Testament gültig trotz Demenz?

Urteil zu den Grenzen der Testierfähigkeit

Ob bei einer Demenz-Diagnose noch wirksam ein Testament errichtet werden kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab und kann nicht pauschal beantwortet werden.

Veröffentlicht am: 05.09.2024
Qualifikation: Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht
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Mit steigender Lebenserwartung wächst auch die Zahl der an Demenz erkrankten Personen in unserer Gesellschaft. Errichten Betroffene dann ein Testament, stellt sich die Frage nach der Testierfähigkeit. Dass nicht jede Demenz-Diagnose automatisch zur Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung führt, entschied das Landgericht Frankenthal kürzlich in einem (noch nicht rechtskräftigen) Urteil (LG Frankenthal, Urteil vom 18. Juli 2024 - Az 8 O 97/24).

90-jährige Erblasserin mit unbestimmter Demenz-Diagnose

In dem Fall ging es um die Erbschaft einer Frau, die mit 90 Jahren verstorben war und kurz vor ihrem Ableben ein notarielles Testament errichtet hatte. Im letzten Willen wurde dem Sohn einer Freundin ein "wertvolles Anwesen" vermacht. Außerdem hatte sie einen Testamentsvollstrecker eingesetzt. Diesem missfiel das Testament womöglich. Jedenfalls begehrte er gerichtlich die Feststellung, dass das Testament wegen Testierunfähigkeit unwirksam ist. Seine Behauptung stütze er auf Arztbriefe, die der Verstorbenen eine "beginnende demenzielle Entwicklung", eine "demenzielle Entwicklung" und eine "bekannte Demenz" bescheinigten. Allerdings hatte der Notar bei der Beurkundung des Testaments festgehalten, dass er die Erblasserin für unbeschränkt geschäfts- und testierfähig halte.

Testamentsvollstrecker muss Testierunfähigkeit beweisen

Das vom Testamentsvollstrecker im Eilverfahren angerufene LG Frankenthal ging nicht davon aus, dass die Erblasserin testierunfähig und das Testament damit ungültig war. Das Erbrecht des BGB unterstellt schließlich grundsätzlich, dass jeder Verfasser einer letztwilligen Verfügung auch testierfähig ist. Die Testierunfähigkeit muss daher bewiesen werden. Und das ist dem Testamentsvollstrecker zunächst nicht gelungen. Die vorgelegten Arztbriefe reichten dem Gericht insoweit nicht aus, dass darin zwar von "Demenz" die Rede war, nicht aber vom Grad der Demenz. Bei einer nur leichtgradigen Demenz wird häufig noch die Testierfähigkeit gegeben sein, während bei einer mittelschweren oder schweren Demenz regelmäßig kein wirksames Testament mehr errichtet werden kann.

Psychiatrisches Gutachten entscheidet meist über die Gültigkeit von "Demenz-Testamenten"

Die Einschätzung des Notars ist bei der Frage der Testierfähigkeit übrigens allenfalls ein Indiz. Das liegt daran, dass der Notar lediglich Jurist, nicht aber ein medizinischer Gutachter ist. Daher sind es psyhchiatrische Fachärzte mit besonderer Kompetenz im Bereich der Geschäfts- und Testierfähigkeit, die im Zweifel vom Nachlassgericht mit der Anfertigung eines Gutachtens beauftragt werden. Und diese Gutachten entscheiden in der Praxis dann regelmäßig den Ausgang des streitigen Erbscheinsverfahrens.

Video: Testierfähigkeit bei Demenz

In diesem Video auf dem YouTube-Kanal von ROSE & PARTNER erklärt Rechtsanwalt Bernfried Rose das Thema Testierfähigkeit bei Alzheimer und anderen Demenz-Erkrankungen - in nur einer Minute.