Personen.
- der Kindeswille (der mit zunehmendem Alter des Kindes an Bedeutung gewinnt)
Das Kindeswohl als Entscheidungskriterium stellt stets das individuelle Kind in dessen spezieller Familienkonstellation in den Mittelpunkt der familienrechtlichen Entscheidung, anstatt jede Familiensituation an allgemeinen Regeln zu messen.
Das Kindeswohl und die elterliche Sorge
Insbesondere herangezogen wird das Kindeswohl es im Bereich der elterlichen Sorge. Einer der Hauptanwendungspunkte des Kriteriums des Kindeswohls beim Sorgerecht liegt bei der Frage, ob nach einer Trennung die Alleinsorge für das Kind auf ein Elternteil allein übertragen werden soll. Dazu muss zum Zeitpunkt der Sorgerechtsentscheidung zu erwarten sein, dass sowohl die Aufhebung der gemeinsamen Sorge, also auch die Übertragung der Alleinsorge auf die antragstellende Person dem Kindeswohl am besten entspricht.
Es wird also eine sogenannte doppelte Kindeswohlprüfung vorgenommen.
- Im ersten Schritt entspricht die Aufhebung der gemeinsamen Sorge regelmäßig dem Kindeswohl am besten, wenn bei einem Elternteil eine mangelnde Erziehungseignung oder –bereitschaft vorliegt, oder zwischen den Eltern ein Mindestmaß an Kooperationsfähigkeit und –bereitschaft, bzw. eine tragfähige soziale Beziehung fehlt, so dass eine Verständigung der Eltern in bedeutenden Sorgerechtsfragen nicht in einer Art und Weise möglich ist, die auch bei Uneinigkeit eine dem Kindeswohl dienliche Entscheidung gewährleisten kann.
- Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die Übertragung der Alleinsorge auf den Antragsteller dem Kindeswohl am besten entspricht. Dafür hat die Rechtsprechung einige Orientierungspunkte entwickelt, die immer in einer Gesamtschau der gesamten Verhältnisse zu bewerten sind. Dazu gehören das Förderungsprinzip, das Kontinuitätsprinzip, die Bindungen des Kindes und der Wille des Kindes. Nach dem Förderungsprinzip ist entscheidend, wer dem Kind die besseren Entwicklungsmöglichkeiten und Unterstützung bieten kann. Das Kontinuitätsprinzip stellt darauf ab, wer dem Kind eine möglichst einheitliche und gleichmäßige Erziehung ermöglicht. Bei den Bindungen des Kindes kommt es nicht nur auf die Bindung zu den Beteiligten, sondern auch zu Geschwistern und dritten Personen an. Schließlich ist der Wille des Kindes immer zu beachten.
Das Gericht muss in Sorgerechtsangelegenheiten außerdem tätig werden, wenn das Kindeswohl gefährdet ist und die Eltern die Gefahr nicht abwenden können oder wollen. Dazu stehen dem Gericht eine Reihe Maßnahmen zur Verfügung, unter anderem auch starke Eingriffe in die elterliche Sorge, wie die Ersetzung von Erklärungen der sorgeberechtigten Person, bis hin zum teilweisen oder gänzlichen Entzug des Sorgerechts.
Kindeswohl und Umgang
Für den Bereich des Umgangsrechts der Eltern geht das Gesetz davon aus, dass Umgang mit beiden Eltern dem Kindeswohl entspricht. Das Familiengericht hat aber die Möglichkeit, den Umgang eines Elternteils mit dem Kind einzuschränken, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.
Andere Bezugspersonen des Kindes, insbesondere Geschwister und Großeltern, haben dagegen nur ein Umgangsrecht, wenn positiv feststeht, dass der Umgang dem Wohl des Kindes dient. Die Voraussetzungen sind also deutlich strenger als bei den Eltern. Sowohl bei Angelegenheiten der elterlichen Sorge als auch bei Fragen des Umgangs ist stets das Wohl des Kindes in den Vordergrund zu stellen, selbst wenn die anzuwendende Norm dies nicht ausdrücklich vorgibt.
Das legt § 1697a BGB als sogenanntes Kindeswohlprinzip fest: „Soweit nichts anderes bestimmt ist, trifft das Gericht in Verfahren über die in diesem Titel geregelten Angelegenheiten diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.“
Kindeswohl und Adoptionssachen
Auch bei der Adoption eines Kindes ist das Wohl dieses Kindes das entscheidende Kriterium. Eine Annahme als Kind ist nur möglich, wenn die Annahme dem Wohl des Kindes dient. Auch hier liegt das Gesetz also einen relativ strengen Kindeswohlmaßstab an.
Während es in vielen Fällen lediglich erfordert, dass dem Kindeswohl entsprochen wird oder, noch niedrigschwelliger, das Kindeswohl nicht gefährdet wird, muss bei einer Adoption, so wie bei dem Umgangsrecht anderer Bezugspersonen als der Eltern, dem Kindeswohl durch die Maßnahme positiv gedient sein.
Rechtsfragen rund um die Vaterschaft
Auch im sonstigen Familienrecht findet das Kindeswohl seine Ausprägungen, selbst wenn es nicht explizit so bezeichnet wird. So ist in Vaterschaftsfragen beispielsweise der leiblich Vater nicht zur Anfechtung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters berechtigt, wenn zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater eine sozial-familiäre Bindung besteht, weil das Kind davor geschützt werden soll, seine väterliche Bezugsperson zu verlieren. Auch hier schützt das Gesetz damit das Kindeswohl stärker als das Recht sonstiger Beteiligter, nämlich des leiblichen Vaters.
Für weitere Erläuterungen zum Thema Kindeswohl, oder Beratung zu sonstigen Themen aus dem Familienrecht stehen Ihnen unsere Fachanwälte gern zur Verfügung.