Geld von den Toten
Welche Hürden Erben beim Zugriff auf Nachlasskonten nehmen müssen
Fast jeder Versterbende hinterlässt mindestens ein Bankkonto. Welche Anforderungen die Banken an die Erben stellen dürfen, um Zugriff auf die Konten zu erhalten, ist eine Frage, die immer wieder vor Gericht landet. Wann muss der Erbe einen Erbschein beantragen? Nun hat der BGH mal wieder Recht gesprochen.
Kein Erbschein notwendig, soweit Erbfolge eindeutig
Im zugrundeliegenden Fall verlangten die Erben eines Kontoinhabers die Freigabe der Konten und legten die beglaubigte Abschrift eines handschriftlichen Testaments mitsamt Eröffnungsprotokoll vor. Die kontoführende Sparkasse verlangte jedoch eine gerichtliche Bestätigung, dass in dem Testament zwei Erben genannt seien – faktisch also einen Erbschein.
Zähneknirschend beantragten die Kinder einen gemeinschaftlichen Erbschein, verlangten später jedoch die Übernahme der Kosten in Höhe von 1.770,00 Euro von der Sparkasse. Als eine Schlichtung erfolglos bliebt, wurde geklagt. Wie bereits die Vorinstanzen bestätigte nun der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Entscheidung vom 5. April 2016 den Anspruch der Erben auf Erstattung.
Der Erbe sei grundsätzlich nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern habe auch die Möglichkeit, diesen Nachweis in anderer Form zu erbringen. Hierzu sei grundsätzlich auch ein handschriftliches Testament geeignet.
Erbschein-AGB der Banken
In dem Rechtsstreit ging es übrigens nicht um eine mögliche Vereinbarung der Bank mit dem Erblasser über einen erbrechtlichen Nachweis im Todesfall. Eine solche Vereinbarung wäre in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkasse zu finden. Diese berief sich jedoch im Verfahren gar nicht erst auf ihre AGB.
Bereits 2013 kippte der BGH die sogenannte Erbschein-AGB der Banken und Sparkassen, nach der das Kreditinstitut zur Klärung der Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins verlangen kann. Hierdurch sei der Kunde unangemessen benachteiligt.
Risiko der Banken auf doppelte Inanspruchnahme
Aus den Urteilen des BGH geht hervor, dass dieser durchaus die Interessenlage der Banken erkennt. Immerhin laufen sie Gefahr, bei der Auszahlung von Kontoguthaben an einen falschen Erben doppelt in Anspruch genommen zu werden und – wenn es schlecht läuft – für die ausgezahlte Summe gerade zu stehen.
Gerade beim handschriftlichen Testament – so die Richter – gibt es die Gefahren der Rechtsunkenntnis, unklarer Formulierungen, des Urkundenverlusts, seiner Unterdrückung oder Fälschung. Dennoch sei es stets eine Frage des Einzelfalls, ob nicht doch das Testament die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist.
Eindeutigkeit der Erbfolge wird Streitthema bleiben
Das aktuelle Urteil und seine Begründung sind grundsätzlich nachvollziehbar. Einen Gewinn an Rechtssicherheit bringt es jedoch kaum. Der BGH hat selbst erläutert, welche Unwägbarkeiten mit einem Testament verbunden sind. Selbst wenn das Testament eindeutig ist, steht z.B. längst nicht fest, dass es nicht noch weitere Testamente gibt, die vorrangig sind, weil sie später errichtet wurden. Auch kann ein Testament angefochten werden. Diese Fragen können nur im Erbscheinverfahren bzw. im Rahmen einer Erbfeststellungsklage rechtssicher geklärt werden.
Die vom BGH ins Feld geführten „eindeutigen“ Erbfolgen dürften daher nicht die Regel sein. Banken und Sparkassen werden damit wohl auch künftig restriktiv mit Nachlasskonten umgehen.