Das Nottestament vor drei Zeugen

Gültig nur bei „naher Todesgefahr“

Veröffentlicht am: 30.05.2017
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Gültig nur bei "nacher Todesgefahr"

Testamente werden in der Regel entweder eigenhändig handschriftlich oder öffentlich durch notarielle Beurkundung errichtet. Es kommt jedoch vor, dass die Umstände eine solche Testamentserrichtung nicht erlauben. Für diesen Fall hat das Erbrecht vorgesorgt und die sogenannten Nottestamente im Gesetz geregelt. Das BGB kennt als außerordentliche Testamentsformen das Bürgermeistertestament, das Seetestament sowie das Dreizeugentestament. Zur Wirksamkeit des Dreizeugentestaments hat das OLG Hamm im Februar 2017 ein Urteil gesprochen. Diesem sind die Anforderungen an ein solches Nottestament zu entnehmen.

Erbrechtliche Beratung durch den Anwalt am Sterbebett

Die Erblasserin litt an Krebs im Endstadium. Mitte 2013 errichtete sie ein handschriftliches Testament, in dem sie ihren Sohn als Alleinerben einsetzte. Sie wurde am 4. Februar 2014 in ein Krankenhaus eingewiesen und am 16. Februar in ein Hospiz verlegt, wo sie am 19. Februar starb.

Am 4. Februar 2014 kam es zu einer anwaltlichen Beratung im Krankenhaus. Im Anschluss daran ließ die Anwältin der Erblasserin einen Testamentsentwurf. In diesem Text war die Anwältin als Testamentsvollstrecker eingesetzt. Am 13. Februar 2014 kam es erneut zu einer anwaltlichen Beratung im Krankenhaus. Hieraus entstand ein Testamentsentwurf, der auch Vermächtnisse zugunsten der Enkelkinder vorsah. Auf der Grundlage dieses Entwurfs wurde dann am 15. Februar 2014 vor drei Zeugen ein „Nottestament“ errichtet.

Sohn geht gerichtlich gegen das Nottestament vor

Nach Eintritt des Erbfalls beantragte die Anwältin die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Dauer-Testamentsvollstreckerin auswies. Damit war der Alleinerbe, der Sohn der Verstorbenen, nicht einverstanden. Er ging gegen das Nottestament vor und beantragte seinerseits einen Erbschein, der ihn als unbeschränkten Alleinerben auswies.

Die Sache landete beim OLG Hamm. Dort gaben die Richter dem Sohn recht. Das Testament aus dem Jahr 2013 sei weiter gültig und sei nicht durch das Nottestament widerrufen worden. Ein Drei-Zeugen-Testament, so das Gericht, habe zur Voraussetzung, dass der Testierende sich in so naher Todesgefahr befinde, dass voraussichtlich weder die Errichtung eines Testaments vor einem Notar noch vor einem Bürgermeister möglich seine. Allein der Umstand, dass der Erblasser für eine eigenhändige Errichtung zu schwach ist, reiche nicht aus. Neben der objektiven Lage komme es auch auf das subjektive Empfinden der Beteiligten an. Einer der Zeugen, so das Ergebnis der Beweisaufnahme, hatte nicht den Eindruck, dass eine akute Todesgefahr vorliege.

Möglicher Todeseintritt in ein bis zwei Tagen ist keine nahe Todesgefahr

Weiter führt das OLG Hamm aus, dass für die Feststellung einer nahen Todesgefahr im Sinne des Erbrechts maßgeblich auf den Zeitpunkt abzustellen sei, in dem sich der Erblasser zur Errichtung eines Testaments entschließe. Unschädlich sei dabei, dass ihm bereits zuvor ein hinreichender Zeitraum zur Verfügung stand, um einen Notar hinzuzuziehen. Für die objektive Feststellung einer nahen Todesgefahr reiche es nicht aus, dass der Erblasser an einer bösartigen metastasierenden Grunderkrankung litt, aufgrund der er nach der Bewertung des als Zeugen tätigen behandelnden Arztes innerhalb ovn ein bis zwei Tagen versterben konnte.

Testamentserrichtung – nichts für das Sterbebett

Lieber spät als nie – dieser Leitsatz gilt zumindest im Erbrecht nicht uneingeschränkt. Testamente auf den letzten Drücker bergen erhebliches Streitpotential. Das gilt nicht nur in Fällen der sogenannten Nottestamente. Auf dem Sterbebett errichtete Testamente werden häufig angefochten, weil die Testierfähigkeit des Erblassers angezweifelt wird oder eine unzulässige Beeinflussung durch die eingesetzten Erben angenommen wird.

Auch die Rolle der Anwältin im vorliegenden Fall scheint zumindest etwas unglücklich. Kommt bei einer Last-Minute-Beratung ein Testament heraus, bei dem der Erblasser dem Anwalt eine lukrative Testamentsvollstreckung verschafft, darf sich dieser nicht wundern, wenn die so belasteten Erben dagegen vorgehen.