Wer hat Julian Nagelsmann entlassen?
Rechtliche Verantwortung für Trainerfragen beim FC Bayern
Für den sportlichen Mißerfolg der Mannschaft hält der Trainer den Kopf hin. Aber wer verantwortet dessen Entlassung?
„Und dann ... sind wir irgendwann zu dem Entschluss gekommen, dass wir Julian freistellen“, druckste Oliver Kahn gestern auf der Pressekonfernez anlässlich der Trennung von Trainer Julian Nagelsmann herum.
Mit „wir“ meine Oliver Kahn vermutlich zunächst mal sich selbst und Hasan Salihamidzic. Nagelsmann ist (noch) Angestellter der FC Bayern München AG, also der Aktiengesellschaft, auf die der Verein FC Bayern München e.V. seine Abteilung Profifußball einst ausgegliedert hat. Arbeitsrechtliche Entscheidungen, wie die Trainerfrage, sind in der Aktiengesellschaft Teil der Geschäftsführung, die bei einer AG grundsätzlich dem AG-Vorstand obliegt. Kahn ist Vorsitzender des Vorstands und Salihamidzic Sportvorstand.
Was ist, wenn sich der Vorstand nicht einig ist?
Nach Außen schien es so, als ob die "Ex-Fußballer" Kahn und Salihamidzic allein über die Trainerfrage entschieden hätten. Ob dies tatsächlich so war oder ob die restlichen „Nichtfußballer" im Vorstand doch ein gewichtiges Wörtchen zu sagen hatten, ist unbekannt. Sollte es aber tatsächlich mal zu einer Kampfabstimmung bei einer solchen Frage kommen, bestimmt § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG, dass eine Entscheidung nie gegen die Mehrheit der Vorstandsmitglieder getroffen werden kann. Dann kommt es also nicht darauf an, ob Kahn und Salihamidzic bei sportlichen Entscheidungen gemäß der AG-Satzung oder auch der Geschäftsordnung des Vorstands mehr zuständig sind als andere.
Hatten der Aufsichtsrat und Uli Hoeneß Ihre Finger im Spiel?
Eine andere Frage ist, ob auch der Aufsichtsrat, den "Rauswurf" von Julian Nagelsmann zugestimmt hat oder sogar zustimmen musste. Zwar ist der Vorstand um Kahn und Salihamidzic in seinen Entscheidungen grundsätzlich frei, doch kann (und muss) der Aufsichtsrat Vorstandsmaßnahmen festlegen, die - wegen ihrer Bedeutung für die AG - zumindest der Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen. Die Trainerfrage (einerseits Einstellung Trainer, andererseits Kündigung Trainer) ist sicherlich keine unbedeutende Frage für eine Fußball-AG wie dem FC Bayern München ...
Man kann daher getrost davon ausgehen, dass die Freistellung von Nagelsmann und dessen Ersetzung durch Tuchel hier mit Hoeneß und den weiteren Aufsichtsratsmitgliedern nicht nur kommuniziert wurden. Man würde sogar erwarten, dass der Aufsichtsrat sich eingehende über Freistellung und Ersetzung informieren hat lassen und diesen zugestimmt hat.
50+1 in Trainerfragen?
Aber muss nicht eigentlich der Vorstand des Vereins noch mehr Macht bei solchen Entscheidungen haben als der Vorstand der Aktiengesellschaft? Schließlich besagt ja die 50+1-Regel im deutschen Profifußball, dass der Verein, wenn er den Profibereich auf eine Kapitalgesellschaft ausgliedert, weiter die Stimmmehrheit behalten muss. So ist es auch bei den Bayern. Hier hält der Verein selbst noch gut 75 Prozent der Aktien in der AG. Daher hat er auch in er Hauptversammlung der Aktionäre die einzige Stimme von Gewicht. Und selbstverständlich dominiert er damit auch den AG-Aufsichtsrat, in dem u.a. Herbert Hainer (Präsident des Vereins) und Uli Hoeneß (Ehrenpräsident des Vereins) sitzen.
Wer haftet für falsche Trainerentscheidungen?
Die Vorstände um Kahn und Salihamidzic haben die Entscheidung über die Entlassung von Julian Nagelsmann und die Einstellung von Thomas Tuchel getroffen. Sie werden daher auch die Verantwortung dafür übernehmen müssen, wenn der Trainertausch unmittelbar vor dem Einläuten der heißen Phase in allen drei Wettbewerben in die Hose geht.
Vorstände haften für Pflichtverletzungen auch in Fußballunternehmen unbegrenzt persönlich mit ihrem Privatvermögen. Aber selbst wenn manche Personalentscheidungen in der Bundesliga sehr fragwürdig und die dadurch verursachten wirtschaftlichen Schäden immens sind, dürfte wohl niemals eine missglückte Trainerentlassung in einem Schadensersatzprozess verhandelt werden. Solange der Ball rund bleibt (und der Fußball als Spiel unberechenbar), wird es schlicht schon niemandem gelingen, die Kausalität zwischen der Trainerkündigung und dem Niedergang in der Tabelle vor Gericht nachzuweisen.
Die Haftung für falsche Trainerentscheidungen ist bei der Fußball-AG auch deswegen wenig praxistauglich, weil die Klagen gegen Vorstandsmitglieder wie Kahn und Salihamidzic vom Aufsichtsrat geführt werden müssten. Geht man aber davon aus, dass der Aufsichtsrat bei einem Trainerwechsel immer ein Wörtchen mitredet, müsste der Aufsichtsrat ja gleich mitverklagt werden. Die Entscheidung über diese Klage läge dann wiederum beim Vorstand um Kahn und Salihamidzic ... Man danke nur an das Sprichwort mit den Krähen ...
Die "Entlassung" des Trainers: Freistellung statt Kündigung
Unter "Entlassung" ist übrigens nicht die arbeitsrechtliche Kündigung, sondern lediglich die Freistellung bis zum Ende der Laufzeit des Arbeitsvertrags gemeint. Die bei Bundesligatrainern üblicherweise auf einige Jahre begrenzten Zeitverträge lassen sich nicht ordentlich kündigen und sportlicher Misserfolg rechtfertigt auch keine außerordentliche Kündigung. So wird Julian Nagelsmann wohl weiter sein Gehalt von der FC Bayern München AG bekommen, wenn nicht ein anderer Verein (im Gespräch Real und Tottenham) ihn vorher verpflichtet und es zu einem Aufhebungsvertrag kommt.