Zuständigkeit bei Auslandsscheidung
EuGH stellt auf tatsächliche Beziehung ab
In einer aktuellen Entscheidung hat nun der Europäische Gerichtshof entschieden, dass es bei internationalen Scheidungen darauf ankomme, ob derjenige, der die Scheidung beantragt, eine tatsächliche Beziehung im Land der Antragstellung hat.
Ehen sind heute so international wie das Leben selbst. Und spätestens bei der Scheidung fragen sich die Betroffenen dann nach den Regeln welchen Staates diese abläuft. In einer aktuellen Entscheidung hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 10.02.2022 – C-522/20) entschieden, dass es bei internationalen Scheidungen darauf ankomme, ob derjenige, der die Scheidung beantragt, eine tatsächliche Beziehung im Land der Antragstellung hat.
Italien, Österreich, Deutschland oder vielleicht Irland?
In dem Fall ging es um einen Italiener, der seit über einem halben Jahr in Österreich lebte und sich dort von seiner deutschen Frau scheiden lassen wollte, mit der er in Irland gelebt hatte. Das vom Italiener angerufene Gericht in Österreich fühlte sich für die Scheidung aber nicht zuständig – und auch in der zweiten Instanz bekam er kein Gehör. Die einschlägige Verordnung Brüssel II a über die Zuständigkeit in Ehesachen – so die Richter – verlange, dass sich derjenige, der einen Scheidungsantrag stellt, seit mindestens einem Jahr in dem Land leben müsse, in dem er sich scheiden lassen will.
Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit?
Der italienische Scheidungswillige argumentierte, dass die erforderliche Aufenthaltsdauer in Österreich nur sechs Monate betragen dürfe, wie dies in der Verordnung für den Fall vorgesehen sei, dass der Betroffene die Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaats besitze. Hierin liege eine verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Es sei nicht korrekt, von ihm als Italiener einen längeren Mindestaufenthalt als von einem Österreicher zu verlangen.
EuGH: Diskriminierungsverbot auch bei Scheidung
Und tatsächlich konnte auch der schließlich angerufene Oberste Gerichtshof Österreichs diesem Vortrag etwas abgewinnen und brachte die Sache zum EuGH. Dieser entschied, dass das in Art. 18 AEUV verankerte Diskriminierungsverbot im Hinblick auf die Staatsangehörigkeit der Ungleichbehandlung nicht entgegenstehe. Brüssel II a solle nämlich sicherstellen, dass eine tatsächliche Beziehung zu dem Mitgliedstaat bestehe, dessen Gerichte die Zuständigkeit für die Entscheidung über einen Antrag auf Ehescheidung wahrnehmen. Wer wegen einer Ehekrise den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort des Ehepaars verlässt und beschließt, in sein Herkunftsland zurückzukehren, befinde sich nicht in einer vergleichbaren Situation wie der, der infolge einer Ehekrise ins Ausland umzieht.
Die tatsächliche Beziehung des Inländers zu seinem Heimatland
Der EuGH unterstellt, dass jemand zu dem Land, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, zwangsläufig zu diesem eine institutionelle und rechtliche sowie regelmäßig kulturelle, sprachliche, soziale, familiäre oder das Vermögen betreffende Bindung habe. Diese trage zur Feststellung der tatsächlichen Bindung bei. Darüber hinaus werde damit für den anderen Ehepartner eine gewisse Vorhersehbarkeit gegeben. Dieser könne damit rechnen, dass eine Scheidung womöglich bei einem Gericht in diesem Land beantragt werde.
Auch wenn es heutzutage zahlreiche Beispiele von Personen geben dürfte, in denen zumindest überhaupt keine kulturelle oder sozial-familiäre Beziehungen zum Land der Staatsangehörigkeit bestehen, bleibt die Argumentation des EuGH nachvollziehbar.
Wer im Ausland bzw. mit einem Ausländer eine Ehe eingeht, sollte daher stets die Besonderheiten und Wirkungen einer internationalen Scheidung mit Auslandsbezug beachten. In den meisten Fällen wird daher ein (internationaler) Ehevertrag ein gutes Instrument sein. Bei einem Ehevertrag mit einem Ausländer, werden so schon bei der Eheschließung die wichtigsten Fragen geklärt.