Vorsicht bei vorschneller Ausschlagung der Erbschaft
Keine Anfechtung der Ausschlagung bei Irrtum über Person des Erben
Ein Irrtum darüber, welche Person nach der eigenen Ausschlagung der Erbschaft stattdessen gesetzlicher Erbe wird, berechtigt nicht zur Anfechtung der Ausschlagungserklärung.
Dass eine Erbausschlagung, die nicht zu Ende gedacht worden ist, fatale Folgen haben kann, zeigt ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss v. 21.04.2022- 15 W 51/19). In dem zugrunde liegenden Fall hatten die Kinder eines Erblassers durch Ihre Ausschlagungserklärung versehentlich bewirkt, dass die Geschwister des Erblassers zu gesetzlichen Erben wurden. Diese Folge konnten Sie auch durch eine Anfechtung der Ausschlagung nicht mehr rückgängig machen.
Erblasser kein Testament hinterlassen
Dem Beschluss des Oberlandesgerichts lag ein Erbscheinsverfahren zugrunde.
Der Erblasser hat bei seinem Tod kein Testament hinterlassen, mithin galt die gesetzliche Erbfolge. Überlebende Angehörige waren in erster Linie seine Ehefrau sowie mehrere Kinder. Er hinterließ zudem eine Vollschwester und mehrere Halbgeschwister, zu denen allerdings die gesamte Familie zu Lebzeiten des Erblassers keinen Kontakt pflegte. Gesetzliche Erben waren damit zu ½ die Witwe und zu insgesamt ½ die Kinder des Erblassers zu gleichen Teilen.
Da die Kinder und die Ehefrau des Erblassers sich aber nach seinem Tod darüber einig waren, dass die verwitwete Ehefrau den gesamten Nachlass des Erblassers erhalten soll, schlugen alle Kinder die Erbschaft rechtswirksam aus. Alle Beteiligten nahmen an, dass die verwitwete Ehefrau hierdurch Alleinerbin werde.
Überraschung folgte dann im Erbscheinsverfahren
Die Witwe hatte anschließend beim Nachlassgericht einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin auswies. Zur Überraschung der hinterbliebenen Familie wies das Nachlassgericht die Witwe aber darauf hin, dass die sie nur dann Alleinerbin sei, wenn der Erblasser keine Geschwister, Eltern, Großeltern oder Nichten und Neffen hinterlassen hat. Solche seien aufgrund der Ausschlagung aller Kinder neben der Witwe ebenfalls gesetzliche Erben zu insgesamt 1/4 geworden.
Als Reaktion hierauf erklärte eines der Kinder des Erblassers die Anfechtung seiner Ausschlagungserklärung. Hierdurch wollten die Beteiligten verhindern, dass die noch lebenden Geschwister des Erblassers, zu denen weder die Kinder noch die Witwe Kontakt hatten, neben der Witwe Erbe werden. Die Anfechtung begründete das Kind des Erblassers damit, dass er sich über die Rechtsfolge seiner Ausschlagung geirrt habe, da er davon ausgegangen sei, dass hierdurch die Witwe Alleinerbin werde.
Anfechtung drang nicht durch – kein wirksamer Anfechtungsgrund
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm war die Anfechtung des Kindes des Erblassers nicht wirksam. Es war der Ansicht, dass kein wirksamer Anfechtungsgrund gegeben sei. Der Irrtum, dass die verwitwete Ehefrau des Erblassers durch die Ausschlagung der Kinder Alleinerbin werde, stelle einen unbeachtlichen Motivirrtum dar, der nicht zur Anfechtung der Erbausschlagung berechtige. Das Oberlandesgericht beschloss daher, es bei der Rechtsfolge bleibe, dass neben der Witwe zu insgesamt ¼ die Geschwister des Erblassers im Erbschein als Erben ausgewiesen werden.
Obergerichtliche Rechtsprechung nicht einheitlich
In der obergerichtlichen Rechtsprechung werden derart gelagerte Fälle allerdings nicht einheitlich entschieden. Entscheidend sei hier die Abgrenzung zwischen einem unbeachtlichen Motivirrtum (der nicht zur Anfechtung berechtige) und einem relevanten Rechtsfolgenirrtum (der einen Anfechtungsgrund darstellt). Zur Anfechtung berechtigte dabei nur ein solcher Irrtum, der sich auf unmittelbare Rechtsfolgen beziehe und nicht nur auf mittelbare. Das Oberlandesgericht hat in seinem Beschluss die Rechtsbeschwerde zugelassen. Abzuwarten bleibt daher, ob sich der Bundesgerichtshof nun mit dieser hochumstrittenen Fragen, ob ein derartiger Irrtum zur Anfechtung einer Ausschlagungserklärung berechtigt, beschäftigen und damit zu einer einheitlichen Rechtsprechung beitragen wird.