Begutachtung der Testierfähigkeit

Sachverständiger ist nicht gleich Sachverständiger

Veröffentlicht am: 27.02.2020
Qualifikation: Rechtsanwalt in Hamburg
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Die Feststellung der Testierfähigkeit des Erblassers ist im Erbrecht von entscheidender Bedeutung, denn nur ein testierfähiger Erblasser kann eine wirksame letztwillige Verfügung treffen. Erbverträge und Testamente eines Erblassers, der im Zeitpunkt der Errichtung nicht testierfähig gewesen ist, sind nichtig. Kein Wunder also, dass um den Nachweis der Testierfähigkeit vor Gericht teilweise erbittert gekämpft wird. Ein solcher Fall wurde nun auch jüngst durch das Oberlandesgericht (OLG) München entschieden (Beschluss vom 14.01.2020 - Aktenzeichen 31 Wx 466/19).

Zwei Testamente: Alleinerbe oder Erbengemeinschaft?

Zunächst wurde der Sohn des Erblassers in einem notariellen Testament als Alleinerbe eingesetzt, jedoch errichtete der Erblasser anschließend ein weiteres Testament, bei dem er seine drei Kinder zu gleichen Teilen als Erben einsetzte. Der Grundsatz, dass die neuste letztwillige Verfügung entscheidet, ließ die Geschwister davon ausgehen, dass es sich um eine Erbengemeinschaft mit Miterben zu je 1/3 handelt. Abweichendes könnte sich jedoch dadurch erbeben, wenn der Erblasser nicht testierfähig gewesen ist.

Der ursprüngliche Alleinerbe äußerte Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung des zweiten Testaments. Dies hatte zur Folge, dass er beim Nachlassgericht einen Erbschein als Alleinerben beantragte, während seine Brüder einen Erbschein jeweils zu 1/3 wollten.

Bei Zweifeln entscheidet ein Sachverständiger - aber bitte kein Sportmediziner

Das Nachlassgericht beauftragte einen Sachverständigen, der klären sollte, ob der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig gewesen ist. Aus rechtlicher Sicht orientiert sich diese Prüfung an § 2229 Absatz 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach muss die Testierunfähigkeit positiv festgestellt werden, bloße Zweifel an der Testierfähigkeit genügen dagegen nicht. Der Sachverständige konnte die Testierunfähigkeit des Erblassers nicht positiv feststellen, so dass im Ergebnis von der Testierfähigkeit ausgegangen wurde. Daraufhin kündigte das Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Geschwister zu je 1/3 an.

Damit wollte sich der vermeintliche Alleinerbe jedoch nicht abfinden und legte Beschwerde ein. Der Fall landete in der nächsten Instanz beim OLG München. Wesentliches Argument des Beschwerdeführers: Der Sachverständige sei unqualifiziert, da er lediglich Facharzt für Allgemein- und Sportmedizin sei, aber kein Psychiater oder Nervenarzt. Das Gericht gab ihm Recht, hob die Entscheidung der ersten Instanz auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Beweisaufnahme zurück an das Nachlassgericht. Die Richter schlossen sich dabei der Meinung des Beschwerdeführers an und sprachen dem Sachverständigen die notwendige fachliche Qualifikation ab. Diese könne nur ein Facharzt für Psychiatrie haben.

Rechtzeitige Testamentserrichtung verhindert den Erbstreit

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist im Grundsatz richtig. Nur ein qualifizierter Sachverständiger mit ausreichender Expertise ist geeignet, die Testierfähigkeit beziehungsweise Testierunfähigkeit festzustellen. Nicht restlos überzeugend ist dabei allerdings, die sehr formalistische Anknüpfung an den Titel des Facharztes der Psychiatrie. In der Praxis wird man sich hieran aber zu orientieren haben.

Die Entscheidung hat dabei nicht nur Bedeutung für Erbstreitigkeiten, bei denen ein häufiger Streitpunkt die (mangelhafte) Testierfähigkeit des Erblassers ist (so etwa bei Fällen von Erbschleichern), sondern auch für Erblasser selbst, die gegebenenfalls im hohen Alter, eine letztwillige Verfügung erlassen und späteren Streit der Erben über die Wirksamkeit verhindern wollen. Die reine Feststellung eines Notars im Rahmen der Errichtung des Testaments, dass „nichts gegen die Testierfähigkeit“ spreche, reicht hierfür nicht aus.