Das gemeindliche Vorkaufsrecht

Kampf um die raren Großstadtimmobilien

Veröffentlicht am: 11.01.2019
Qualifikation: Rechtsanwalt & Fachanwalt für IT-Recht in Hamburg
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In Zeiten angespannter Wohnungsmärkte in Großstädten wie Berlin, Hamburg und München ist das gemeindliche Vorkaufsrecht wieder verstärkt in den Fokus geraten.

Angelehnt an das zivilrechtliche Vorkaufsrecht des BGB geben die §§ 24 ff. BauGB den Gemeinden die Möglichkeit, „beim Kauf von Grundstücken“ ein Vorkaufsrecht auszuüben. Beispielsweise hat die Gemeinde ein Vorkaufsrecht „in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet und städtebaulichen Entwicklungsbereich“. Im Ergebnis kann die Gemeinde also unter bestimmten Voraussetzungen in einen geschlossenen Kaufvertrag eintreten.

Erst kürzlich erwarb die Stadt Berlin sogar mehrere Gewerbeimmobilien mittels des gemeindlichen Vorkaufsrechts und machte den Vertragsparteien einen Strich durch die Rechnung. Die Immobilie kann nun nicht von dem betroffenen Wachstumsunternehmen erworben und als Firmenzentrale benutzt werden, sondern wird mittelfristig ein Behördenstandort sein.

Umgehung des Vorkaufsrechts?

Solche Maßnahmen werden ein seit Jahrzehnten bekanntes Phänomen noch weiter anheizen: die Umgehung von Vorkaufsrechten. Die Marktteilnehmer reagieren auf Vorkaufsrechte – egal ob öffentlich-rechtlicher oder zivilrechtlicher Natur – mit Ausweichgestaltungen. Es stellt sich dann die Frage, ob eine Ausweichgestaltung derart „nah“ an einem Vorkaufsfall ist, dass die Gestaltung im Ergebnis einem Verkauf gleichzustellen ist. 

Ein Umgehungsgeschäft ist eine vertragliche Gestaltung, die allein den Zweck hat, das gemeindliche Vorkaufsrecht zu vereiteln. Hierbei geht es den Vertragsparteien darum, eigentumsrechtlichen Übergang des Grundstücks so gestalten, dass der Vorkaufsfall nicht eintritt, obwohl die Parteien im wirtschaftlichen Ergebnis einen Kaufvertrag wollen. Hier ist nicht formalistisch auf eine einzige Vertragsurkunde abzustellen, sondern auf den gesamten rechtlich-wirtschaftlichen Vorgang, so dass auch mehrere hintereinander geschaltete Verträge erst in der Summe ein Umgehungsgeschäft darstellen.

Hier sind die Parteien durchaus kreativ: mittels Schenkungen, Einbringungen in Gesellschaften oder Tauschgeschäften hat man versucht, Vorkaufssituationen abwenden – mit gemischtem Erfolg. Die Gerichte lassen sich insbesondere nicht durch eine formaljuristische Argumente bremsen, sondern nehmen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise vor. Eine noch so ausgeklügelte Transaktionsstruktur kann also im Ergebnis nicht helfen, wenn es bei wirtschaftlicher Betrachtung doch ein Verkauf einer Immobilie an einen Dritten ist.

Immobilien Share Deal – nicht nur grunderwerbssteuerlich unter Beobachtung des Gesetzgebers

Bei einem Share Deal, also der Übertragung sämtlicher Anteile an einer Immobiliengesellschaft, findet übrigens das Vorkaufsrecht keine Anwendung. Rechtspolitisch kann man hierin ein Defizit sehen, werden doch viele Immobilien per Share Deal erworben und verkauft. Es ist daher nicht auszuschließen, dass gesetzgeberische Maßnahmen folgen werden, die den Gemeinden bei gesellschaftsrechtliche Gestaltungen eine stärkere Rechtsposition einräumen. 

Fazit

Eigentümer und Kaufinteressanten von Gewerbeobjekten in Ballungsräumen sollten frühzeitig das Thema Vorkaufsrecht als Besonderheit des Immobilienrechts auf der Tagesordnung haben. Im worst case drohen unnütze Transaktionskosten und fehlende Planungssicherheit. Ein Share Deal kann hier möglicherweise ein Ausweg sein.