Geerbte Immobilie verkauft – wie berechnet sich der Pflichtteil?

Anspruch auf Wertermittlung bei Unklarheiten

Veröffentlicht am: 27.10.2021
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
Lesedauer:

Anspruch auf Wertermittlung bei Unklarheiten

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Bernfried Rose

Wird ein Kind enterbt, hat es im Erbfall Pflichtteilsansprüche. Um den Pflichtteil zu berechnen, muss der Erbe grundsätzlich Auskunft über den Nachlass geben und auch den Wert der Vermögenspositionen ermitteln. Aber was ist mit einer Immobilie, die von den Immobilien verkauft wurde? Ob in diesem Fall stets der Kaufpreis für die Berechnung des Pflichtteils heranzuziehen ist, musste kürzlich der Bundesgerichtshof entscheiden (BGH, Urteil vom 29. September 2021 – IV ZR 328/20).

Unklarheit über den Wert einer Immobilie im Nachlass

In dem Fall war eine Tochter enterbt worden und verklagte zur Durchsetzung ihrer Pflichtteilsansprüche den Erben auf Wertermittlung. Dieser hatte nach dem Erbfall eine Nachlassimmobilie zu einem Preis von 65.000 Euro verkauft. Die Tochter zweifelte daran, dass dies dem tatsächlichen Wert des Hauses entsprach. Für eine erfolglose Teilungsversteigerung im Jahr zuvor waren allerdings 245.000 Euro als Wert ermittelt worden und ein von der Tochter beauftragter Gutachter schätzte den Wert auf 120.000 bis 175.000 Euro.

Der Erbe, der 33.400 Euro auf den Pflichtteil gezahlt hatte, wurde vom Landgericht Zwickau verurteilt, den Immobilienwert durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen ermitteln zu lassen. Dagegen wehrte sich dieser und bekam vor dem OLG Dresden recht. Dieses wies die Klage fast vollständig ab und sprach der Tochter nur 270 Euro zusätzlich zu. Sie habe kein schutzwürdiges Interesse an der Wertermittlung, da das Haus verkauf und daher der Verkaufspreis maßgeblich sei.

BGH auf der Seite der Pflichtteilsberechtigten

Die Sache landete schließlich beim BGH. Dieser folgte der Auffassung des OLG, dass keine Wertermittlung in Betracht komme, nicht. Schließlich solle eine solche Wertermittlung dem Pflichtteilsberechtigten die Möglichkeit geben, einzuschätzen, ob sich ein Streit mit dem Erben lohne. Das gelte gerade, wenn stark abweichende Bewertungen im Raum stünden. Diese Option, so der BGH, müsse es auch bei bereits verkauften Nachlasswerten geben, um den Pflichtteil zu berechnen.

Der BGH gab die Sache an das Landgericht zurück. Das, so die Richter in Karlsruhe, hätte schon das OLG tun müssen. Das Landgericht habe fälschlich die Wertermittlung unter Einsatz eines öffentlich bestellten und vereidigten Gutachters zugesprochen. Eine solche Qualifikation werde aber vom Gesetz gar nicht gefordert und ein Sachverständiger müsse lediglich unparteiisch sein.

Wie hoch ist der Pflichtteil?

Bei einem Erbstreit zwischen Erbe und Pflichtteilsberechtigtem geht es immer wieder um die richtige Bezifferung der Höhe von Pflichtteilsansprüchen. Gerade bei Immobilien und Unternehmensanteilen wird es ohne Einigung regelmäßig auf die Beauftragung eines Sachverständigen hinauslaufen.

Weitere Problemfelder bei der Berechnung des Pflichtteils ergeben sich, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Vermögen an Dritte verschenkt hat und auch in den Fällen, in denen sich der Pflichtteilsberechtigte Schenkungen an ihn anrechnen lassen muss.