Ersatzerbe beim Berliner Testament
Der Enkel springt nicht automatisch ein
Es reicht nicht aus, das Kind eines vorverstorbenen Erben zu sein, um beim Tod des länger lebenden Ehegatten, bei einem gemeinschaftlichen Testament als Schlusserbe nachzurücken.
In einem vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall (10 W 16/18) hatten sich 1996 Eheleute mit einem sogenannten Berliner Testament gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und zum Schlusserben ihren einzigen Sohn bestimmt. Der Sohn selbst hatte zwei, jedoch erst Jahre nach der Errichtung des Testaments der Eltern, geborene Kinder.
Nach der Ehefrau stirbt auch der Sohn
Die Ehefrau starb im Jahre 1989 und der eigentlich als Schlusserbe bedachte Sohn kam sieben Jahre später im Jahr 1996 ums Leben.
Der überlebende Ehegatte hingegen hatte im Laufe der Zeit eine neue Lebensgefährtin gefunden, die er zwar nicht heiratete, aber im Jahr 2008 mit handschriftlichem Testament vom wie folgt bedachte:
"…. Meine Ehegattin und unser Sohn sind vorverstorben. Ich setze meine Lebensgefährtin ….und das Altenheim…. zu meinen alleinigen Erben je zu gleichen Teilen ein.“
Enkel sehen sich als Ersatzerben
Nach dem Tod des überlebenden Ehegatten stellten seine Enkel, als Abkömmlinge des vorverstorbenen Sohnes einen gemeinschaftlichen Erbscheinsantrag, mit der Begründung das Testament ihres Großvaters aus dem Jahr 2008 sei unwirksam, da er an das gemeinschaftliche Testament aus 1986 gebunden gewesen sei und die Kläger als Enkel gemäß § 2069 BGB als Abkömmlinge des Berliner Testaments und somit als Ersatzschlusserben anzusehen seien.
Das Nachlassgericht gab diesem Antrag der Erben statt, dessen Entscheidung wurde aber vom Oberlandesgericht aufgehoben.
Wechselbezügliche Verfügungen und Bindungswirkung
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Enkelkinder nur dann Erben nach ihrem Großvater würden, wenn sie durch wechselbezügliche Verfügungen ihrer Großeltern und somit mit bindender Wirkung als Ersatzerben im gemeinschaftlichen Testament eingesetzt worden wären.
Ausdrückliche hatten die Eheleute weder die Wechselbezüglichkeit ihrer Verfügungen noch die Kinder ihres Sohnes (die klagenden Enkel) als Ersatzerben bestimmt. Der tatsächliche Wille der Eheleute musste daher im Wege der Testamentsauslegung ermittelt werden.
Ehegatten sind an die Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament, insbesondere der Überlebende, gebunden, wenn es sich um sogenannte wechselbezügliche Verfügungen handelt. Verfügungen sind dann wechselbezüglich, wenn diese nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Solche Verfügungen können nach dem Ableben des Erstversterbenden vom überlebenden Ehegatten nicht mehr abgeändert werden.
Zweifelsregelungen des § 2069 BGB und § 2270 BGB
Die Eheleute hatten in ihrem Testament in Bezug auf die Wechselbezüglichkeit ihrer Verfügungen keine Bestimmungen getroffen. Das Gesetz stellt jedoch in § 2270 Abs. 2 BGB eine Vermutungsregel auf. Wenn sich Ehegatten gegenseitig zu Erben einsetzen und sie eine ihnen nahestehende Person als Erben des Letztversterbenden bestimmen, ist im Zweifel von einer wechselseitigen Verfügung auszugehen.
Demnach war jedenfalls die Schlusserbeneinsetzung des Sohnes als den Eltern nahestehende Person bindend.
Die entscheidende Frage war somit, ob die im Testament nicht genannten (und seinerzeit noch nicht geborenen) Enkel die Ersatzerben ihres verstorbenen Vaters werden konnten.
Gestützt wurde der Erbscheinantrag vorliegend auf eine weitere Zweifelsregel in § 2069 BGB, der in den Fällen, in denen ein Abkömmling bedacht wurde und dieser nach der Errichtung des Testaments wegfällt, anzunehmen ist, dass dessen Abkömmlinge an seine Stelle treten.
Der Umstand, dass aufgrund der Zweifelsrege in § 2270 BGB davon ausgegangen werden konnte, dass die gemeinschaftlich testierenden Eheleute die Schlusserbeneinsetzung als wechselbezügliche und bindende Verfügung ausgestaltet hatten, sahen die Richter an sich aber als kein ausreichendes und zwingendes Indiz dafür an, dass auch die Ersatzerbeneinsetzung nach § 2069 BGB bindend sein sollte.
Bindungswirkung aufgrund zweifacher Vermutung ist kein ausreichendes Indiz für tatsächlichen Erblasserwillen
Die Bindung kann nicht allein durch einen Rückgriff auf die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB festgestellt werden. Ergibt sich nämlich mangels Feststellbarkeit entsprechender Verfügungsinhalte die Ersatzerbfolge allein aus § 2069 BGB, dann ist die Vermutung aus § 2270 Abs. 2 BGB im Sinne einer wechselbezüglich gewollten Verfügung auf Ersatzerbenbestimmung nur anwendbar, wenn sich auch Anhaltspunkte für eine auf Einsetzung des oder der Ersatzerben gerichteten Willen der Erblasser feststellen lassen.
Anhaltspunkte dafür, dass die testierenden Eheleute den Willen hatten, über ihren zum Schlusserben eingesetzten Sohn hinaus auch dessen zukünftige Abkömmlinge zu bedenken, zumal sie deren mögliche Existenz offenbar nicht in ihre Überlegungen einbezogen hatten, waren nach Ansicht des OLG Hamm aber nicht ersichtlich.
Vielmehr betrachteten die Richter es als nicht fernliegend an, dass die Eheleute, wenn sie diesen Fall des Vorversterbens ihres Sohnes bedacht hätten, dem Überlebenden von ihnen die Möglichkeit offen lassen wollten, seine Erbfolge zukünftig anderweitig neu zu regeln.
Demnach war der überlebende Ehemann frei, anderweitig zu testieren und seine Lebensgefährtin zu seiner Erbin zu bestimmen.
Für die Testamentserrichtung ist es dringend zu empfehlen, sich auch das oft nur schwer vorstellbare Szenario vor Augen zu führen, dass die eigenen Kinder vorversterben könnten. Um spätere Auslegungen mit ungewissem Ausgang zu vermeiden, sollten in keinem Testament Bestimmungen zur gewünschten oder gerade nicht gewünschten Ersatzerbfolge fehlen.