Beweise hin, Beweise her

Umkehr der Beweislast bei arglistiger Vereitelung des Auskunftsanspruchs durch den Erben

Veröffentlicht am: 09.01.2020
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Umkehr der Beweislast bei arglistiger Vereitelung des Auskunftsanspruchs durch den Erben

Ein Beitrag von Ralph Butenberg, Fachanwalt für Erb- und Steuerrecht

Umfassende Auskunftsansprüche zugunsten des Pflichtteilsberechtigten

Dem Pflichtteilsberechtigten stehen umfassende Auskunftsansprüche gegen den Erben zu, § 2314 BGB. Auf der Grundlage der Auskünfte kann der Pflichtteilsberechtigte sodann seinen Zahlungsanspruch beziffern und Zahlung vom Erben verlangen. Verweigert der Erbe die Auskunftserteilung, kann der Pflichtteilsberechtigte seine Ansprüche u.a. auf Vorlage eines Nachlassverzeichnisses und Benennung von Schenkungen und sonstigen lebzeitigen Zuwendungen durch den Erblasser in aller Regel unschwer gerichtlich durchsetzen und gegen den Erben ein Auskunftsurteil erwirken.

Vollstreckung des Auskunftsurteils nur durch Zwangsgelder oder Zwangshaft

Die Erteilung von Auskünften gilt vollstreckungsrechtlich als sogenannte unvertretbare Handlung, § 888 ZPO. Der Erbe muss die geschuldeten Auskünfte selbst erteilen. Erteilt der Erbe trotz Urteils immer noch keine Auskünfte, ist der Pflichtteilsberechtigte darauf vollstreckungsrechtlich darauf beschränkt, die Festsetzung von gerichtlichen Zwangsgeldern gegen den unwilligen Erben zu beantragen, ersatzweise Zwangshaft. Derartige Vollstreckungsmaßnahmen sind immer zeitintensiv, führen allerdings nicht immer zum Erfolg. Von Zeit zu Zeit erleben wir in unserer forensischen Praxis tatsächlich, dass Erben lieber die Zahlung von Zwangsgeldern oder sogar Zwangshaft in Kauf nehmen, als die geschuldeten Auskünfte zu erteilen.

Bezifferung der Pflichtteilsforderung und Umkehr der Beweislast

In einem solchen Fall haben wir das hier behandelte Urteil des Landgerichts Hamburg für unsere Mandantschaft erstritten. Grundsätzlich obliegt es dem Pflichtteilsberechtigten, die Grundlagen der Berechnung seiner Pflichtteilsforderung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BGH-Urteil vom 10.03.2010, IV ZR 264/08). Der Pflichtteilsberechtigte muss demnach über das Vorhandensein beispielsweise eines Bankguthabens oder einer Immobilie mit einem bestimmten Bestand und Wert Beweise vorlegen. Anderenfalls würde das Gericht seine Zahlungsklage zurückweisen. Gerade zu diesem Zweck stehen dem Pflichtteilsberechtigten die gesetzlichen Ansprüche auf Auskunft zu. Verhindert der Erbe nun, dass der Pflichtteilsberechtigte die gesetzlich geschuldeten Auskünfte erhält, kann es zulasten des Erben zu einer Umkehr der Beweislast kommen. Der BGH stellte hierzu klar, dass „bei Arglist und bewusster Beweisvereitelung des Erben…ausnahmsweise auch eine Beweislastumkehr“ stattfinden kann (BGH-Urteil vom 10.03.2010, IV ZR 264/08 unter II. 1. b) dd) der Gründe).

Substantiierter Vortrag zum Nachlassbestand erforderlich

Ist der Pflichtteilsberechtigte nun in der Lage, aufgrund eigener Erkenntnisse über den Nachlassbestand im Prozess substantiierte Angaben zu dem (wahrscheinlichen) Nachlassbestand- und dessen pflichtteilsrelevanten Gesamtwert zu machen, wirkt sich die anzunehmende Beweislastumkehr klar zu seinen Gunsten aus. Der Pflichtteilsberechtigte kann nämlich auf dieser Grundlage seine Pflichtteilsforderung beziffern und Zahlungsantrag stellen. Legt sodann der Erbe keine Beweise vor, die die Berechnung des Pflichtteilsberechtigten widerlegen, dürfte er allein aufgrund der Beweislast zur Zahlung verurteilt werden.

Eigene Erkenntnisse über den Nachlassbestand insbesondere im Hinblick auf Immobilien kann der Pflichtteilsberechtigte übrigens unschwer erlangen. Er kann bei dem zuständigen Grundbuchamt Grundbuchauszüge und auch Abschriften pflichtteilsrelevanter Verträge aus den Grundakten beantragen. Als Pflichtteilsberechtigter hat er ein sogenanntes berechtigtes Interesse gemäß § 12 GBO inne, das Grundbuchamt muss ihm die Informationen und Vertragsabschriften erteilen (vgl. etwa OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.09.2013, 11 Wx 57/13).

Entscheidung des Landgerichts Hamburg

Die von uns vor dem Landgericht Hamburg erwirkte Entscheidung (Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23.09.2019, 329 O 29/18) erging als Versäumnisurteil und ist mittlerweile rechtskräftig. Dies bedeutet, dass keine dezidierte und abgewogene Sachentscheidung erging. Das Gericht teilte gleichwohl den von uns vertretenen und hier dargelegten rechtsdogmatischen Ansatz, nahm eine Beweislastumkehr zulasten des unwilligen Erben an und verurteilte ihn auf der Grundlage der Darlegungen des Pflichtteilsberechtigten zur Zahlung der vom Pflichtteilsberechtigten errechneten Forderung. Hierdurch wird Pflichtteilsberechtigten ein wirksames Werkzeug gegen hartnäckig auskunftsunwillige Erben verschafft. Wir begrüßen diese Rechtsprechungsentwicklung.

Bei Nachfragen stehe Ihnen unsere Fachanwälte für Erbrecht in Berlin, Hamburg, München und Frankfurt gern zur Verfügung.