Testierfähigkeit - Ermittlungen des Nachlassgerichts bei Anfechtung des Testaments

OLG Karlsruhe zu den von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungen

Veröffentlicht am: 15.07.2015
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Erbe oder nicht Erbe – darum geht es, wenn vor dem Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren um die Gültigkeit des Testaments gerungen wird. Angehörige versuchen Testamente anzufechten, um testamentarische Erben aus dem Weg zu räumen. Neben Formunwirksamkeit und Irrtümern wird dabei immer häufiger die Testierunfähigkeit des Erblassers vorgebracht. Welche Nachforschungen in diesen Fällen vom Nachlassgericht gefordert werden können, hat nun das OLG Karlsruhe in einem Beschluss vom 21. Mai 2015 entschieden:  

Amtsermittlung durch das Nachlassgericht

Das Nachlassgericht muss von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchführen. Welche Nachforschungen geboten sind, liegt im Ermessen des Richters. Das Erbscheinsverfahren muss im Ergebnis geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für die zu treffende Entscheidung zu erlangen. Die Beteiligten im Erbscheinsverfahren sind ebenfalls verpflichtet, durch eingehende Tatsachendarstellung an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. In dem vom OLG zu entscheidenden Fall, hatte das Nachlassgericht diese Grundsätze verletzt. Es gab noch eine Reihe erfolgversprechender Ermittlungsansätze zu Tatsachen für eine sachverständige Begutachtung, denen das Gericht nicht nachgegangen ist. Zwar wurde ein Gutachten zur Testierfähigkeit eingeholt, Zeugen und Beteiligte wurden aber nicht angehört. Weder Ärzte noch der beurkundende Notar wurden vernommen. Aus deren Aussagen hätten sich Rückschlüsse für das psychiatrische Gutachten gewinnen lassen können.  

Konflikte rund um das Testament und den Erbschein

Da immer mehr Menschen im Alter an Krankheiten wie Demenz leiden, spielt die Testierfähigkeit immer häufiger bei der Beantragung eines Erbscheins eine Rolle. Der Nachweis vor Gericht ist jedoch schwierig. Grundsätzlich ist bei jedem Erblasser von der Testierfähigkeit ausgegangen. Selbst eine gerichtlich angeordnete Betreuung bzw. festgestellte Geschäftsunfähigkeit führt nicht automatisch zur Testierunfähigkeit.

Auf der anderen Seite reicht auch nicht ein Vermerk des beurkundenden Notars, um Testierfähigkeit sicher anzunehmen. Wer ein Testament vor dem Nachlassgericht anfechten will, sollte in jedem Fall alle Möglichkeiten prüfen, also auch die Formunwirksamkeit, den Irrtum des Erblassers und vor allem die unzulässige Einflussnahme Dritter.  

Konflikte um die Gültigkeit des Testaments kommen regelmäßig dann an die Oberfläche, wenn ein testamentarischer Erbe einen Erbschein beantragt und ein gesetzlicher Erbe dem Antrag wiedersricht, weil er das Testament für ungültig hält.