Zukunftsmusik im Schiedsverfahrensrecht

Abschaffung von Formerfordernissen?

Nicht nur die Reform des staatlichen Gerichtswesens, sondern auch des Schiedsverfahrensrechts tut not. Deutschland muss sich auch als Schiedsstandort verbessern.

Veröffentlicht am: 20.03.2025
Qualifikation: Rechtsanwalt, Corporate & Commercial
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Seit langem wird eine Reform des Schiedsverfahrensrechts herbeigesehnt. Der vor den Neuwahlen des Bundestages bereits weit gediehene Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts wurde bedauerlicherweise nicht mehr verabschiedet. Wie geht es in der neuen Legislaturperiode mit dem Vorhaben weiter? Ein Blick in die Glaskugel.

Umfrage der DIS zum Schiedsverfahrensrecht

Im Vorfeld der wenige Wochen zurückliegenden Bundestagswahl hat die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) die damals im Bundestag vertretenen Fraktionen zu ihren Positionen zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit befragt. Die DIS fragte unter anderem danach, welche konkreten Maßnahmen die Parteien zur Stärkung des Schiedsstandorts Deutschland in der nächsten Legislaturperiode umsetzen wollen. Bis auf AfD und BSW haben alle Parteien eine kurze ausführliche Stellungnahme abgegeben. Die vollständigen Umfrageergebnisse der DIS finden Sie hier. Was lässt sich aus den knappen Sätzen mit Blick auf inhaltliche Streitpunkte des Entwurfs und eine Reform in der kommenden Legislaturperiode ableiten?

Abschaffung von Formerfordernissen im Schiedsrecht

Aktuelle Schiedsverfahren unterliegen hohen Formerfordernissen. Eine der größten und gleichzeitig umstrittensten Neuerungen des Gesetzesentwurfs ist zweifelsohne die Abschaffung der Formerfordernisse für Schiedsklauseln in § 1031 ZPO im B2B-Verkehr. Mehrere Experten brachten Bedenken zum Ausdruck, dass hierdurch das Streitpotential im Schiedsverfahren und in Folgeverfahren erhöht wird und zu Rechtsunsicherheiten führt. Die Existenz der Schiedsvereinbarung ist nicht nur vom Schiedsgericht, sondern auch von staatlichen Gerichten im Aufhebungs- und Vollstreckungsverfahren zu prüfen. Dagegen wird der internationale Vergleich mit renommierten Schiedsstandorten wie Schweden oder Frankreich und die damit verbundene Flexibilität ins Feld geführt. 

Aus prozesstaktischer Sicht kann die Formfreiheit für denjenigen, der durch die Schiedsklausel (z.B. wegen der hohen Prozesskosten) benachteiligt ist, möglicherweise einen strategischen Ausweg bieten.

Die Parteien äußern sich hierzu wie folgt: Die SPD sieht einzig bei diesem Punkt noch Beratungsbedarf, während sie den Gesetzesentwurf im Übrigen befürwortet. Die Berichterstatter im Rechtsausschuss von SPD, Grünen und FDP hatten sich 2024 nach Angaben der FDP auf eine Pflicht zur Dokumentation der Schiedsabrede (also keine vollständige Formfreiheit) geeinigt. Die CDU/CSU als größte Fraktion im neu gewählten Bundestag, bezog auf Anfrage der DIS zwar keine konkrete Position hierzu. Die Ausführungen im rechtspolitischen Programm der Partei, wonach Formerfordernisse im gesamten Zivilrecht auf den Prüfstand gestellt und die Schriftform zur gesetzlichen Ausnahme werden soll, lassen eine liberalere Position zu diesem Punkt vermuten. 

Veröffentlichung von Schiedssprüchen

Ferner sieht der Entwurf vor, dass die Veröffentlichung von Schiedssprüchen erleichtert wird, indem die Zustimmung der Parteien hierzu als erteilt gilt, sofern sie nicht innerhalb von drei Monaten widersprechen (§ 1054b ZPO-E). Dies würde der Rechtsfortbildung dienen, die in manchen Rechtsgebieten (klassisches Beispiel: M&A) durch die Vertraulichkeit der Schiedsverfahren auf der Strecke bleibt. Die Linke unterstützt dies. Gerade die Vertraulichkeit ist aber eines der Hauptargumente für Unternehmen, das Schiedsverfahren zu wählen. Sie ist durch die vorgeschlagene Regelung gefährdet. Denn oft kann auch in einem anonymisierten Schiedsspruch das Unternehmen identifiziert werden, um das es im Verfahren geht.

Commercial Courts als neue Player

Im Gegensatz zur Schiedsreform hat es das Justizstandort-Stärkungsgesetz noch am 10. Oktober 2024 durch den Bundestag geschafft. Es tritt am 01.04.2025 in Kraft. Zentraler Bestandteil des Gesetzes ist die Einrichtung sogenannter Commercial Courts. Diese sollen erstinstanzlich auf Ebene der Oberlandesgerichte eingerichtet werden und in Wirtschaftsstreitigkeiten ein zügiges Verfahren, auch in englischer Sprache ermöglichen. Gerade die Abschaffung der „Sprachbarriere“ wird von SPD, FDP und Linke befürwortet, wie im Übrigen die Einführung der Commercial Courts überhaupt. Auch im Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts soll ihnen eine Rolle zukommen: Er sieht eine Ergänzung des § 1062 ZPO vor, durch die den Commercial Courts die Zuständigkeit für die dort genannten Verfahren vor staatlichen Gerichten (unter anderem Aufhebung und Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen) übertragen werden kann.

Wann könnte es so weit sein?

In Zeiten von Wirtschaftskrise und Ukrainekrieg wird die künftige Regierung alle Hände voll zu tun haben. Dennoch: CDU/CSU bekräftigen die Bedeutung einer international wettbewerbsfähigen deutschen Schiedsgerichtsbarkeit und den Bedarf nach einer grundlegenden Reform. Auch die anderen befragten Parteien teilen dies. Die SPD wird am konkretesten und plädiert in der Umfrage zu Recht für eine zügige Verabschiedung der Schiedsrechtsreform mit Blick auf die kurz bevorstehende Einführung der Commercial und deren Rolle in Schiedsverfahren. Angesichts dessen darf man vorsichtig optimistisch auf eine zeitnahe Reform in der ersten Hälfte der kommenden Legislaturperiode hoffen.