Geschäftsführerhaftung bei Kartellbußgeldern?
BGH ruft EuGH an
Nachdem das OLG Düsseldorf über eine Ausnahme vom Regressanspruch gegen den Geschäftsführer bei Kartellbußgeldern entschied, muss sich diesem Thema nun der BGH zuwenden. Eine Entscheidungsfindung sei ohne Mitwirkung des EuGH allerdings nicht möglich. Selbst, wenn der Regressanspruch aus deutscher Sicht zu bejahen wäre, könnte immer noch das Europarecht dagegen sprechen.
Die Haftung von Geschäftsführern ist nach wie vor ein Thema von hoher Relevanz für Unternehmen und ihre Führungskräfte. Grundsätzlich sieht sowohl das deutsche GmbH- als auch das Aktiengesetz vor, dass Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder bei Pflichtverletzungen für den daraus entstehenden Schaden der Gesellschaft haften. Der Bundesgerichtshof stellt sich nun jedoch die Frage, ob von diesem Grundsatz bei Kartellbußgeldern eine Ausnahme gemacht werden muss. Hierzu soll der Europäische Gerichtshof Stellung nehmen (BGH, Beschluss vom 11.02.2025 – Az. KZR 74/23).
OLG: Regress unzulässig
Dem Verfahren vor dem BGH gingen bereits Vorinstanzen voraus. Ausgangspunkt war, dass das Bundeskartellamt (BKartA) im Jahr 2018 Bußgelder gegen mehrere Unternehmen aus der Stahlbranche verhängt hatte, die zwischen 2002 und 2015 Preissysteme und Leistungszuschläge abgesprochen hatten. Die nun klagende GmbH musste eine Strafe von 4,1 Millionen Euro zahlen. Auch gegen ihren damaligen Geschäftsführer wurde ein Bußgeld in Höhe von 126.000 Euro verhängt. Der GmbH reichte dies jedoch nicht: Der Geschäftsführer soll zusätzlich zu seinem Bußgeld auch die 4,1 Millionen Euro an die GmbH zurückerstatten. Darüber hinaus seien der GmbH infolge des gesamten Verfahrens zahlreiche Kosten in Höhe von rund 1 Million Euro entstanden, die er ebenfalls erstatten solle.
Damit hatte die GmbH zumindest vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf keinen Erfolg (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.07.2023, Az. VI-6 U 1722). Grund dafür sei, dass ein zulässiger Regress den beabsichtigten Zweck des Bußgelds vereiteln würde. Dieses ziele darauf ab, das Vermögen der Gesellschaft nachhaltig zu treffen – und nicht das des Geschäftsführers.
BGH gerät ins Stocken
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf stieß schnell auf erhebliche Kritik. Die persönliche Haftung von Geschäftsführern ist ein wesentlicher Bestandteil der Compliance-Kultur und schafft einen Anreiz zur Einhaltung gesetzlicher Vorgaben.
Gleichzeitig hätte die Bejahung eines Regressanspruchs weitreichende Folgen für Geschäftsführer und Vorstände. Kartellbußgelder bewegen sich in der Regel im Millionen-, mitunter sogar im Milliardenbereich. In solchen Höhen könnte selbst der D&O-Versicherungsschutz an seine Grenzen stoßen. Geschäftsführer und Vorstände wären dadurch einem erheblichen Existenzrisiko ausgesetzt.
Auch der BGH muss diese Umstände in seiner Entscheidung berücksichtigen. Allerdings sei eine abschließende Beurteilung ohne die Einschätzung des EuGH kaum möglich. Selbst wenn eine persönliche Haftung nach deutschem Recht bejaht würde, bliebe fraglich, ob dies auch den Vorgaben des europäischen Rechts entspräche.
Risiken des Geschäftsführers
Bereits vor der Urteilsfindung ist das erhebliche Risiko der Geschäftsführerhaftung hervorzuheben. Auch bei vermeintlich geringfügigen Verstößen sind Klagen gegen Geschäftsführer keine Seltenheit. Daher sollten sich Führungskräfte jederzeit der potenziellen persönlichen Haftung bewusst sein und geeignete Maßnahmen zur Risikominimierung ergreifen.
Nun bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung eine Ausnahme vom grundsätzlich weitreichenden Regressanspruch zulassen wird und inwieweit dies mit europäischem Recht vereinbar wäre. Eine solche Ausnahme könnte die Geschäftsführerhaftung deutlich abmildern und damit das Haftungsrisiko zumindest teilweise reduzieren.