Schenkung geschrieben, Erbschaft gemeint
OLG deutet Verschenken eines Hausanteils als Erbeinsetzung
Ein Testament muss nicht immer zwingend wie ein Testament aussehen. Das Oberlandesgericht Brandenburg deutete ein Schriftstück als Testament und Erbeinsetzung, in welchem eigentlich nur von einer Schenkung die Rede war.
Die Auslegung von letztwilligen Verfügungen beschäftigt Gerichte seit jeher. Das Oberlandesgericht Brandenburg legte kürzlich ein Schriftstück als Erbeinsetzung aus, welches zumindest beim ersten Eindruck gar kein Testament darstellte. Das Gericht schaute in seinem aktuellen Beschluss vom 20.02.2023 (3 W 31/22) genauer hin und kam zu dem Ergebnis, dass der Erblasser seine Haushälfte eigentlich gar nicht verschenken, sondern vererben wollte.
Guter Freund sollte Hausteil bei plötzlichem Tod als Geschenk bekommen
Dem Beschluss des Oberlandesgerichts lag ein Erbscheinsverfahren zugrunde.
Der Erblasser war zu Lebzeiten geschieden und hatte einen Sohn aus dieser Ehe, zu dem er aber nur sporadischen Kontakt pflegte. Er war Eigentümer eines Hausteils, in welchem er auch lebte. Es handelte sich hier um ein Grundstück bebaut mit einem zusammenhängenden Haus, wobei 64,29 % dieses bebauten Grundstücks dem Erblasser und die restlichen 35,71 % einem guten Freund des Erblassers gehörte, der ebenfalls in seinem Teil lebte.
Der Erblasser kam ums Leben und hinterließ ein handgeschriebenes, unterschriebenes und datiertes Schriftstück mit folgendem Inhalt:
„Für den Fall meines plötzlichen Ablebens verschenke ich meinen Hausanteil an den Mitbesitzer des Hauses Herrn X.“
Nachlassgericht sah in Schriftstück keine Erbeinsetzung
Der Freund des Erblassers und Miteigentümer des Hausgrundstücks reichte dieses Schriftstück beim Nachlassgericht ein und beantragte einen Erbschein, welcher ihn als alleinigen Erben ausweisen sollte. Der Sohn des Erblassers, welcher als einziger gesetzlicher Erbe in Betracht kam, trat dem Verfahren als Beteiligter bei. Das Nachlassgericht sah schließlich in dem Schriftstück kein Testament und damit auch keine Einsetzung des Freundes als Erben und wies den Erbscheinsantrag zurück.
Hiergegen legte der Freund des Erblassers Beschwerde beim Oberlandesgericht Brandenburg ein und bekam recht. Das Nachlassgericht musste dem Freund und Beschwerdeführer im Anschluss einen Erbschein ausstellen. Der Sohn galt damit als enterbt. Zu diesem Ergebnis war das Oberlandesgericht durch Auslegung gelangt.
Ausdrücklich weder Testament noch Erbeinsetzung
Problematisch war das vermeintliche Testament aus zwei Gründen: Zum einen war das Schriftstück gar nicht etwa als Testament oder Verfügung von Todes wegen bezeichnet. Auch Worte wie „Erbe“ oder „Nachlass“ tauchten nicht auf. Aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes handelte es sich also gar nicht um ein Testament, sodass man meinen könnte, dass eine Einsetzung des Freundes als Erben fernliegend sein könnte. Zum anderen hatte der Erblasser in dem Schriftstück nur seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dass sein Freund seinen Hausanteil bekommen soll. Was mit seinem übrigen Vermögen „bei einem plötzlichen Ableben“ geschehen soll, hatte er nicht ausdrücklich festgelegt. Ein Erbe ist per Gesetz ein sogenannter Gesamtrechtsnachfolger, erbt also grundsätzlich den gesamten Nachlass, also alle Vermögensgegenstände und alle Verbindlichkeiten.
OLG kam durch Auslegung zu eindeutigem Willen
Das Oberlandesgericht kam durch Auslegung allerdings zu dem Ergebnis, dass der Erblasser in Wirklichkeit nicht nur seinem Freund die Haushälfte bei einem plötzlichen Tod schenken wollte, sondern vielmehr wollte, dass der Freund bei seinem Tod sein alleiniger Erbe wird.
Testamente, die nicht eindeutig verfasst sind, müssen ausgelegt werden. Bei Testamenten versucht man gem. § 133 BGB immer zu ermitteln, was der wahre Wille des Erblassers war, als er das Testament geschrieben hat. Darauf, wie man das Testament hätte möglicherweise als Dritter verstehen können, kommt es bei Testamenten gerade nicht an. Bei der Auslegung nach § 133 BGB kommt es auch nicht auf die Verwendung bestimmter juristischer Fachbegriffe an, denn juristische Laien können rechtlichen Begriffen mitunter eine ganz andere Bedeutung zuwenden, als sie eigentlich haben.
Auslegung zugunsten der Wirksamkeit
Das Gericht kam zunächst zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um eine Schenkung, sondern um ein Testament handelt. Es verweist in diesem Zusammenhang auf § 2084 BGB. Hierbei handelt es sich um eine Auslegungsregel für Testamente zugunsten der Wirksamkeit. Demnach ist nämlich bei Zweifeln immer die Auslegung vorzuziehen, bei welcher die Verfügung Erfolg haben kann. Zwar war das Schriftstück des Erblassers ausdrücklich eher als Schenkung formuliert, entscheidend war aber hier, dass eine Schenkung auf diese Weise nicht rechtswirksam gewesen wäre – sie hätte notariell beurkundet werden müssen. Das Gericht kam aber zum Ergebnis, dass der Erblasser zumindest gewollt hatte, dass der Freund tatsächlich den Hausteil bei seinem Tod bekommt und deutete das Schriftstück deshalb als Testament.
Erbschaft angenommen trotz Einzelzuwendung
Das Oberlandesgericht warf dann noch die Frage auf, ob der Erblasser seinem Freund den Hausteil nur als Vermächtnis zuwenden wollte oder ob er ihn zum Alleinerben einsetzen wollte. Denn in aller Regel, so besagt auch das Gesetz, handelt es sich bei Zuwendungen von einzelnen Gegenständen im Zweifel um ein Vermächtnis und nicht um eine Erbeinsetzung. Da der Erblasser bis auf den Hausteil allerdings kein wesentliches Vermögen hatte, kam das Oberlandesgericht zu dem Entschluss, dass der Erblasser auch wollte, dass er Gesamtrechtsnachfolger, also Erbe wird. Hätte das Oberlandesgericht dies nicht so gesehen, dann wäre der Sohn Erbe geworden und der Freund hätte die Übereignung des Hausteils von ihm einfordern müssen. Leer geht der Sohn dennoch nicht aus, denn er hat nun Anspruch auf seinen Pflichtteil. Ihm steht ein erheblicher Geldbetrag in Höhe der Hälfte des Vermögens seines Vaters zu. Man kann davon ausgehen, dass der Freund diesen Betrag an den Sohn auszahlen muss.