Das Behindertentestament

Immer noch und weiterhin klar zulässig

Veröffentlicht am: 09.01.2020
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Immer noch und weiterhin klar zulässig

Ein Beitrag von Rechtsanwältin Sybill Offergeld

Beim sogenannten Behindertentestament wird dem behinderten Kind ein wenig mehr als sein Pflichtteil zugewendet. Dem Kind sollen Annehmlichkeiten gesichert werden, der Sozialhilfeträger aber soll keinen Zugriff haben. Diese Testamente sind nicht sittenwidrig und sie verstoßen auch nicht gegen das Sozialrecht, dies entspricht gefestigter Rechtsprechung. Diese Testamente sind Ausdruck der elterlichen Sorge für das Kind über den Tod der Eltern hinaus.

Nun hatte der Bundesgerichtshof einen neuen Fall zum Behindertentestament zu entscheiden: Ein psychisch Erkrankter – der Betroffene - nahm seit Leistungen aus einer staatlichen Betreuung wahr. Die Vergütung wurde aus der Staatskasse gezahlt. Im Jahr 2014 erbte der Betroffene. Er wurde zum Vorerben zu einer bestimmten Quote eingesetzt und zudem wurde Testamentsvollstreckung angeordnet. Zu Verbesserung seiner Lebensqualität erhielt der Betroffenen aus dem Nachlass zusätzlich zu seinen staatlichen Leistungen den Betrag von jährlich 2.500,00 EUR.

Nach dem Urteil des Landgerichts sollte der Betroffene die Leistungen der Betreuung an die Landeskasse erstatten – hiergegen legte Beschwerde ein.

Wann zahlt der Staat?

Grundsätzlich ist es so, dass die Staatskasse nur dann die Vergütung der Betreuung übernimmt, wenn der Betreute mittellos ist. Soweit dann die Staatskasse Leistungen zur Vergütung eines Betreuers erbracht hat, geht der Anspruch des Betreuers gegen den Betreuten auf die Staatskasse über.

Die Staatskasse prüft dann, ob sie sich die erbrachten Leistungen vom Betreuten zurückholen kann. Dabei wird – wie oft im Sozialrecht – die Leistungsfähigkeit des Betroffenen vom Sozialträger geprüft. Dabei kommt nur das sogenannte einsetzbare Einkommen und Vermögen in Betracht. Welches Einkommen nicht verwertet werden muss und welches Vermögen zum Schonvermögen zählt, ist gesetzlich festgelegt.

Darüber hinaus bleibt Vermögen unberücksichtigt, dessen Einsatz oder Verwertung für den Betroffenen eine Härte bedeuten würde.

Der BGH hatte nun entschieden, dass der Betroffenen nicht leistungsfähig war. Er verfügt über kein verwertbares Vermögen, weder muss er seinen Erbteil, noch die daraus erzielten Erträge für die Betreuervergütung einsetzen. Denn durch die angeordnete Testamentsvollstreckung ist der Betroffene in seiner Verfügungsbefugnis eingeschränkt.

Rechtsprechung gefestigt

Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH sind „Verfügungen von Todes wegen, in denen Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie einer - mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen - Dauertestamentsvollstreckung so gestalten, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann, grundsätzlich nicht sittenwidrig, sondern vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus.“

Das vorinstanzliche Landgericht hatte diesen Fall anders beurteilt, da der Testamentsvollstrecker keine Anweisungen vom Erblasser erhalten hatte, wie er das Vermögen verwalten solle, also in welchem Umfang und zu welchen Zwecken der Betroffene Vorteile aus dem Nachlass erhalten soll.

Der BGH stellte aber klar, dass auch im vorliegenden Fall der Betroffene Leistungen aus dem Erbe verlangen kann und diese geschützt sind, selbst wenn Art und Umfang durch Anweisung an den Testamentsvollstrecker nicht festgelegt waren. Dies – so der BGH – sei auch Ausdruck der Testierfreiheit, die grundrechtlich gesichert ist. Eine Einschränkung dieser Testierfreiheit ist nur ausnahmsweise mit guten Gründenzulässig.

Letzte offene Fragen geklärt

Für die Praxis ist diese Entscheidung des BGH erfreulich. Sie ist nicht nur konsequent, sondern schafft auch Klarheit bezüglich zweier Punkte in Verbindung mit dem typischen Behindertentestament, die bisher nicht eindeutig waren:

  • Verwaltungsanordnungen des Erblassers haben stets Vorrang vor gesetzlichen Regelungen zur Verwaltung des Nachlasses.
  • Wenn keine Anordnungen an den Testamentsvollstrecker festgelegt sind, darf dieser die Erträge des Vermögens auch thesaurieren.

Und es bleibt bei der klaren Linie: Danach sind bekanntlich Verfügungen von Todes wegen von Eltern eines behinderten Kindes, die die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie einer Dauertestamentsvollstreckung so gestalten, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann, grundsätzlich nicht sittenwidrig, sondern Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus.