Testierunfähigkeit - wer entscheidet?

Rechtspfleger, Richter oder Sachverständiger?

Die Frage, ob ein Testament wegen Testierunfähigkeit ungültig ist, ist zu komplex, um die Beantwortung allein den Juristen zu überlassen.

Veröffentlicht am: 29.01.2025
Qualifikation: Rechtsanwältin - Erbrecht & Stiftungsrecht
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In einer Vielzahl von Fällen später Testamente stellt sich die Frage, ob die testierende Person noch testierfähig war. Bereits in den Erbscheinsverfahren werden hierzu Argumente vorgetragen. Das Oberlandesgericht München musste kürzlich einen Fall entscheiden, in dem es auch darum ging, wer überhaupt wie eine mögliche Testierunfähigkeit feststellt (OLG München, Beschluss vom 18.12.2024 - 33 Wx 153/24 e).

Rechtspfleger stellt Testierunfähigkeit fest

Folgender Fall lag dem Oberlandesgericht München vor: Die Erblasserin setzte im Januar 2020 ein Testament zugunsten der Tochter eines Cousins auf. Im April 2020 wurde die Erblasserin unter Betreuung gestellt und verstarb im Oktober desselben Jahres. Gegen den Erbschein des Erben nach gesetzlicher Erbfolge legte die Tochter des Cousins als testamentarische Erbin Beschwerde ein. Der Rechtspfleger des Nachlassgerichts befragte die behandelnden Ärzte, holte ein psychiatrisches Sachverständigengutachten ein und vernahm mehrere Zeugen mit widersprüchlichen Ergebnissen. Das schriftliche Sachverständigengutachten kam zu dem Schluss, dass ein abschließendes Ergebnis aufgrund sich widersprechender Aussagen der Kontaktpersonen nicht möglich sei. Der Rechtspfleger wies die Beschwerde der testamentarisch Bedachten im Erbscheinsverfahren ab und verneinte die Testierfähigkeit. 

Sachkundig ist nur der Sachverständige

Die Tochter des Cousins legte daraufhin Beschwerde beim OLG München ein. Dieses hob die Entscheidung des Nachlassgerichts aus folgenden Gründen auf:

  • Der Sachverständige hielt die Vernehmung der Kontaktpersonen für eine abschließende Beurteilung für erforderlich und hätte bei der Befragung der Zeugen hinzugezogen werden müssen, auch um diesen selbst Fragen stellen zu können.

  • Das Nachlassgericht allein kann aufgrund fehlender Sachkunde eine solche Entscheidung nicht ohne sachverständige Hilfe feststellen und verletzt den Grundsatz auf rechtliches Gehör, wenn es ohne die abschließende Stellungnahme des Sachverständigen entscheidet.

  • Die Erteilung eines Erbscheins bei streitigen Fällen ist dem Richter vorbehalten. Der Rechtspfleger hätte somit das Verfahren dem Richter vorlegen müssen.

Was der entschiedene Fall – wie auch die weitere Rechtsprechung - aufzeigen: Die Frage der Testierunfähigkeit ist in den meisten Fällen nicht einfach zu entscheiden. Es lohnt sich, die Entscheidungen der Nachlassgerichte rechtlich überprüfen zu lassen. Das gilt auch für Entscheidungen im Hinblick auf die Wirksamkeit bzw. Anfechtbarkeit von Testamenten. Gerne unterstützen wir Sie anhand der Kriterien der aktuellen Rechtsprechung bei der Einschätzung, welches rechtliche Vorgehen in Ihrem Fall anzuraten ist.

Video: Testierunfähigkeit

Rechtsanwalt Bernfried Rose erklärt in diesem Video, wann ein Testament wegen Testierunfähigkeit ungültig ist und wie das im Erbscheinverfahren beim Nachlassgericht festgestellt wird.