Das Nachlassverzeichnis in Pandemie-Zeiten
Auskunft und Wertermittlung unter schwierigen Bedingungen
Auskunft und Wertermittlung unter schwierigen Bedingungen
Ein Beitrag von Ralph Butenberg, Fachanwalt für Erbrecht in Hamburg
Bei einem Erbstreit dreht sich oft vieles um die Frage, was eigentlich zur Erbschaft gehört und was die einzelnen Positionen wert sind. Daher haben bestimmte Personen gesetzliche Ansprüche auf Auskunft oder auch Wertermittlung. So ist es zum Beispiel im Pflichtteilsrecht, bei dem der Pflichtteilsberechtigte vom Erben ein Nachlassverzeichnis verlangen darf, anhand dessen er seinen Pflichtteil berechnen kann.
Ob diese Pflicht dadurch relativiert wird, dass die Beschaffung eines solchen Nachlassverzeichnisses aufgrund von Einschränkungen während der Corona-Pandemie erschwert ist, hatte das Landgericht Bad Kreuznach zu entscheiden (Beschluss vom 24. August 2020; 3 O 255/19).
Zwangsgeld im Erbstreit
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt wurde ein Beteiligter eines Erbstreits dazu verurteilt, ein Nachlassverzeichnis anfertigen zu lassen, um Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche zu erfüllen. Konkret wurde er verurteilt, „…Auskunft über den Bestand des Nachlasses der am 16.10.2016 verstorbenen … zu erteilen durch Vorlage eines von einem Notar aufgenommenen Bestandsverzeichnisses und Ermittlungen zu den Werten von mehreren Grundstücken durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens zu veranlassen.“
Als er dieser Pflicht nicht nachkam, wurde gegen ihn ein Zwangsgeld festgesetzt. Der Schuldner wandte im Verfahren ein, dass er sich intensiv bemüht habe, ein Verzeichnis aufgrund der Covid-19-Pandemie jedoch nur mit erheblichen Verzögerungen zu erlangen sei. Dies sei von ihm nicht zu vertreten.
Gericht sieht keine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit
Mit dieser Argumentation hatte der Verurteilte im Verfahren keinen Erfolg. Das Zwangsgeld, so das Gericht, sei geboten, damit der Schuldner das Nachlassverzeichnis anfertigen lässt. Diese Handlung sei ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängig – auch wenn dabei ein Notar und Sachverständige mitwirken müssten. Es handele sich damit um sogenannte unvertretbare Handlungen.
Unbeachtlich sei der Vortrag, dass der Verpflichtete sich persönlich intensiv darum bemüht habe, die Ansprüche zu erfüllen, die Pandemie-Umstände jedoch für erhebliche Verzögerungen sorgen würden. Auf ein Verschulden, so das Gericht, komme es nämlich bei der Festsetzung eines Zwangsgeldes nicht an.
Dass weitere Handlungen zur Beschleunigung nicht möglich gewesen seien, wie zum Beispiel einen zeitnah zur Entstehung der Verpflichtung beauftragten Notar oder Wertgutachter anzumahnen bzw. diesen auch durch rechtliche Schritte zur Leistungserbringung zu bewegen oder gegebenenfalls zu wechseln, sei hier nicht erkennbar. Mithin sei der Schuldner indessen verpflichtet, alles tatsächlich wie rechtlich in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um seiner Verpflichtung gerecht zu werden.
Das Nachlassverzeichnis im Erbrecht
Mit der Entscheidung stärkt das Gericht den im Rahmen eines Erbstreits Auskunftsberechtigten. Das Nachlassverzeichnis ist bei derartigen Konflikten das zentrale Instrument, um das häufige Ungleichgewicht beim Wissen um den Nachlass, seine Zusammensetzung und seine Werthaltigkeit auszugleichen. Dieses Ungleichgewicht ist meist strukturell angelegt, weil einige Angehörige aufgrund ihrer tatsächlichen oder rechtlichen Bindung schlicht näher am Erblasser und seinem Vermögen sind als andere.