Landgerichtsbeschluss als Startschuss für neue Abmahnwelle?
Entscheidung des LG Würzburg zur DSGVO
Entscheidung des LG Würzburg zur DSGVO
Ein Beitrag von Desiree Szitnick
Seit Mai 2018 gilt nun europaweit die Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO). Sie soll insbesondere den Schutz personenbezogener Daten im Internet gewährleisten. Experten rechnen aber auch vermehrt mit Anwaltskanzleien, die mit Massenabmahnungen gegen (vermeintliche) DSGVO-Verstöße Profit schlagen wollen.
Das Geschäft mit den Abmahnungen
Bereits im Bereich von Filesharing und dem illegalen Download von urheberrechtlich geschützten Werken hat die Vergangenheit gezeigt – mit massenhaften Abmahnungen wegen vermeintlichen Rechtsverstößen lässt sich sehr viel Geld verdienen. Auch hier haben sich ganze Anwaltsbranchen gesetzliche Grundlagen zu Nutze gemacht, um mittels massenhaft verschickter Abmahnungen Urheberrechtsverletzungen zu verfolgen. Erst Neuregelungen gegen missbräuchliche Abmahnungen haben dort Erfolg gezeigt.
Experten erwarten nun eine ähnliche Entwicklung im Rahmen der neuen Datenschutzgrundverordnung. Dabei könnten Anwälte insbesondere fehlende oder unzureichende Datenschutzinformationen auf Internetseiten nutzen, um Ansprüche nach dem neuen Datenschutzrecht gegen die Betreiber der Websiten geltend zu machen. Kurz nach Einführung der Neuregelungen sind bereits vereinzelt Abmahnungen wegen tatsächlichen oder vermeintlichen Datenschutzverstößen verschickt worden – Nur der Anfang einer neuen Abmahnwelle?
Auch der Gesetzgeber scheint das Problem bereits erkannt zu haben. Derzeit wird an einem Gesetzesentwurf gegen missbräuchliche Abmahnungen gearbeitet.
LG Würzburg untersagt Anwältin Betrieb ihrer Website
Eine Entscheidung des Landgerichts in Würzburg (Az.: 11 O 1741/18) könnte nun diese Befürchtungen bestätigen. Die Würzburger Richter haben einer Anwältin den Betrieb ihrer Website untersagt, nachdem die Anwältin von einem Kollegen wegen einer unzureichenden Datenschutzerklärung auf ihrer Website abgemahnt worden war. Lediglich im Impressum der Website fanden sich einige wenige Informationen zum Umgang mit personenbezogenen Daten. Es fehlten jedoch eine ganze Reihe von Informationen, sodass die Datenschutzerklärung nicht den Anforderungen der DS-GVO entsprach. Zudem ging das Gericht wohl auch davon aus, dass jede Website, die Daten verarbeitet, auch verschlüsselt sein müsse. Eine solche Verschlüsselung fehlte ebenfalls. Im Ergebnis bestätigten die Richter einen Verstoß gegen das Datenschutzrecht.
DS-GVO für Wettbewerbsrecht relevant?
Weitaus bedeutsamer war aber eine weitere Feststellung des Gerichts: Die Richter bewerteten die durch den Betrieb der Website verletzten Vorschiften der DS-GVO als Marktverhaltensregelungen. Damit gab das Gericht den Weg frei, dass andere Rechtsanwälte als Wettbewerber bundesweit berechtigt sind, ebenfalls gegen die geltend gemachten Rechtsverstöße vorzugehen. Das deutsche Wettbewerbsrechts erlaubt es nämlich, Konkurrenten kostenpflichtig abzumahnen, wenn diese gegen Vorschriften verstoßen, die das Marktverhalten regeln.
Mit seiner Entscheidung hat das Landgericht nun die Vorschriften der DS-GVO auf die Stufe von Marktverhaltensregelungen gestellt und damit weitere Abmahnungen wegen Verletzung des Wettbewerbs ermöglicht. Eine Entscheidung, die in jedem Fall weitreichende Folgen haben könnte.
Die Praxis braucht klare Rechtslage
Die Begründung des Gerichts fällt zwar etwas dünn aus (auch weil es sich in dem vorliegenden Fall um ein einstweiliges Verfügungsverfahren handelte), ist dennoch in jedem Fall vertretbar. Bereits in vorangegangen Entscheidungen zum alten Datenschutzrecht sind Oberlandesgerichte bei der Frage, ob die neuen Vorschriften aus dem Datenschutzrecht auch das Markverhalten steuern sollen, zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Dies zeugt eben auch von einer bislang noch unsicheren Rechtslage, die den Gesetzgeber auf den Plan rufen sollte.
Bislang ist es zwar noch nicht zu der befürchteten Abmahnwelle gekommen. Aber Entscheidungen wie die aus Würzburg geben zumindest die Möglichkeit, mit datenschutzrechtlichen Abmahnungen Erfolge zu erzielen. Das macht das Geschäft mit den Abmahnungen, zumindest derzeit, noch zu einem lukrativen. Dass dann in Zukunft nicht nur Anwälte gegenseitig, sondern auch Wirtschaftsunternehmen untereinander durch derartige Abmahnungen versuchen werden, ihren Konkurrenten den Betrieb der eigenen Homepage zu untersagen, scheint daher mehr als wahrscheinlich. Bis nicht deutlich mehr Rechtssicherheit herrscht, bleibt also nur zu raten, Websites auf den Stand der DSGVO zu bringen – nicht nur um einer Abmahnung wirksam vorzubeugen, sondern auch, um Nutzer der Website transparent über die Datenverarbeitung aufzuklären und so an einem verbesserten Datenschutz in ganz Europa mitzuwirken.
Haben auch Sie eine Abmahnung wegen Datenschutzverletzungen erhalten? Weitere Informationen finden Sie hier: Verteidigung gegen DSGVO-Abmahnungen