Der willensschwache Schenker
Sittenwidrigkeit der Immobilienschenkung bei Beeinflussbarkeit
Gerade bei betagten Schenkern sind die Umstände einer unentgeltlichen Übertragung von Vermögen häufig etwas „fragwürdig“. Ob und wann ein Zustand von Willensschwäche oder leichter Beeinflussbarkeit zur Sittenwidrigkeit und damit Unwirksamkeit einer Immobilienschenkung führt, hat kürzlich der Bundesgerichtshof entschieden.
Krank, schwach und spendabel?
In dem Fall um die Immobilienschenkung ging es um einen 90-jährigen Mann, der Eigentümer von mehreren Immobilien war (BGH, Urteil vom 26.04.2022 – X ZR 3/20). Er hatte drei Jahre zuvor eine Frau kennengelernt, die seine Partnerin wurde und sich sowohl um ihn als auch um seine Grundstücke kümmerte. Als er mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus kam, erteilte er seiner Partnerin eine Vorsorgevollmacht. Diese widerrief er später auf der Intensivstation mithilfe seiner Tochter.
Diese wird nicht schlecht gestaunt haben, als ihr Vater dann wenige Tage später notariell die Adoption seiner Partnerin beantragte und dieser auch noch zwei seiner Immobilien schenkweise übertrug.
Widerruf der Schenkung nach Genesung
Wider zu Hause widerrief der Senior alle im Krankenhaus vorgenommenen Erklärungen, die er zugunsten seiner Partnerin abgegeben hatte, die inzwischen als neue Eigentümerin im Grundbuch stand. Er sei bei der Schenkung krankheitsbedingt geschäftsunfähig gewesen. Zudem habe seine Partnerin gedroht, ihn zu verlassen, wenn er ihr die Immobilien nicht überschreibe. Dabei machte er Angaben zum Krankheitsverlauf und legte sowohl Befunde als auch ein Attest über eine kognitive Einschränkung vor.
Mit dieser Argumentation hatte er aber weder beim Landgericht noch vor dem Oberlandesgericht Köln Erfolg, sodass die Sache schließlich beim BGH landete.
Anforderungen für eine Beweisaufnahme zur Geschäftsunfähigkeit
Und tatsächlich waren die Richter in Karlsruhe der Ansicht, dass in diesem Fall ein Sachverständigengutachten zur Geschäftsunfähigkeit geboten war. Immerhin habe es nach dem Vortrag des Mannes genug Anhaltspunkte dafür gegeben, dass er bei der Schenkung geschäftsunfähig gewesen sein könnte. Hierüber hätten die Vorinstanzen ohne eigene Sachkunde nicht einfach hinwegsehen dürfen.
Außerdem wurden vom BGH die Motive der beschenkten Frau unter die Lupe genommen. Die Sittenwidrigkeit nach § 138 Absatz 1 BGB bestimme sich nicht nur nach den Motiven des Schenkers, sondern auch mit Blick auf § 138 Absatz 2 BGB nach den Gründen der Empfängerin. Im konkreten Fall stand die freie Willensbildung des Schenkers infrage, so dass zu erörtern sei, ob eine eigensüchtige Ausnutzung der Lage vorgelegen habe.
Achtung Erbschleicher!
Ob der Widerruf der Schenkungen nun gerichtlich bestätigt wird, hängt davon ab, ob der Schenker seinen Vortrag beweisen kann. Der Sachverhalt ist jedenfalls typisch für die Kategorie „Erbschleicher“. Der Vorwurf der Erbschleicherei steht nämlich häufig dann im Raum, wenn familienfremde Personen innerhalb einer relativ kurzen Zeit das Vertrauen einer älteren alleinstehenden und vermögenden Person gewinnen und dann zu Lebzeiten oder im Todesfall durch Testament größere Vermögenswerte erhalten. Leidtragende sind dann stets die gesetzlichen Erben, also regelmäßig die Kinder. Diese sind daher gut beraten, einen guten Kontakt und ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern zu pflegen, damit sie einen möglichen Erbschleicher früh genug erkennen und gegebenenfalls Einfluss nehmen können.
Bekannt sind aber auch umgekehrte Fälle, in denen die eigenen Kinder manipulativ auf betagte Eltern einwirken, um sich ihr Erbe zu sichern, das sie vielleicht gar nicht mehr „verdient“ haben.