Irrtum über Erbfolge bei Ausschlagung unbeachtlich
Keine Anfechtung der Ausschlagung, wenn eine andere Person als gedacht Erbe wird
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Es besteht lediglich ein unbeachtlicher Motivirrtum, wenn der Ausschlagende seinen Wegfall als Mittel zum Zweck erachtet hat, dass eine bestimmte Person an seine Stelle tritt. Eine Anfechtung der Ausschlagung ist somit nicht möglich.
Der Bundesgerichtshof hat sich in einem aktuellen Beschluss (Beschluss vom 22.3.2023 – IV ZB 12/22) zur Anfechtung einer „lenkenden Erbausschlagung“ geäußert: Eine Ausschlagung einer Erbschaft kann im Nachhinein nicht mehr angefochten werden, wenn der Ausschlagende sich nur über die Person geirrt hat, die an seine Stelle als Erbe tritt. Hierbei handele es sich lediglich um einen unbeachtlichen Motivirrtum, so der BGH.
Die eigene Mutter sollte Alleinerbin werden
Dem Beschluss des Bundesgerichtshofs lag ein Erbfall aus dem Jahr 2018 zugrunde. Der Erblasser hatte zu Lebzeiten kein Testament errichtet. Gesetzliche Erben wurden zunächst die Ehefrau gemeinsam mit den Kindern des Erblassers. Da der wesentliche Nachlass aber wohl überwiegend aus der Eigentumswohnung bestand, in welcher die Ehefrau wohnte und auch wohnen bleiben wollte, entschieden alle Beteiligten gemeinsam, dass es wohl besser sei, wenn die Ehefrau des Erblassers und Mutter der Miterben Alleinerbin wird. Aus diesem Grund schlugen die Kinder die Erbschaft aus.
Geschwister und Halbgeschwister wurden gesetzliche Erben
Alle Beteiligten gingen davon aus, dass bei einer Ausschlagung aller Miterben die eigene Mutter und Ehefrau des verstorbenen Erblassers Alleinerbin werden würde. Die beim Nachlassgericht eingegangene Mitteilung enthielt lediglich die Information, die Erbschaft „aus allen in Betracht kommenden Gründen“ auszuschlagen. Konkrete Gründe wurden nicht vorgetragen.
Da der Erblasser aber Geschwister und Halbgeschwister hatte, trat die begehrte Alleinerbenstellung der Mutter gerade nicht ein.
Die Ausschlagung wurde in der Folge mit der Begründung angefochten, dass keine Kenntnis über die Existenz der Geschwister und Halbgeschwister bestand. Die eigene Mutter sollte Alleinerbin werden, um die Eigentumswohnung zu erhalten.
Ausschlagungserklärung enthielt keine Bedingung
In der schriftlichen Ausschlagungserklärung gegenüber dem Nachlassgericht wurde die Erwartung, dass die Ausschlagung nur als Mittel zum Zweck der Alleinerbenstellung der Mutter erfolgen soll, nicht ausdrücklich erwähnt. Die Erwähnung hätte eine Bedingung im Rechtssinne dargestellt und die Unwirksamkeit der Ausschlagung zur Folge gehabt § 1947 BGB.
Die fallrelevante Frage der Unmittelbarkeit
Der BGH stellt in seinem Beschluss klar, dass die grundsätzlich form- und fristgerecht erklärte Anfechtung unwirksam sei, weil kein Grund zu Anfechtung vorliege.
Der einzig in Betracht kommende Anfechtungsgrund sei der sogenannte Inhaltsirrtum in Form des Rechtsfolgenirrtums. Dieser ist vom unbeachtlichen Motivirrtum zu unterscheiden.
Der Rechtsfolgenirrtum bestehe, soweit unmittelbar über die Folge der Erklärung geirrt wurde. Im Zusammenhang mit der Erklärung stehende mittelbare Irrtümer stellen dagegen bloße Motivirrtümer dar, die unbeachtlich sind.
„Lenkende Ausschlagung“ als reiner Motivirrtum
Über diese Frage, ob die „lenkende Ausschlagung“ zu einem Irrtum über die mittelbaren oder unmittelbaren Rechtswirkungen führt, soweit eine andere Person als die begehrte als Erbe nachrückt, besteht Uneinigkeit bei den unterinstanzlichen Gerichten, sodass der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung Farbe bekennen musste.
Zwar irrte der Erklärende über die Folgen seiner Erklärung, weil gerade nicht seine Mutter Alleinerbin geworden ist. Einen Inhaltsirrtum lehnt das Gericht aber mit der Begründung ab, dass gerade keine wesentlich und damit unmittelbar andere als die begehrte Rechtsfolge eingetreten ist.
Zu der gewollten und eingetretenen Folge (die Ausschlagung des Erbes) sollte die Rechtsfolge, dass die Mutter Alleinerbin wird, nur mittelbar ergänzend hinzutreten. Insoweit stellt sie einen bloß unbeachtlichen Motivirrtum dar. Es besteht kein Irrtum über die unmittelbaren Rechtswirkungen der Ausschlagung.
Hierfür verweist das Gericht auf die der Ausschlagung zugrunde liegende Norm § 1953 BGB.
Diese hat nur zum Inhalt, dass durch die Ausschlagung die eigene Rechtsstellung aufgegeben wird und dem Nächstberufenen anfällt.
Die Norm weist damit zwar auf den weiteren Rechtsfortgang hin, die konkrete Bestimmung des Nächstberufenen wird aber gerade nicht von den Vorschriften der Ausschlagung umfasst. Wer Nächstberufener ist, ergibt sich aus den weiteren Vorschriften des Erbrechts oder dem Testament selbst.
Ein Irrtum über die weiteren Folgen stellt damit nur eine fehlerhafte Anwendung der Vorschriften über die Rechtsnachfolge dar und gerade keine fehlerhafte Anwendung der Vorschriften über die unmittelbaren Wirkungen der Ausschlagung.
Subjektive Vorstellungen oder Willensrichtungen sind unerheblich
Die Anfechtung ist auch weder dadurch gerechtfertigt, dass der Ausschlagende die Einsetzung der Mutter als leitendes Motiv nennt, noch durch sonstige wertende Betrachtungen in Form von Vorstellungen oder Willensrichtungen.
Sinn der Ausschlagungserklärung ist einzig, diese nicht anzunehmen. Die unmittelbaren Folgen der Ausschlagung sind dabei klar im Gesetz geregelt, subjektive Empfindungen und Willensentschlüsse können dabei keine Beachtung finden und damit keine Unmittelbarkeit begründen, die zu einer wirksamen Anfechtung führt.