Großneffe als gesetzlicher Erbe neben dem Ehegatten?
Im Zweifel besser Testament verfassen
Besonders bei kinderlosen Erblassern droht eine überraschende gesetzliche Erbfolge.
Heute berichten wir über einen aktuellen Fall aus unserer anwaltlichen Beratungspraxis, der wieder einmal gezeigt hat, wie wichtig es sein kann, seinen Angehörigen ein Testament zu hinterlassen. In unserem Praxisfall wäre der allen Beteiligten unbekannte Großneffe der Erblasserin gemeinsam mit dem Ehepartner Erbe geworden, sofern die Erblasserin zu Lebzeiten kein Testament verfasst hätte.
Keine bekannten Verwandten
Die Erblasserin verstarb im Frühjahr 2023. Sie war zum Zeitpunkt ihres Todes kinderlos und verheiratet. Ihre Eltern, ihre einzige Schwester und die einzige Tochter ihrer Schwester waren zum Zeitpunkt ihres Todes bereits vorverstorben. Der Ehepartner der Erblasserin hatte keinerlei Kenntnisse von lebenden nahen Verwandten seiner Ehefrau.
Er beantragte daraufhin einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte. Auf große Verwunderung bei ihm stieß dann ein Schreiben des Nachlassgerichts, durch welches er aufgefordert wurde, die Anschrift eines Großneffen mitzuteilen.
Großneffe gilt als Erbe zweiter Ordnung
Hintergrund dieses Schreibens des Nachlassgerichts war, dass dieses zu dem Ergebnis gelangt war, dass der allen Beteiligten völlig unbekannte Großneffe, also der Enkel der vor verstorbenen Schwester, neben dem Ehepartner gesetzlicher Erbe zu ¼ sei. Grundsätzlich gelten als gesetzliche Erben zweiter Ordnung die Eltern des Erblassers. Sofern die Eltern nicht mehr leben, treten nach dem Gesetz deren Abkömmlinge an deren Stelle. Üblich ist daher, dass anstelle der nicht mehr lebenden Eltern die Geschwister erben. In unserem aktuellen Fall lebten aber neben den Eltern auch die Tochter und die Enkelin dieser nicht mehr. An den Urenkel der Eltern der Erblasserin hatte niemand gedacht.
Dank Testament war Ehepartner doch Alleinerbe
Unser Fall ging für den Ehepartner deshalb glimpflich aus, weil ein handschriftliches Testament der Erblasserin gefunden wurde, durch welches sie ihren Ehepartner zum Alleinerben eingesetzt hatte. Dieses Testament hatte die Erblasserin wohl sicherheitshalber verfasst, obwohl sie davon ausgegangen war, dass ihr Ehepartner ohnehin Alleinerbe sei. Der Ehepartner konnte daher aufatmen und musste den Nachlass nicht mit dem unbekannten Großneffen teilen.
Teilungsversteigerung des Wohnhauses wäre zu befürchten gewesen
Ohne dieses Testament hätte es zu einschneidenden Folgen für den Ehepartner kommen können. Da der Nachlass im Wesentlichen aus dem Wohnhaus des Ehepaars bestand, hätte der Großneffe im Zweifel sogar die Teilungsversteigerung dieses Hauses erzwingen können; insbesondere dann, wenn der Ehepartner nicht in der Lage gewesen wäre, den Erbteil des Großneffen auszuzahlen.
Besonders kinderlose Erblasser sollten an Testament denken
Der Fall sollte insbesondere kinderlose Erblasser aufhorchen lassen. Sofern Kinder vorhanden sind, ist die gesetzliche Erbfolge in aller Regel klar - dann erben immer Kinder gemeinsam mit einem gegebenenfalls vorhandenen Ehepartner. Bei kinderlosen Erblassern erben hingegen neben einem Ehepartner auch immer die Erben der zweiten Ordnung. Und das können im Zweifel sogar Großneffen sein, wenn die übrigen Verwandten bereits verstorben sind.