Wie sozial ist die Kirchensteuer?

Christian Lindners Trauung und ein Steuersparmodell

Die Aufregung war groß, als Bundesfinanzminister Christian Lindner seine Braut Franca Lehfeld kirchlich heiratete. Dachte man doch allgemein, Gottes Segen erhielten nur diejenigen, die Kirchensteuer zahlen. Doch als berufsmäßiger Steuerfuchs weiß Lindner natürlich, dass Kirchensteuer keine zwingende Voraussetzung für eine kirchliche Trauung ist und auch in ihrer Wirkung ziemlich überschützt wird.

Veröffentlicht am: 10.07.2022
Qualifikation: Rechtsanwalt und Mediator in Hamburg
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Wohin fließt eigentlich die Kirchensteuer?

Woher die Kirchensteuer kommt, kann der gewöhnliche Katholik oder Protestant gut auf seiner Gehaltsabrechnung nachlesen. Wofür sie verwendet wird wissen dagegen nur wenige. Während man bei der Katholischen Kirche auf Anhieb nicht viele Informationen findet, stößt man online schnell auf eine detaillierte Aufstellung einer evangelischen Landeskirche. Danach wird die Kirchensteuer ganz überwiegend für Gottesdienste, Seelsorge, Religionsunterricht, Verwaltung, Gebäudeunterhalt und andere Zwecke ausgegeben, die der Ausübung und Verbreitung der Religion dienen. Hierzu gehört übrigens auch die Trauung von Christian Lindner. Insoweit haben also die zahlenden Kirchenmitglieder die kirchliche Heirat des Ministers ermöglicht, indem sie das Gehalt der Pastorin und den Unterhalt des Kirchengebäudes finanzierten. Hoffen wir mal, dass Linder und seine Hochzeitsgesellschaft wenigstens den Klingelbeutel ordentlich haben klingeln lassen…

„Ich zahle Kirchensteuer als soziales Engagement“

Aber wie steht es mit dem sozialen Engagement der Kirche? Von dem haben doch alle etwas. Sind nicht viele Menschen nur noch deshalb in der Kirche und zahlen Kirchensteuern, weil sie stolz darauf verweisen, dass sei ihr "soziales Engagement", ein "Beitrag für die Allgemeinheit"?

Tatsächlich werden ca. 20 Prozent der Kirchensteuer auch für solche Zwecke verwendet, die wenig kirchlichen Bezug haben und grundsätzlich allen Bürgern zugutekommen. Das können beispielsweise Jugendfreizeiten sein oder aber auch Aktivitäten von „Brot für die Welt“, das Entwicklungswerk, das zu ca. 1/5 aus Kirchensteuern finanziert wird.

Ein gemeinnütziges Steuersparmodell?

Gehen wir also mal – etwas vereinfacht - davon aus, dass von der Kirchensteuer ca. 80 Prozent in „kirchlich-religiösen“ Bereich und 20 Prozent in den „gemeinnützig sozialen“ Bereich fließen. Allerdings müssen wir dabei noch ein Phänomen berücksichtigen, dass oft unbeachtet bleibt: Die Kirchensteuer ist bei der Steuererklärung unbeschränkt als Sonderausgabe abzugsfähig und damit ein wunderbar legals Steuersparmodell Würde Christian Lindner also Kirchensteuern zahlen, würde das seine Einkommensteuer reduzieren – als Spitzenverdiener im Spitzensteuersatz sogar erheblich. Dabei gibt es doch kaum etwas solidarischeres als das Zahlen von Einkommensteuer, da – anders als bei der Kirchensteuer – große Teile des regulären Steueraufkommens der Allgemeinheit mit sozialem Bezug zugutekommen.

Im Ergebnis zahle ich also Kirchensteuer, von der nur ein kleiner Teil für nicht-kirchliche soziale Zwecke verwendet wird. Gleichzeitig verringer ich damit meine normalen Steuerzahlungen, so dass ich unterm Strich eine negative "Sozial-Bilanz" bekomme.

Kein Dilemma – Gott sei Dank!

Man kann vermuten, dass dies nicht die Überlegung von Christian Lindner war, als er mit 18 Jahren aus der katholischen Kirche austrat und das Thema Kirchensteuer zu den Akten legte.

Manch einer mag aber die dargestellte steuerliche Situation als Dilemma empfinden, würde man doch gerne weiter das Narrativ pflegen, dass man auch als passiver Christ gerne die Institution Kirche mit der Zahlung von Kirchensteuer unterstützt, um Gutes zu tun.

Dabei ist die Sache doch eigentlich klar. Wer an Gott und die Botschaft der Kirche glaubt, für den lohnt sich die Mitgliedschaft ohnehin. Wer nicht ganz so gläubig ist, aber gerne die ein kirchliches Projekt, die Freiwilligenarbeit in der Diakonie oder andere gute Dinge aus der Kirchenwelt unterstützen will, kann dies ganz gezielt direkt tun und nicht über die Gießkanne Kirchensteuer, bei der dann nur ein paar Tropfen genau da landen, wo man sie haben will. Und die Spendenquittung für die Steuererklärung gibt es auch so.