Grundsatzurteil zum Facebook-Nachlass erwartet
Ist das Erbrecht fit für die Digitalisierung?
Ist das Erbrecht fit für die Digitalisierung?
Ein Beitrag von Fiona Schönbohm
Der BGH entscheidet kommende Woche zur Vererbbarkeit von Daten, genauer gesagt von Chat-Nachrichten und E-Mails. Das Urteil wird bei unklarer Rechtslage ein Grundsatzurteil im Internetrecht und Erbrecht und als solches wegweisend sein.
Eltern klagen gegen Facebook
In dem Fall klagen die Eltern einer 15jährigen gegen Facebook auf Freigabe ihres Kontos bei Facebook. Ihre Tochter war 2012 vor eine U-Bahn gestürzt und die Eltern fragen sich seitdem, ob es ein Unfall oder Suizid war. Aus den Chatverläufen ihrer Tochter erhoffen sie sich entscheidende Hinweise. Sie sind zwar im Besitz des Passworts, Facebook hat das Konto aber in den sogenannten "Gedenkzustand" überführt, sodass ein Einloggen in das Profil nicht mehr möglich ist.
Zuletzt hatte das Kammergericht in Berlin sich auf die Seite von Facebook gestellt und die Klage abgewiesen mit dem Hinweis, dass das Fernmeldegeheimnis und die Persönlichkeitsrechte anderer Nutzer vorgingen. Diese würden nicht damit rechnen, dass ihre Nachrichten von Dritten gelesen würden. Nun ging die Verhandlung in der letzten Instanz vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in die letzte Runde.
Der digitale Nachlass
Informationen, die in Form elektronischer Daten im Internet hinterlassen werden, fallen im Erbrecht unter das Stichwort "digitaler Nachlass". Dazu zählen E-Mails genau wie Chatverläufe bei Facebook oder anderen Onlinediensten. Schätzungen zufolge sind bereits jetzt etwa fünf Prozent der Nutzer bei Facebook verstorben. Eine gesetzliche Regelung gibt es dazu, trotz mehrfacher Forderungen des deutschen Anwaltsvereins (DAV) noch nicht. Da den meisten Nutzern dies nicht bewusst ist, treffen sie zu Lebzeiten keine Bestimmungen darüber, was mit den Daten nach ihrem Ableben geschehen soll.
Einerseits entstehen dadurch für Erben Haftungsrisiken, weil sie nicht wissen, welche Verbindlichkeiten der Verstorbene eingegangen ist. Für den Erblasser selbst geht es dagegen um sein Persönlichkeitsrecht: Dürfen private Nachrichten nach seinem Tod von den Erben eingesehen werden? Und schließlich ist auch das Persönlichkeitsrecht anderer Nutzer betroffen — jener nämlich, die ihrerseits mit dem Verstorbenen Nachrichten ausgetauscht haben und auf die Vertraulichkeit dieser Übermittlung vertraut haben.
Regelungen im Erbrecht
Im Erbrecht ist die Lage nicht geregelt. Grundsätzlich gehen nach deutschem Erbrecht im Rahmen der Universalsukzession gemäß § 1922 BGB alle Rechte und Pflichten des Erblassers auf den Erben über, sofern nicht etwas Anderes von dem Verstorbenen ausdrücklich bestimmt wurde. Darunter fallen beispielsweise auch Briefe des Verstorbenen. Der Rechtsanwalt der Kläger argumentierte, die Regelung sei ebenso wie auf Briefe analog auf Chatverläufe anwendbar. Ein Unterschied bestehe nicht.
Der Rechtsanwalt von Facebook hält dagegen, dass nicht nur das Recht anderer Nutzer geschützt werden müsse, sondern auch das Recht der Verstorbenen selbst. Gerade Kinder und Teenager würden, auch aufgrund rechtlicher Unerfahrenheit, intime Details auf Facebook austauschen und hätten ein Interesse daran, dass ihre Eltern diese nicht zu Gesicht bekämen. Der vorsitzende Richter ließ bereits durchblicken, dass jedenfalls die Facebook-Richtlinien zu Gedenkzustand nicht entscheidend sein würden, da diese sich nicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern in der Rubrik "Hilfe" befänden.
Das Urteil kommende Woche bleibt also spannend — wir werden berichten!