Neue Rechtsform für Unternehmen ohne Shareholder Value

Verantwortungseigentum vs. klassische Rechtsformen

Nach langen Diskussionen und dem Versprechen der Einführung bereits im Koalitionsvertrag geht das Projekt „Unternehmen in Verantwortungseigentum“ nun auf die Zielgerade.

Veröffentlicht am: 16.07.2024
Qualifikation: Rechtsanwalt & Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in Hamburg
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Die Ampel-Regierung plant eine weitreichende Reform im Gesellschaftsrecht. Diese sieht die Einführung einer neuen Rechtsform vor, die speziell für Unternehmen gedacht ist, deren Ziel nicht primär der Shareholder Value, sondern deren Inhaber in der Ausübung der Rechte treuhänderisch gebunden sind. Hintergrund dieser Initiative ist das wachsende Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften und die Verantwortung von Unternehmen gegenüber Gesellschaft und Umwelt. In einer Zeit, in der ökologische und soziale Herausforderungen zunehmend an Bedeutung gewinnen, sucht die Politik nach Wegen, diese Aspekte stärker im Wirtschaftsleben zu verankern.

Die Ampel-Parteien hatten sich dies bereits im Koalitionsvertrag vorgenommen und wollen laut dem gerade verkündeten Wachstumspaket nunmehr in die gesetzgeberische Umsetzung gehen.

Was ist Verantwortungseigentum bzw. treuhänderisch gebundenes Eigentum?

Verantwortungseigentum bezeichnet eine Unternehmensform, bei der das wirtschaftliche Handeln nicht auf die Maximierung des Gewinns für externe Anteilseigner ausgerichtet ist. Stattdessen steht die nachhaltige, langfristige Entwicklung des Unternehmens im Vordergrund. Diese Unternehmensphilosophie zielt darauf ab, ein Gleichgewicht zwischen ökonomischem Erfolg, ökologischer Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung zu schaffen. Verantwortungseigentümer sehen sich selbst als Treuhänder des Unternehmens und verpflichten sich, den Unternehmenszweck über den eigenen finanziellen Nutzen zu stellen.

In der Diskussion um die neue Rechtsform war unter anderem die Bezeichnung als „Verantwortungseigentum“ umstritten, da auch andere Unternehmenseigentümer für sich in Anspruch nehmen, verantwortungsvoll zu handeln. Daher hatte sich der Begriff „treuhänderisches Eigentum“ daneben etabliert, der zum Ausdruck bringen soll, dass die Unternehmensanteile nur zu treuen Händen bis zur Übergabe an den Nachfolger gehalten werden. Dem Vernehmen nach wird jetzt auch der Begriff „Thesaurierende Gesellschaft“ diskutiert, womit betont wird, dass die Gewinne eines solchen Unternehmens nicht zur Ausschüttung, sondern zur Innenfinanzierung vor allem von Investitionen einbehalten werden sollen.

Was unterscheidet die Rechtsform von klassischen Rechtsformen? Welche Ziele lassen sich damit erreichen?

Die neue Rechtsform für Verantwortungseigentum unterscheidet sich in mehreren Punkten grundlegend von den klassischen Rechtsformen wie der GmbH oder der AG. Zunächst einmal gibt es bei dieser Rechtsform keine klassischen Anteilseigner, die Anspruch auf die Ausschüttung von Gewinnen haben. Stattdessen werden Gewinne entweder reinvestiert oder für gemeinnützige Zwecke verwendet.

Ein weiterer Unterschied liegt in der Anteilsbindung. Während bei herkömmlichen Unternehmensformen die Eigentümer ihre Anteile frei verkaufen können, ist dies bei der Verantwortungseigentumsform stark eingeschränkt. Ziel ist es, die Unabhängigkeit des Unternehmens zu bewahren und es vor spekulativen Übernahmen zu schützen. Die Übertragung von Anteilen erfolgt somit nur an Personen, die den Prinzipien des Verantwortungseigentums verpflichtet sind.

Die Hauptziele dieser neuen Rechtsform sind damit die Förderung von langfristigem, nachhaltigem Wirtschaften und die Sicherstellung, dass Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Durch die Begrenzung der Gewinnentnahme wird verhindert, dass kurzfristige Gewinnmaximierung die strategische Ausrichtung des Unternehmens bestimmt. Stattdessen können Unternehmen stabiler und resilienter agieren, was insbesondere in Krisenzeiten von Vorteil ist.

Einsatz im Rahmen der Unternehmensnachfolge

Ein besonders wichtiger Einsatzbereich der neuen Rechtsform ist die Unternehmensnachfolge. Viele Familienunternehmen stehen vor der Herausforderung, geeignete Nachfolger zu finden, die nicht nur fachlich, sondern auch ideell zur Unternehmenskultur passen. Hier bietet die Rechtsform des Verantwortungseigentums eine attraktive Lösung. Sie ermöglicht es den Gründern, ihr Lebenswerk in verantwortungsvolle Hände zu legen und sicherzustellen, dass das Unternehmen im Sinne der Gründer weitergeführt wird. Dies ist für viele Unternehmer eine attraktive Alternative zum Verkauf an Finanzinvestoren oder Konkurrenten.

Zwar lässt sich aktuell ebenfalls eine Struktur für ein Unternehmen in Verantwortungseigentum schaffen. Weltbekannte Unternehmen wie Bosch oder Carl Zeiss sind diesen Weg in der Vergangenheit bereits mit sehr großem Erfolg gegangen. Dies erfordert jedoch den Einsatz von Stiftungen, was solche Strukturen komplex, unflexibel und teuer in der Gründung macht. Für kleinere, mittelständische Unternehmen ist dies daher nur bedingt geeignet.

Fazit

Die Einführung der neuen Rechtsform für Verantwortungseigentum würde einen bedeutenden Schritt hin zu einer nachhaltigeren und verantwortungsbewussteren Wirtschaft darstellen. Dies schafft stabile, krisenresistente Strukturen und trägt aktiv zu einer nachhaltigen Entwicklung bei. Insbesondere für Familienunternehmen bietet diese Rechtsform eine wertvolle Alternative, um die Unternehmensnachfolge im Sinne der Gründer zu gestalten und die Unabhängigkeit des Unternehmens zu bewahren.

Durch die gesetzliche Verankerung des Verantwortungseigentums werden nicht nur die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen, sondern auch ein kultureller Wandel im unternehmerischen Denken gefördert. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entwicklung in der Praxis bewähren wird. Eine interessante Alternative stellt es in jedem Fall dar und im Ausland, zum Beispiel in Dänemark, sind solche Unternehmensformen bereits erfolgreich etabliert.