Ansatz der "üblichen Miete" bei der Bewertung von Immobilien
BFH: Der Mittelwert ist nicht Maßgeblich
BFH: Der Mittelwert ist nicht Maßgeblich
Ein Beitrag von Rechtsanwalt und Steuerberater Dirk Mahler
Die steuerliche Bewertung von Mietshäusern findet nach dem sogenannten Ertragswertverfahren statt. Das Bewertungsgesetz, das insbesondere für die Erbschaftssteuer gilt, sieht als Ausgangslage den sogenannten Rohertrag vor. Dem Rohertrag entspricht in der Regel die gezahlte Nettokaltmiete. Weicht die tatsächliche Miete von der üblichen Miete um 20 Prozent ab, kommt an Stelle der tatsächlichen Miete die übliche Miete zum Ansatz. Zur Feststellung der üblichen Miete wird dabei auf den örtlichen Mietspiegel zurückgegriffen. Rechtlich unklar war dabei bisher, wie mit Mietspiegelspannen umzugehen ist.
BFH: Entscheidungserheblich sind der unterste oder der oberste Wert eines Mietspiegels
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Fall (Urt. v. 5.12.2019 – II R 41/16) nunmehr zulasten der Steuerpflichtigen entschieden, dass eine vertraglich vereinbarte Miete nicht mehr als üblich angesehen werden könne, wenn sie mehr als 20 % niedriger ist als der unterste Wert der Spanne des verwendeten Mietspiegels oder wenn sie mehr als 20 % höher ist als der oberste Wert der Spanne. Auf den Mittelwert komme es insoweit nicht an.
Die Mutter des Steuerpflichtigen verstarb im Jahr 2012 und beerbte diesen. Teil des Erbes war ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück. Die tatsächlichen Mieten überschritten überwiegend die im Mietspiegel ausgewiesen Mieten erheblich. Ausgehend vom Mittelwert der Spanne wäre die 20-Prozent-Hürde bei den meisten Wohnungen überschritten worden. Dagegen käme es nicht zu einer Überschreitung dieser Grenze, wenn der jeweilige Höchstwert zugrunde gelegt werden würde. Dementsprechend argumentierte der Steuerpflichtige, dass es auf den Mittelwert ankomme während die Finanzverwaltung von der Höchstgrenze ausging.
BFH: Üblich sind innerhalb der Spannbreite eines Mietspiegels liegenden Werte
Wird ein Mietspiegel herangezogen, werden die Daten differenziert verwendet. In Mietspiegeln wird häufig der um Ausreißer bereinigte Durchschnitt aller erhobenen Mietwerte in Form des Mittelwerts veröffentlicht. Zusätzlich werden Mietspannen angegeben, um den Besonderheiten des Einzelfalls besser Rechnung tragen zu können. Grundsätzlich ist der im Mietspiegel ausgewiesene gewichtete Mittelwert anzusetzen. Bei ausreichenden Anhaltspunkten für einen konkreten niedrigeren oder höheren Wert ist dieser Wert anzusetzen. Für die Überprüfung der Ortsüblichkeit von tatsächlich erzielten Mieten ist auf den jeweils unteren Wert oder den jeweils oberen Wert der Spanne abzustellen. D.h. eine Miete, die mehr als 20 % niedriger ist als der untere Wert der Spanne bzw. die mehr als 20 % höher ist als der obere Wert der Spanne, ist nicht mehr ortsüblich.
Üblich sind innerhalb der Spannbreite eines Mietspiegels liegende Mieten. Das in § 186 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG zweimal erscheinende Tatbestandsmerkmal „übliche(n) Miete“ ist jeweils ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher der Auslegung unterliegt. Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ist gerichtlich voll überprüfbar. Jedenfalls soweit es das Verständnis der zur Ermittlung der 20 %-Grenze anzusetzenden „üblichen Miete“ betrifft, folgt der BFH der Auffassung der Finanzverwaltung. Alle Mietwerte innerhalb der Spannbreite eines Mietspiegels sind als üblich anzusehen. Erst die Überschreitung bzw. Unterschreitung der jeweiligen Grenzwerte führt zur Unüblichkeit. Das entspricht bereits dem allgemeinen Sprachgebrauch, der als „üblich“ dasjenige zu bezeichnen pflegt, das sich „im Rahmen des Üblichen“, also innerhalb einer gewissen Spanne, bewegt.
Die Ausnahme bestätigt die Regel
Es entspricht auch dem Zweck der Vorschrift. Sie will unzutreffende Bewertungsergebnisse vermeiden, die sich bei einer ausschließlichen Abhängigkeit des Grundbesitzwerts von einer zufällig oder gezielt vereinbarten tatsächlichen Miete ergäben. Insbesondere soll bei einer Abweichung nach unten einem Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten durch Vereinbarung einer zu geringen Miete vorgebeugt werden. Umgekehrt ist es zu vermeiden, dass im Einzelfall überhöhte Mietzinsen zu einer nicht realitätsgerechten Bewertung führen. Die Vorschrift ist jedoch so auszulegen, dass sie auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt. Die Grundbesitzbewertung erfolgt in einem von Typisierung geprägten Verfahren. Abweichungen von der Regelbewertung dürfen nicht zum Regelfall werden. Nach alldem kann nicht auf den Mittelwert abgestellt werden. Denn das könnte zu dem dann denkbaren, aber sinnwidrigen Ergebnis führen, dass ein Mietpreis, der noch innerhalb der Spannbreite des Mietspiegels liegt, wegen einer die 20 %-Grenze überschreitenden Abweichung vom Mittelwert zu einer Verwerfung der vereinbarten Miete führt.
Diese Wertung wird dadurch bestätigt, dass im Steuerrecht auch anderen Orts als übliche Miete jede Miete verstanden wird, die sich innerhalb der in einem Mietspiegel ausgewiesenen Spanne zwischen mehreren Mietwerten bewegt.
Anders als der Steuerpflichtige meint, verkompliziert es die Bewertung nach der Ansicht des BFH nicht, wenn als Vergleichsmaßstab statt des Mittelwerts ein äußerer Wert dient. Denn ebenso wie der Mittelwert ist auch der äußere Wert einfach aus dem Mietspiegel abzulesen. Auch stellt der Mittelwert keine verlässlichere Größe dar als die Mietpreisspanne. Als gewogenes Mittel ist er hieraus statistisch abgeleitet und deshalb von gleicher inhaltlicher Plausibilität.
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