Diplomaten-Scheidung

Welches nationale Scheidungsrecht ist anwendbar?

Diplomaten-Ehen sind mit wechselnden Auslandsaufenthalten sind für die Beteiligten schwierig. Und Diplomatenscheidungen haben es auch in sich...

Veröffentlicht am: 25.01.2024
Qualifikation: Rechtsanwalt & Mediator
Lesedauer:

Immer mehr Eheschließungen mit Auslandsbezug führen zwangsläufig auch zu immer mehr Scheidungen mit Auslandsbezug. Dann stellt sich regelmäßig die Frage, welches Scheidungsrecht anwendbar ist. Ein wichtiges Kriterium in diesem Zusammenhang ist der "gewöhnliche Aufenthalt". Ob dieser durch die Entsendung eines Ehepartners als Diplomat beeinflusst ist, soll nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2023 - XII ZB 117/23).

Diplomaten-Paar - von Berlin über Stockholm nach Moskau

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich mit der Scheidung eines Ehepaares befassen, bei dem beide Partner Diplomaten sind. Sie hatten 1989 geheiratet und lebten zunächst in einer Berliner Mietwohnung. Als der Ehemann 2017 seine Diplomatentätigkeit in Stockholm aufnahm, meldete sich das Paar in Berlin ab, behielt die Mietwohnung aber für den Fall einer späteren Rückkehr nach Deutschland. 2019 schickte das Auswärtige Amt den Ehemann nach Moskau, wo er mit seiner Frau eine Wohnung im Botschaftskomplex bewohnte. Nachdem die Ehefrau aufgrund einer OP Anfang 2020 nach Berlin reiste und erst im Februar 2021 nach Moskau zurückkam, teilte das Paar den gemeinsamen Kindern mit, dass sie sich scheiden lassen wollen. Die Frau zog wieder in die Berliner Mietwohnung. Der Mann blieb in Moskau und stellte im Juli 2021 einen Scheidungsantrag beim Amtsgericht Berlin-Kreuzberg. Diesem Scheidungsantrag widersprach die Ehefrau mit der Begründung, das Trennungsjahr sei noch nicht vergangen, da die Trennung erst im Mai 2021 stattgefunden habe.

Scheidung nach russischem Recht

Das Amtsgericht folgte der Argumentation der Frau und wies den Scheidungsantrag zurück. Die Beschwerde des Ehemanns beim Kammergericht Berlin gegen diese Entscheidung hatte aber Erfolg. So wurde die Ehe schließlich vom Kammergericht nach russischem Scheidungsrecht geschieden. Dessen Anwendbarkeit, so das Gericht, ergebe sich aus Art. 8 lit. b Rom III-VO. Der gewöhnliche Aufenthalt des Ehemanns sei in Russland und der gewöhnliche Aufenthalt der Ehefrau sei bis zum Umzug im Mai 2021 auch in Russland gewesen - also weniger als ein Jahr vor der Anrufung des Amtsgerichts. Ein Versorgungsausgleich wurde vom Gericht nicht durchgeführt, da kein entsprechender Antrag gestellt worden sei.

Ehefrau möchte deutsche Spielregeln für die Scheidung

Die Ehefrau war mit dieser Entscheidung des Kammergerichts überhaupt nicht glücklich. Sie strebte eine Verbundentscheidung nach deutschem Recht an und brachte den Fall zum BGH. Der wollt die Sache aber nicht entscheiden und rief den EuGH an. Dieser soll zunächst klären, nach welchen Kriterien der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten im Sinn des Art. 8 lit. a und b Rom III-VO zu bestimmen ist. Dafür sei wichtig, ob die Entsendung als Diplomat die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts beeinflusse oder sogar ausschließe. Außerdem sei klärungsbedürftig, ob sich Ehegatten in einem Staat für eine gewisse Dauer aufhalten und zu einem gewissen Maß sozial und familiär integrieren müssten, um dort einen gewöhnlichen Aufenthalt zu haben.

Die Komplexität von Auslandsscheidungen

Scheidungen gehören bereits ohne Auslandsbezug zu den komplexesten und intensivsten Konflikten, mit denen Menschen im Laufe ihres Lebens zu tun haben. Wie der dargestellte Fall zeigt, kommen bei Auslandsscheidungen noch weitere Facetten hinzu, über die gestritten werden kann. Unsere Fachanwälte für Familienrecht raten daher gerade in solchen Konstellationen dazu, bereits bei der Eheschließung oder auch während der Ehe einen Ehevertrag zu schließen. Gerade solche Eheverträge mit Auslandsbezug bzw. mit Ausländern können für klare Verhältnisse sorgen, indem eine Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen wird. Und natürlich sollten bei der Gelegenheit auch die wichtigsten Scheidungsfolgen wie Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und Unterhalt einvernehmlich im Ehevertrag festgehalten werden.