Rücktritt vom Erbvertrag

Erklärung gegenüber Bevollmächtigten wirksam?

Veröffentlicht am: 05.07.2021
Qualifikation: Rechtsanwalt und Mediator
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Erklärung gegenüber Bevollmächtigten wirksam?

Ein notarieller Erbvertrag bringt den Vertragsparteien Sicherheit. Ohne weiteres und ohne besondere Rücktritts- oder Anfechtungsgründe können sich die Beteiligten nicht mehr von ihren erbvertraglichen Erklärungen lösen. Besteht ein Rücktrittsgrund, sind bei dem Rücktritt vom Erbvertrag ergänzend besondere formelle Anforderungen zu beachten. § 2296 Abs. 2 S. 1 BGB bestimmt etwa, dass der Rücktritt „durch Erklärung gegenüber dem anderen Vertragsschließenden“ erfolgt und der notariellen Beurkundung bedarf. Die Rücktrittserklärung ist rechtlich eine sogenannte empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst im Zeitpunkt des Zugangs bei dem Erklärungsempfänger wirksam wird, § 130 Abs. 1 S. 1 BGB.

Was geschieht bei Geschäftsunfähigkeit des Erklärungsempfängers?

Eine Rücktrittserklärung gegenüber einem geschäftsunfähig gewordenen Vertragspartner war und ist demnach stets unwirksam. In der Praxis stellte sich bislang und in Ermangelung einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die Frage, ob dann, wenn eine Rücktrittserklärung gegenüber einem geschäftsunfähig gewordenen Erbvertragsteil abgegeben werden soll, die Bestellung eines rechtlichen Betreuers durch das Betreuungsgericht notwendig ist oder aber die Abgabe der Rücktrittserklärung gegenüber einem rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten (beispielsweise gegenüber dem Inhaber einer Vorsorgevollmacht) rechtswirksam möglich ist. Der Bundesgerichtshof hat zu dieser Frage jetzt Klarheit geschaffen (BGH, Beschluss vom 27.01.2021, XII ZB 450/20).

Jetzt geklärt: Rücktrittserklärung gegenüber Bevollmächtigtem möglich

Die in der Praxis zu verzeichnenden Unsicherheiten entstammen u.a. § 131 Abs. 1 BGB, wonach Willenserklärungen gegenüber Geschäftsunfähigen erst dann wirksam werden, wenn sie dessen gesetzlichem Vertreter zugehen. Verschiedentlich wurde aus dieser Rechtsnorm gefolgert, dass die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht nicht ausreichend sei. In der Folge musste in der Praxis stets die Bestellung eines rechtlichen Betreuers empfohlen und abgewartet werden, um Sicherheit im Hinblick auf die Wirksamkeit des Zugangs einer Rücktrittserklärung gegenüber dem geschäftsunfähig gewordenen anderen Vertragsteil zu haben – ein langwieriger und komplizierter Vorgang.

Der Bundesgerichtshof stellte jetzt jedoch klar, dass § 131 Abs. 1 BGB nicht ausschließt, dass Willenserklärungen gegenüber einem rechtsgeschäftlichen Vertreter eines Geschäftsunfähigen ebenfalls wirksam zugehen. Der BGH verwies ausdrücklich auf § 164 Abs. 3 BGB, wonach die dem Vertreter gegenüber abgegebene Willenserklärung „unmittelbar für und gegen den Vertretenen wirkt“.

Ruhige Gewässer – und weitere ungeklärte Fragen

Die Unsicherheit für lösungswillige Erbvertragsparteien ist damit beendet. Beachten Sie jedoch, dass es in der hier relevanten Fallgestaltung um solche Willenserklärungen geht, die dem geschäftsunfähig gewordenen Vertragsteil zugehen. Der Vertragsteil, der sich vom Vertrag lösen möchte, muss selbst noch geschäftsfähig sein. Wäre der lösungswillige Vertragsteil nicht mehr geschäftsfähig, kommt nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut des § 2296 Abs. 1 BGB ein Vertragsrücktritt unter keinen Umständen in Betracht. Diese Norm bestimmt wörtlich: „Der Rücktritt kann nicht durch einen Vertreter erfolgen.“

Beachten Sie auch, dass der Bundesgerichtshof keine Entscheidung dazu traf, ob der Bevollmächtigte, der nach der ihm erteilten Vollmacht unter Befreiung von § 181 BGB gleichzeitig für sich selbst und für den Vertretenen Willenserklärungen abgeben darf, auch und speziell bei einem Rücktritt vom Erbvertrag gleichzeitig rechtswirksam für sich selbst als Vertragspartei und für die andere von ihm vertretene Vertragspartei handeln darf. Diese Frage ist noch nicht abschließend geklärt.

Schwierigkeiten beim Rücktritt bzw. Widerruf von letztwilligen Verfügungen

Die Rechtslage im Zusammenhang mit der Loslösung von Erbverträgen bleibt komplex, erforderliche Willenserklärungen unterliegen nach wie vor strengen Formvorschriften. Beispielhaft und ergänzend sei angemerkt, dass bei der Zustellung der notariell beurkundeten Rücktrittserklärung keine Kopie oder beglaubigte Abschrift der Erklärung übermittelt werden muss, sondern eine sogenannte Ausfertigung der Rücktrittserklärung.

Ganz eigene, nicht minder komplexere Spielregeln gelten übrigens beim Widerruf von gemeinschaftlichen Testamenten wie dem Berliner Testament für Ehegatten. Durch die hier mögliche Bindungswirkung gibt es bei diesen Testamenten eine Annäherung zum Erbvertrag.

Die Inanspruchnahme rechtlich qualifizierter Beratung durch einen Spezialisten für Erbrecht ist in diesen Zusammenhängen in aller Regel geboten.